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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zum Weimarer Jubilare.

land kommt. Und wenn man von Anfang an feierlich (und recht laut!) er¬
klärte: "Dies ist die Jubelausgabe; dies ist die großartige öäitio ris variswr;
es werden nicht mehr als taufend Abzüge davon genommen, und sie wird nie
wieder aufgelegt werden" -- so würde schon der Wunsch nach dem Besitze einer
Seltenheit manchen Käufer herbeiführen. Sammler, die Goethe an und für
sich garnicht kümmert, würden sich dann melden; und sogar der Emporkömm¬
ling, der sich eine Bücherei nach Maß bestellt, würde sich vielleicht einen Abzug
aufreden lassen.

Endlich würde der Preis in der That garnicht so unerschwinglich sein.
Der Natur der Sache nach werden die einzelnen Teile sich in ziemlich großen
Zwischcnrciumen folgen. Bei einem Anschlage von 500 Mark für dreißig bis
sechsunddreißig Bände würde der Band vermutlich ungefähr 15 Mark kosten,
ein Preis, der weder an sich übermäßig, noch, in längern Pausen gefordert,
unerschwinglich genannt werden dürfte.

Nicht wegen der paar Epigramme verlangen wir übrigens für die Jubel¬
ausgabe ein außergewöhnliches Gewand. Das halten wir überhaupt für eine
Forderung nationalen literarischen Anstcindes. Von Shakespeare und von
Moliere, dem großen Dichter Englands und dem großen Dichter Frankreichs,
besitzt man mehrere wahrhaft schöne Ausgaben. Viktor Hugo hat es sogar
noch erlebt, daß man eine Sammlung seiner Werke begann, von der ein voll¬
ständiger Abzug 5000 Franks kosten wird. Man vergleiche damit nur unsre
anerkannten Klassiker. Die besten Texte, die wir bisher hatten, die Hempelschen,
sind mit einer so boshaften Type auf so gemeinem Papier gedruckt, daß ihr
Anblick genügen sollte, begabte junge Leute vom Dichterberufe abzuschrecken.
Im "Originalprachtband" erregen sie vollends Schauder. Die ansehnlichste
Ausgabe von Goethe oder Schiller ist eben noch gut genug zum Handgebrauch.
Es wäre nachgerade wirklich an der Zeit, und es könnte gar kein passenderer
Anlaß dazu kommen, das Versäumte wenigstens für Goethe nachzuholen, der
doch für den Deutschen das ist, was für den Engländer Shakespeare ist und
für den Franzosen Moliere: der Dichter schlechthin, der Geist, in dem sich die
Eigenschaften seines Volkes am reichsten vereinigt und am deutlichsten aus¬
gesprochen haben.

Für 300 Mark -- den zehnten Teil dessen, was der Franzose an Hugo
wendet -- kann immerhin etwas bescheiden Gediegnes geschaffen werden. Über
die Grundzüge der Ausstattung würde ja leicht allgemeines Einverständnis
herzustellen sein -- der Anstoß müßte denn in der Wahl der Type liegen.

Zu Illustrationen wäre schwerlich zu raten. Das verbietet schon die
Rücksicht auf die Kosten. Außerdem aber sind Goethes Schriften ja zur weit¬
aus größern Hälfte für den Zeichner ganz unfruchtbar. Für einen einzelnen
Zeichner ist die Aufgabe zu umfassend; und was bei einer Verteilung heraus¬
kommt: der widerwärtige Mischmasch, das würdelose Gedränge, das kennen


Zum Weimarer Jubilare.

land kommt. Und wenn man von Anfang an feierlich (und recht laut!) er¬
klärte: „Dies ist die Jubelausgabe; dies ist die großartige öäitio ris variswr;
es werden nicht mehr als taufend Abzüge davon genommen, und sie wird nie
wieder aufgelegt werden" — so würde schon der Wunsch nach dem Besitze einer
Seltenheit manchen Käufer herbeiführen. Sammler, die Goethe an und für
sich garnicht kümmert, würden sich dann melden; und sogar der Emporkömm¬
ling, der sich eine Bücherei nach Maß bestellt, würde sich vielleicht einen Abzug
aufreden lassen.

Endlich würde der Preis in der That garnicht so unerschwinglich sein.
Der Natur der Sache nach werden die einzelnen Teile sich in ziemlich großen
Zwischcnrciumen folgen. Bei einem Anschlage von 500 Mark für dreißig bis
sechsunddreißig Bände würde der Band vermutlich ungefähr 15 Mark kosten,
ein Preis, der weder an sich übermäßig, noch, in längern Pausen gefordert,
unerschwinglich genannt werden dürfte.

