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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Salisbury und der Mcchdi.

und Ihre militärischen Ausgaben werden fortdauernd zunehmen. Mein Rat
geht also dahin, den Herbstfeldzug nilaufwärts so, wie er ursprünglich ins Ange
gefaßt war, auszuführen. Suakin würde ich lassen, wie es ist."

Diese Betrachtungen und Vorschläge Wolseleys schmeckten ein wenig nach
dem Verdrusse darüber, daß sein jetziger Kreuzzug gegen den Propheten in
Chartum so ganz und gar mißlungen war, enthielten aber im ganzen unleugbar
richtige Urteile über die Schwierigkeiten, welche der Mcchdi dem Ägypten okku-
pirenden Heere voraussichtlich machen wird, wenn man ihn nicht im Sudan
beseitigt. So blieb denn Wolseleys Telegramm in London nicht ohne Be¬
achtung und Wirkung; denn an demselben Tage schon, wo es dort einging, erhielt
er Antwort in Gestalt eines Befehls Lord Hartingtvns, des Kriegsministers
im Gladstoneschen Kabinet, den Abzug von Dongoln einzustellen und die
Truppen, die von dort schon weggezogen, zurückgehen zu lassen. Indes war
General Butter, der noch in der Nachbarschaft der Stadt stand, andrer Mei¬
nung. "Im allgemeine", schrieb er, wünschte ich zwar zu bleiben, doch denke
ich jetzt, die Schwierigkeiten sind so groß, daß es besser ist, nicht uach Dongola
zurückzukehren, sondern weiter, nach Akaschch, zu retiriren. . . . Natürlich ist es
möglich, Dongola von neuem zu besetzen, aber es kann nnr auf eine Weise ge¬
schehen, die in Wirklichkeit ein neuer Feldzug ist, und ist Dongola einer zweiten
Expedition wert?" Wolseley wollte den Befehl Hartingtvns ausführen und
die Provinz Dongola behaupten; er hielt Butters Ansicht von der Schwierigkeit,
die dortige Garnison zu verproviantiren, für übertrieben, und meinte die Streit¬
kräfte, die für die Strecke von Assuan bis Dongola erforderlich sein würden,
uur auf neun Bataillone veranschlagen zu dürfen. Den Abzug von letzterem
Orte bezeichnete er als Schwäche in den Augen der Eingebornen, vom Ver¬
bleiben der Engländer in dieser Stellung erwartete er, es werde dem Mcchdi
viele Stämme abwendig machen. Er schlug schließlich den Fortbau der Nil¬
eisenbahn von Saras über Akascheh nach Ferkel vor.

Inzwischen waren den Liberalen die Tories am Nuder gefolgt, und da
Vullers Ansicht nicht sehr von der Meinung des Obergenerals abwich und
letzterer zugab, "jener kenne den genanen Stand der Dinge vielleicht besser als
sonst jemand," so telegraphirte ihm der neue Kriegsminister Smith am 1. Juli,
"Ihrer Majestät Regierung stehe unter dem tiefen Eindrucke der unbedingten
Einmütigkeit, die auf selten aller Autoritäten in Ägypten, der bürgerlichen wie
der militärischen, darüber herrsche, es sei für den Frieden und die Sicherheit
Ägyptens von Wichtigkeit, daß die ägyptische Regierung die Provinz Dongola
festhalte." Zugleich wurde Wolseley ersucht, nach London zu kommen, um dort
seine Ansichten über die zur Verteidigung Ägyptens notwendigen Maßregeln
auseinanderzusetzen -- eine Aufforderung, der er vor einigen Tagen nachge¬
kommen ist. Er wird jetzt Gelegenheit gehabt und dieselbe benutzt haben,
Salisbury seineu Plan eiues Herbstfcldzuges gegen den Mcchdi zu empfehlen;
doch glauben wir nicht, daß er den Chef der Toryregierung für ein fo bedenk¬
liches Unternehmen gewinnen wird, und wäre es der Fall, so ist nicht anzu¬
nehmen, daß eine neue Expedition gegen Chartum die Sanktion des Parlaments
zu hoffen hat, es wäre denn, daß eine sehr schwere Niederlage der Engländer
am untern Nil -- die möglich, aber uicht wahrscheinlich ist -- dieselbe zur
Notwendigkeit machte. Mit der Provinz Dongola ist es etwas andres. Vom
militärischen Standpunkte betrachtet ist sie ein Vorwerk Ägyptens an dessen
südlicher Grenze, und zugleich giebt sie das geeignetste Zentrum ab für alle


Grenzboten III. 138S. 24
Salisbury und der Mcchdi.

und Ihre militärischen Ausgaben werden fortdauernd zunehmen. Mein Rat
geht also dahin, den Herbstfeldzug nilaufwärts so, wie er ursprünglich ins Ange
gefaßt war, auszuführen. Suakin würde ich lassen, wie es ist."

