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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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als sein Vorgänger. Die Tories werden der Pforte gegenüber freundlicher
auftreten eilf die Liberalen, und sie werden vermutlich von Berlin kommenden
Winken und Wünschen ein aufmerksameres Ohr leihen als diese. In allen
diesen Angelegenheiten müssen aber die Ereignisse ihre Politik bestimmen, und
sie werden sich für die nächste Zukunft damit zu begnüge": haben, die laufenden
Geschäfte prompt zu erledigen und wachsam auszuschauen, was sich für die
folgende Zeit entwickeln will. Das gilt auch von Irland. Geduld, Wohlwollen
und das gewöhnliche Gesetz sind hier die Parole. Doch ist Salisbury hier vor¬
teilhafter gestellt als seine Vorgänger, welche als Urheber und Exekutoren der
Orilliss ^.ot sich trotz der großen Wohlthaten, die sie den irischen Pächtern
durch andre Gesetzvorlage erwiesen, den Haß aller derer zuzogen, die in Un¬
ordnungen und Verbrechen die besten Mittel zum Kampfe gegen die englische
Verwaltung der grünen Insel erblickten.

Die Hauptsache bleibt bei allen diesen Betrachtungen schließlich die Be¬
antwortung der Fragen: Wie werden die herannahenden Parlamentswahlen
ausfallen, und wird das Toryministcrium diese überleben? Welche Wirkung
wird die jetzige windstille Zeit ans die Wähler ausüben? Und das ist mit
Bestimmtheit kaum zu feigen. Wenn Lord Salisbury in seiner Politik Wege
verfolgt, die Vorteile versprechen, und bei denen er nicht zu stark gegen Grund¬
sätze verstößt, welche bis jetzt die Mehrheit der Engländer beherrschten, so wird es
nicht zu einem so gewaltsamen Ausbruche gegen die Tones kommen, wie er 1880
in der Midlothian-Kampagne erfolgte, wo Gladstones Beredsamkeit die Bahnhöfe
von seinen leidenschaftlichen Ansprache" wiederhallen ließ und das Wähler-
gewimmcl wiederholt den Eisenbahnverkehr ins Stocken brachte. Die Partei
Salisburys und Churchills, die damals als ein Haufe politischer Ungeheuer in
Menschen gestalt hingestellt wurde, wird dann einige Monate am Ruder gestanden
haben, ohne das Staatsschiff in "blutigen Ruin und offenkundiger Gesetzbrnch"
hincingesteuert zu haben. Die Liberalen andrerseits werden, statt auf ihre Ver¬
gangenheit hinzuweisen, die in Vcrwaltnugssacheu und besonders in den aus¬
wärtige" Angelegenheiten nicht viel Rühmliches und Empfehlendes von sich zu
sagen gestattet, die Grundzüge einer zukünftigen Politik vorlegen müssen, welche
die Massen zu gewinnen geeignet ist, sie werden dabei Schwierigkeiten finden
und maßvoll aufzutreten genötigt sein. Man darf also annehmen, daß sie nicht
den Feuerbrand schwingen werden wie bei den Wahlen von 1874 und 1880.
Bei jenen sah man den Verdruß aller Klassen und Interessenten auflodern, welche
ein in großem Stile rcformirendes Ministerium fünf Jahre lang vor den Kopf
gestoßen hatte. Bei dieser erklärte sich die öffentliche Meinung mit Ungestüm
für Ablassen von "imperialistischen Abenteuern" und Aufgeben jeder kriegerischen
Politik. Die Enttäuschung, welche die Liberalen mit diesen Forderungen erlebt
haben, wird ihren frühern Eifer stark abschwächen, aber es folgt daraus nicht,
daß es der Partei unmöglich sein wird, bei der ruhiger denkenden, ernüchterten


als sein Vorgänger. Die Tories werden der Pforte gegenüber freundlicher
auftreten eilf die Liberalen, und sie werden vermutlich von Berlin kommenden
Winken und Wünschen ein aufmerksameres Ohr leihen als diese. In allen
diesen Angelegenheiten müssen aber die Ereignisse ihre Politik bestimmen, und
sie werden sich für die nächste Zukunft damit zu begnüge«: haben, die laufenden
Geschäfte prompt zu erledigen und wachsam auszuschauen, was sich für die
folgende Zeit entwickeln will. Das gilt auch von Irland. Geduld, Wohlwollen
und das gewöhnliche Gesetz sind hier die Parole. Doch ist Salisbury hier vor¬
teilhafter gestellt als seine Vorgänger, welche als Urheber und Exekutoren der
Orilliss ^.ot sich trotz der großen Wohlthaten, die sie den irischen Pächtern
durch andre Gesetzvorlage erwiesen, den Haß aller derer zuzogen, die in Un¬
ordnungen und Verbrechen die besten Mittel zum Kampfe gegen die englische
Verwaltung der grünen Insel erblickten.

Die Hauptsache bleibt bei allen diesen Betrachtungen schließlich die Be¬
antwortung der Fragen: Wie werden die herannahenden Parlamentswahlen
ausfallen, und wird das Toryministcrium diese überleben? Welche Wirkung
wird die jetzige windstille Zeit ans die Wähler ausüben? Und das ist mit
Bestimmtheit kaum zu feigen. Wenn Lord Salisbury in seiner Politik Wege
verfolgt, die Vorteile versprechen, und bei denen er nicht zu stark gegen Grund¬
sätze verstößt, welche bis jetzt die Mehrheit der Engländer beherrschten, so wird es
nicht zu einem so gewaltsamen Ausbruche gegen die Tones kommen, wie er 1880
in der Midlothian-Kampagne erfolgte, wo Gladstones Beredsamkeit die Bahnhöfe
von seinen leidenschaftlichen Ansprache» wiederhallen ließ und das Wähler-
gewimmcl wiederholt den Eisenbahnverkehr ins Stocken brachte. Die Partei
Salisburys und Churchills, die damals als ein Haufe politischer Ungeheuer in
Menschen gestalt hingestellt wurde, wird dann einige Monate am Ruder gestanden
haben, ohne das Staatsschiff in „blutigen Ruin und offenkundiger Gesetzbrnch"
hincingesteuert zu haben. Die Liberalen andrerseits werden, statt auf ihre Ver¬
gangenheit hinzuweisen, die in Vcrwaltnugssacheu und besonders in den aus¬
wärtige» Angelegenheiten nicht viel Rühmliches und Empfehlendes von sich zu
sagen gestattet, die Grundzüge einer zukünftigen Politik vorlegen müssen, welche
die Massen zu gewinnen geeignet ist, sie werden dabei Schwierigkeiten finden
und maßvoll aufzutreten genötigt sein. Man darf also annehmen, daß sie nicht
den Feuerbrand schwingen werden wie bei den Wahlen von 1874 und 1880.
Bei jenen sah man den Verdruß aller Klassen und Interessenten auflodern, welche
ein in großem Stile rcformirendes Ministerium fünf Jahre lang vor den Kopf
gestoßen hatte. Bei dieser erklärte sich die öffentliche Meinung mit Ungestüm
für Ablassen von „imperialistischen Abenteuern" und Aufgeben jeder kriegerischen
Politik. Die Enttäuschung, welche die Liberalen mit diesen Forderungen erlebt
haben, wird ihren frühern Eifer stark abschwächen, aber es folgt daraus nicht,
daß es der Partei unmöglich sein wird, bei der ruhiger denkenden, ernüchterten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/111>, abgerufen am 25.11.2024.