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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Gustav Nachtigall in Tunis.

Aus Sfcix, auf einer Reise, welche sein Stillleben unterbrach, gab er seiner
Freude über den Sieg der preußischen Truppen Ausdruck:

Was den Krieg und seine Erfolge betrifft, so blicke ich nicht ohne Genug¬
thuung auf die Tapferkeit, Ausdauer, überlegene Strategik und gute Aufführung
der Armee, die in nie geahnter und gesehener Weise gesiegt hat, und hoffe von
Herzen, daß die letzter" zum Heile ganz Deutschlands dienen mögen. Ich war
von vornherein von der Unfähigkeit Oesterreichs, eine Rolle in Deutschland zu
spielen, überzeugt, ebenso sehr, als ich das Heil unsers großen Vaterlandes von
Preußen erwartete. Nur etwas weiß ich, daß ich die Fähigkeit des Grafen Bis-
marck, unsers eminenten Premiers, unterschätzt habe; ich hielt ihn früher Wohl für
kühn und energisch, aber nie für so bedeutend in jeder Beziehung, als er sich jetzt
bewiesen hat.

Im Herbst 1867 führte Nachtigall die langegeplante Besuchsrcise in die
Heimat aus und erfreute sich des Wiedersehens mit Verwandten und Freunden.
Man suchte ihn allerseits zu bewegen, von der Rückkehr in ein Land abzu¬
stehen, das seine Mühen so wenig gelohnt hatte. Doch ein gewisser xoiut,
ä'bcmnöur und der Wunsch, seine Angelegenheiten geregelt zu sehen, führten ihn
im folgenden Sommer wieder nach Tunis zurück, allerdings entschlossen, die
Stellung, an der er gar zu wenig wissenschaftliche und allgemein menschliche
Befriedigung fand, möglichst bald aufzugeben.

Wenn ich noch eine Weile genötigt würde zu bleiben, schreibt er im Ok¬
tober 1868, so gebe ich mich für diesen Winter endlich vielleicht dem Ackerbau
hin. Ich würde nur mit 1V0 bis 150 Morgen einen Versuch mache", da alle
Welt dagegen schreit, obgleich ich selbst nicht im Geringsten an gutem Erfolge
zweifle. Ich habe schönes feuchtes Land, und wenn der Winter so regenreich
sein wird, wie es den Anschein hat, muß man sechzig- bis hundertfaches Korn
erwarten.

Aber bald kündigte er seine bevorstehende Rückkehr an. Und in demselben
Momente wurde er durch deu Ruf seines Königs auf jene Laufbahn geführt,
für die er prädestinirt war, und die seinen Namen den glänzendsten unter den
Pionieren der Forschung einreihen und auf immer mit der Geschichte des schwarzen
Erbteiles verknüpfen sollte. Mit welchen Empfindungen seine Verwandten den
Brief lasen, in dem er ihnen am 26. Januar 1869 von Tripolis aus seinen
Entschluß ankündigte und, das Herz von jubelnder Hoffnung und kühnen Ent¬
würfen erfüllt, sie über die Gefahren seiner Zukunft zu beruhigen, sein Vor¬
haben als harmlos hinzustellen versuchte, kann man sich denken.

Ich fürchte, schrieb er an seine Schwester, ich bringe dir eine wenig erfreu¬
liche Nachricht, wenn ich dir melde, daß ich im Auftrage^) unsers Königs Wilhelm
zum Scheich Omar, Sultan von Bvrnu, gehe, um demselben wertvolle Geschenke
zu überbringen und die Gefühle der schwarzen Majestät noch freundlicher für
Christen und europäische Weise zu stimmen, als ihn dieselben bisher schon zierten.
Ich weiß leider, mit welchen Augen man solche Reisen in der Heimat betrachtet,



Gerhard Rohlfs hatte ihn hierfür vorncschlagen.
Gustav Nachtigall in Tunis.

Aus Sfcix, auf einer Reise, welche sein Stillleben unterbrach, gab er seiner
Freude über den Sieg der preußischen Truppen Ausdruck:

Was den Krieg und seine Erfolge betrifft, so blicke ich nicht ohne Genug¬
thuung auf die Tapferkeit, Ausdauer, überlegene Strategik und gute Aufführung
der Armee, die in nie geahnter und gesehener Weise gesiegt hat, und hoffe von
Herzen, daß die letzter» zum Heile ganz Deutschlands dienen mögen. Ich war
von vornherein von der Unfähigkeit Oesterreichs, eine Rolle in Deutschland zu
spielen, überzeugt, ebenso sehr, als ich das Heil unsers großen Vaterlandes von
Preußen erwartete. Nur etwas weiß ich, daß ich die Fähigkeit des Grafen Bis-
marck, unsers eminenten Premiers, unterschätzt habe; ich hielt ihn früher Wohl für
kühn und energisch, aber nie für so bedeutend in jeder Beziehung, als er sich jetzt
bewiesen hat.

Im Herbst 1867 führte Nachtigall die langegeplante Besuchsrcise in die
Heimat aus und erfreute sich des Wiedersehens mit Verwandten und Freunden.
Man suchte ihn allerseits zu bewegen, von der Rückkehr in ein Land abzu¬
stehen, das seine Mühen so wenig gelohnt hatte. Doch ein gewisser xoiut,
ä'bcmnöur und der Wunsch, seine Angelegenheiten geregelt zu sehen, führten ihn
im folgenden Sommer wieder nach Tunis zurück, allerdings entschlossen, die
Stellung, an der er gar zu wenig wissenschaftliche und allgemein menschliche
Befriedigung fand, möglichst bald aufzugeben.