Diese Betrachtungen und Vorschläge Wolseleys schmeckten ein wenig nach
dem Verdrusse darüber, daß sein jetziger Kreuzzug gegen den Propheten in
Chartum so ganz und gar mißlungen war, enthielten aber im ganzen unleugbar
richtige Urteile über die Schwierigkeiten, welche der Mcchdi dem Ägypten okku-
pirenden Heere voraussichtlich machen wird, wenn man ihn nicht im Sudan
beseitigt. So blieb denn Wolseleys Telegramm in London nicht ohne Be¬
achtung und Wirkung; denn an demselben Tage schon, wo es dort einging, erhielt
er Antwort in Gestalt eines Befehls Lord Hartingtvns, des Kriegsministers
im Gladstoneschen Kabinet, den Abzug von Dongoln einzustellen und die
Truppen, die von dort schon weggezogen, zurückgehen zu lassen. Indes war
General Butter, der noch in der Nachbarschaft der Stadt stand, andrer Mei¬
nung. „Im allgemeine», schrieb er, wünschte ich zwar zu bleiben, doch denke
ich jetzt, die Schwierigkeiten sind so groß, daß es besser ist, nicht uach Dongola
zurückzukehren, sondern weiter, nach Akaschch, zu retiriren. . . . Natürlich ist es
möglich, Dongola von neuem zu besetzen, aber es kann nnr auf eine Weise ge¬
schehen, die in Wirklichkeit ein neuer Feldzug ist, und ist Dongola einer zweiten
Expedition wert?" Wolseley wollte den Befehl Hartingtvns ausführen und
die Provinz Dongola behaupten; er hielt Butters Ansicht von der Schwierigkeit,
die dortige Garnison zu verproviantiren, für übertrieben, und meinte die Streit¬
kräfte, die für die Strecke von Assuan bis Dongola erforderlich sein würden,
uur auf neun Bataillone veranschlagen zu dürfen. Den Abzug von letzterem
Orte bezeichnete er als Schwäche in den Augen der Eingebornen, vom Ver¬
bleiben der Engländer in dieser Stellung erwartete er, es werde dem Mcchdi
viele Stämme abwendig machen. Er schlug schließlich den Fortbau der Nil¬
eisenbahn von Saras über Akascheh nach Ferkel vor.

Inzwischen waren den Liberalen die Tories am Nuder gefolgt, und da
Vullers Ansicht nicht sehr von der Meinung des Obergenerals abwich und
letzterer zugab, „jener kenne den genanen Stand der Dinge vielleicht besser als
sonst jemand," so telegraphirte ihm der neue Kriegsminister Smith am 1. Juli,
„Ihrer Majestät Regierung stehe unter dem tiefen Eindrucke der unbedingten
Einmütigkeit, die auf selten aller Autoritäten in Ägypten, der bürgerlichen wie
der militärischen, darüber herrsche, es sei für den Frieden und die Sicherheit
Ägyptens von Wichtigkeit, daß die ägyptische Regierung die Provinz Dongola
festhalte." Zugleich wurde Wolseley ersucht, nach London zu kommen, um dort
seine Ansichten über die zur Verteidigung Ägyptens notwendigen Maßregeln
auseinanderzusetzen — eine Aufforderung, der er vor einigen Tagen nachge¬
kommen ist. Er wird jetzt Gelegenheit gehabt und dieselbe benutzt haben,
Salisbury seineu Plan eiues Herbstfcldzuges gegen den Mcchdi zu empfehlen;
doch glauben wir nicht, daß er den Chef der Toryregierung für ein fo bedenk¬
liches Unternehmen gewinnen wird, und wäre es der Fall, so ist nicht anzu¬
nehmen, daß eine neue Expedition gegen Chartum die Sanktion des Parlaments
zu hoffen hat, es wäre denn, daß eine sehr schwere Niederlage der Engländer
am untern Nil — die möglich, aber uicht wahrscheinlich ist — dieselbe zur
Notwendigkeit machte. Mit der Provinz Dongola ist es etwas andres. Vom
militärischen Standpunkte betrachtet ist sie ein Vorwerk Ägyptens an dessen
südlicher Grenze, und zugleich giebt sie das geeignetste Zentrum ab für alle


Grenzboten III. 138S. 24
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/193>, abgerufen am 25.11.2024.