Nicht wegen der paar Epigramme verlangen wir übrigens für die Jubel¬
ausgabe ein außergewöhnliches Gewand. Das halten wir überhaupt für eine
Forderung nationalen literarischen Anstcindes. Von Shakespeare und von
Moliere, dem großen Dichter Englands und dem großen Dichter Frankreichs,
besitzt man mehrere wahrhaft schöne Ausgaben. Viktor Hugo hat es sogar
noch erlebt, daß man eine Sammlung seiner Werke begann, von der ein voll¬
ständiger Abzug 5000 Franks kosten wird. Man vergleiche damit nur unsre
anerkannten Klassiker. Die besten Texte, die wir bisher hatten, die Hempelschen,
sind mit einer so boshaften Type auf so gemeinem Papier gedruckt, daß ihr
Anblick genügen sollte, begabte junge Leute vom Dichterberufe abzuschrecken.
Im „Originalprachtband" erregen sie vollends Schauder. Die ansehnlichste
Ausgabe von Goethe oder Schiller ist eben noch gut genug zum Handgebrauch.
Es wäre nachgerade wirklich an der Zeit, und es könnte gar kein passenderer
Anlaß dazu kommen, das Versäumte wenigstens für Goethe nachzuholen, der
doch für den Deutschen das ist, was für den Engländer Shakespeare ist und
für den Franzosen Moliere: der Dichter schlechthin, der Geist, in dem sich die
Eigenschaften seines Volkes am reichsten vereinigt und am deutlichsten aus¬
gesprochen haben.

Für 300 Mark — den zehnten Teil dessen, was der Franzose an Hugo
wendet — kann immerhin etwas bescheiden Gediegnes geschaffen werden. Über
die Grundzüge der Ausstattung würde ja leicht allgemeines Einverständnis
herzustellen sein — der Anstoß müßte denn in der Wahl der Type liegen.

Zu Illustrationen wäre schwerlich zu raten. Das verbietet schon die
Rücksicht auf die Kosten. Außerdem aber sind Goethes Schriften ja zur weit¬
aus größern Hälfte für den Zeichner ganz unfruchtbar. Für einen einzelnen
Zeichner ist die Aufgabe zu umfassend; und was bei einer Verteilung heraus¬
kommt: der widerwärtige Mischmasch, das würdelose Gedränge, das kennen


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[0188] Zum Weimarer Jubilare. land kommt. Und wenn man von Anfang an feierlich (und recht laut!) er¬ klärte: „Dies ist die Jubelausgabe; dies ist die großartige öäitio ris variswr; es werden nicht mehr als taufend Abzüge davon genommen, und sie wird nie wieder aufgelegt werden" — so würde schon der Wunsch nach dem Besitze einer Seltenheit manchen Käufer herbeiführen. Sammler, die Goethe an und für sich garnicht kümmert, würden sich dann melden; und sogar der Emporkömm¬ ling, der sich eine Bücherei nach Maß bestellt, würde sich vielleicht einen Abzug aufreden lassen. Endlich würde der Preis in der That garnicht so unerschwinglich sein. Der Natur der Sache nach werden die einzelnen Teile sich in ziemlich großen Zwischcnrciumen folgen. Bei einem Anschlage von 500 Mark für dreißig bis sechsunddreißig Bände würde der Band vermutlich ungefähr 15 Mark kosten, ein Preis, der weder an sich übermäßig, noch, in längern Pausen gefordert, unerschwinglich genannt werden dürfte. Nicht wegen der paar Epigramme verlangen wir übrigens für die Jubel¬ ausgabe ein außergewöhnliches Gewand. Das halten wir überhaupt für eine Forderung nationalen literarischen Anstcindes. Von Shakespeare und von Moliere, dem großen Dichter Englands und dem großen Dichter Frankreichs, besitzt man mehrere wahrhaft schöne Ausgaben. Viktor Hugo hat es sogar noch erlebt, daß man eine Sammlung seiner Werke begann, von der ein voll¬ ständiger Abzug 5000 Franks kosten wird. Man vergleiche damit nur unsre anerkannten Klassiker. Die besten Texte, die wir bisher hatten, die Hempelschen, sind mit einer so boshaften Type auf so gemeinem Papier gedruckt, daß ihr Anblick genügen sollte, begabte junge Leute vom Dichterberufe abzuschrecken. Im „Originalprachtband" erregen sie vollends Schauder. Die ansehnlichste Ausgabe von Goethe oder Schiller ist eben noch gut genug zum Handgebrauch. Es wäre nachgerade wirklich an der Zeit, und es könnte gar kein passenderer Anlaß dazu kommen, das Versäumte wenigstens für Goethe nachzuholen, der doch für den Deutschen das ist, was für den Engländer Shakespeare ist und für den Franzosen Moliere: der Dichter schlechthin, der Geist, in dem sich die Eigenschaften seines Volkes am reichsten vereinigt und am deutlichsten aus¬ gesprochen haben. Für 300 Mark — den zehnten Teil dessen, was der Franzose an Hugo wendet — kann immerhin etwas bescheiden Gediegnes geschaffen werden. Über die Grundzüge der Ausstattung würde ja leicht allgemeines Einverständnis herzustellen sein — der Anstoß müßte denn in der Wahl der Type liegen. Zu Illustrationen wäre schwerlich zu raten. Das verbietet schon die Rücksicht auf die Kosten. Außerdem aber sind Goethes Schriften ja zur weit¬ aus größern Hälfte für den Zeichner ganz unfruchtbar. Für einen einzelnen Zeichner ist die Aufgabe zu umfassend; und was bei einer Verteilung heraus¬ kommt: der widerwärtige Mischmasch, das würdelose Gedränge, das kennen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/188>, abgerufen am 25.11.2024.