Wenn ich noch eine Weile genötigt würde zu bleiben, schreibt er im Ok¬
tober 1868, so gebe ich mich für diesen Winter endlich vielleicht dem Ackerbau
hin. Ich würde nur mit 1V0 bis 150 Morgen einen Versuch mache«, da alle
Welt dagegen schreit, obgleich ich selbst nicht im Geringsten an gutem Erfolge
zweifle. Ich habe schönes feuchtes Land, und wenn der Winter so regenreich
sein wird, wie es den Anschein hat, muß man sechzig- bis hundertfaches Korn
erwarten.

Aber bald kündigte er seine bevorstehende Rückkehr an. Und in demselben
Momente wurde er durch deu Ruf seines Königs auf jene Laufbahn geführt,
für die er prädestinirt war, und die seinen Namen den glänzendsten unter den
Pionieren der Forschung einreihen und auf immer mit der Geschichte des schwarzen
Erbteiles verknüpfen sollte. Mit welchen Empfindungen seine Verwandten den
Brief lasen, in dem er ihnen am 26. Januar 1869 von Tripolis aus seinen
Entschluß ankündigte und, das Herz von jubelnder Hoffnung und kühnen Ent¬
würfen erfüllt, sie über die Gefahren seiner Zukunft zu beruhigen, sein Vor¬
haben als harmlos hinzustellen versuchte, kann man sich denken.

Ich fürchte, schrieb er an seine Schwester, ich bringe dir eine wenig erfreu¬
liche Nachricht, wenn ich dir melde, daß ich im Auftrage^) unsers Königs Wilhelm
zum Scheich Omar, Sultan von Bvrnu, gehe, um demselben wertvolle Geschenke
zu überbringen und die Gefühle der schwarzen Majestät noch freundlicher für
Christen und europäische Weise zu stimmen, als ihn dieselben bisher schon zierten.
Ich weiß leider, mit welchen Augen man solche Reisen in der Heimat betrachtet,



Gerhard Rohlfs hatte ihn hierfür vorncschlagen.
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[0172] Gustav Nachtigall in Tunis. Aus Sfcix, auf einer Reise, welche sein Stillleben unterbrach, gab er seiner Freude über den Sieg der preußischen Truppen Ausdruck: Was den Krieg und seine Erfolge betrifft, so blicke ich nicht ohne Genug¬ thuung auf die Tapferkeit, Ausdauer, überlegene Strategik und gute Aufführung der Armee, die in nie geahnter und gesehener Weise gesiegt hat, und hoffe von Herzen, daß die letzter» zum Heile ganz Deutschlands dienen mögen. Ich war von vornherein von der Unfähigkeit Oesterreichs, eine Rolle in Deutschland zu spielen, überzeugt, ebenso sehr, als ich das Heil unsers großen Vaterlandes von Preußen erwartete. Nur etwas weiß ich, daß ich die Fähigkeit des Grafen Bis- marck, unsers eminenten Premiers, unterschätzt habe; ich hielt ihn früher Wohl für kühn und energisch, aber nie für so bedeutend in jeder Beziehung, als er sich jetzt bewiesen hat. Im Herbst 1867 führte Nachtigall die langegeplante Besuchsrcise in die Heimat aus und erfreute sich des Wiedersehens mit Verwandten und Freunden. Man suchte ihn allerseits zu bewegen, von der Rückkehr in ein Land abzu¬ stehen, das seine Mühen so wenig gelohnt hatte. Doch ein gewisser xoiut, ä'bcmnöur und der Wunsch, seine Angelegenheiten geregelt zu sehen, führten ihn im folgenden Sommer wieder nach Tunis zurück, allerdings entschlossen, die Stellung, an der er gar zu wenig wissenschaftliche und allgemein menschliche Befriedigung fand, möglichst bald aufzugeben. Wenn ich noch eine Weile genötigt würde zu bleiben, schreibt er im Ok¬ tober 1868, so gebe ich mich für diesen Winter endlich vielleicht dem Ackerbau hin. Ich würde nur mit 1V0 bis 150 Morgen einen Versuch mache«, da alle Welt dagegen schreit, obgleich ich selbst nicht im Geringsten an gutem Erfolge zweifle. Ich habe schönes feuchtes Land, und wenn der Winter so regenreich sein wird, wie es den Anschein hat, muß man sechzig- bis hundertfaches Korn erwarten. Aber bald kündigte er seine bevorstehende Rückkehr an. Und in demselben Momente wurde er durch deu Ruf seines Königs auf jene Laufbahn geführt, für die er prädestinirt war, und die seinen Namen den glänzendsten unter den Pionieren der Forschung einreihen und auf immer mit der Geschichte des schwarzen Erbteiles verknüpfen sollte. Mit welchen Empfindungen seine Verwandten den Brief lasen, in dem er ihnen am 26. Januar 1869 von Tripolis aus seinen Entschluß ankündigte und, das Herz von jubelnder Hoffnung und kühnen Ent¬ würfen erfüllt, sie über die Gefahren seiner Zukunft zu beruhigen, sein Vor¬ haben als harmlos hinzustellen versuchte, kann man sich denken. Ich fürchte, schrieb er an seine Schwester, ich bringe dir eine wenig erfreu¬ liche Nachricht, wenn ich dir melde, daß ich im Auftrage^) unsers Königs Wilhelm zum Scheich Omar, Sultan von Bvrnu, gehe, um demselben wertvolle Geschenke zu überbringen und die Gefühle der schwarzen Majestät noch freundlicher für Christen und europäische Weise zu stimmen, als ihn dieselben bisher schon zierten. Ich weiß leider, mit welchen Augen man solche Reisen in der Heimat betrachtet, Gerhard Rohlfs hatte ihn hierfür vorncschlagen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/172>, abgerufen am 28.07.2024.