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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Das Programm des Torykabinets.

Herbstwahlen zum erstenmale ein Wort mitzusprechen haben sollen, der Mehr¬
zahl nach liberal sein werden. Infolgedessen betrachtet mau das Tvryregiment.
das früher als Nationalunglück und als Pandvrabüchse, gefüllt mit allerhand
schrecklichen Dingen, verschrieen wurde, gutgelaunt, wo nicht apathisch, und das
wird ohne Zweifel fortdauern, wenn der Leiter des neuen Kabinets sich so klug
zeigt, als er patriotisch ist, und so vorsichtig handelt, als er klar und fest ge¬
sprochen hat. Der Kurs, den er zu steuern hat. ist ihm durch die Umstände
vorgeschrieben; er ist also nicht so frei und nicht so verantwortlich wie ein
andrer Lenker des britischen Staatsschiffes. Er ist der Minister einer Minorität,
die zur Macht gelangte, weil die Majorität zufällig oder aus Indifferenz einmal
unterließ, einen finanziellen Vorschlag ihres eignen Führers zu unterstützen.
Er hat vorläufig nur die Bedeutung eines zeitweiligen Verwalters der laufenden
und dringend notwendigen Geschäfte des Landes, welches schon in fünf Monaten
sein Verdikt über Bleiben oder Gehen der Tones abgeben wird. Er kann des¬
halb keine neuen Wege einschlagen, keine kräftige Initiative wagen, sondern muß
sich im ganzen auf den Geleisen bewegen, in denen seine Vorgänger zuletzt
fuhren. Dazu kommt in betreff der auswärtigen Politik ein andrer Umstand,
der Vorsicht empfiehlt und rasche Anläufe in neuer Richtung verbietet. Salis-
bury würde, wenn er mit andern Kabineten sich auf neuen Grundlagen ver¬
ständigen wollte, nicht mit dem Ansehen sprechen können, welches dazu erforder¬
lich wäre. Fremde Staatsmänner kennen das Unsichere und Provisorische seiner
Stellung, sie wissen, daß die baldige Rückkehr der Partei Gladstones ins Amt
wo nicht wahrscheinlich, doch sehr möglich ist, und daß er selbst in dem Falle,
daß die Wahlen dem jetzigen Kabinet im Unterhnuse die Mehrheit verschafften,
für seine künftige Politik schwerlich sehr viele Mitglieder über die Hälfte auf
seiner Seite sehen wird. Es würde deshalb unklug sein, wenigstens für die
nächsten Monate, wenn eine auswärtige Macht darauf hoffen wollte, mit einem
von ihm geleiteten England zu einem dauernden Einvernehmen in wichtigen
Fragen zu gelangen. Aber zum Glück für ihn und seine Kollegen liegen die
Dinge in diesem Bereiche so, daß die Windstille, die hier zunächst herrschen
wird, ihm nicht schaden kann. Mit andern Worten: die gegenwärtige Sach¬
lage verlangt von dem Toryministcrinm nirgends einen neuen und kühnen Ent¬
schluß. An der afghanischen Nordgrenze werden Salisbury und Churchill zu¬
vörderst bloß das Kompromiß auszuführen haben, welches Granville mit Giers
nahezu abgeschlossen hatte, als er abtrat. Die Räumung Dongolah ist soweit
vollzogen, daß eine vollständige Wiederbesetzung sür jetzt sehr schwierig, wo nicht
unmöglich erscheint. Der Mahdi zögert mit seinem Vorrücken nach Ägypten,
und Suakin befindet sich noch in den Händen der Engländer. Die Ausführung
des Finanzplanes für Ägypten, die bei Gladstones Rücktritt stockte, läßt sich
einigermaßen beschleunigen, aber in der allgemeinen ägyptischen Frage darf
Salisbury jetzt nicht daran denken, wesentlich andre Ziele ins Auge zu fassen


Das Programm des Torykabinets.

Herbstwahlen zum erstenmale ein Wort mitzusprechen haben sollen, der Mehr¬
zahl nach liberal sein werden. Infolgedessen betrachtet mau das Tvryregiment.
das früher als Nationalunglück und als Pandvrabüchse, gefüllt mit allerhand
schrecklichen Dingen, verschrieen wurde, gutgelaunt, wo nicht apathisch, und das
wird ohne Zweifel fortdauern, wenn der Leiter des neuen Kabinets sich so klug
zeigt, als er patriotisch ist, und so vorsichtig handelt, als er klar und fest ge¬
sprochen hat. Der Kurs, den er zu steuern hat. ist ihm durch die Umstände
vorgeschrieben; er ist also nicht so frei und nicht so verantwortlich wie ein
andrer Lenker des britischen Staatsschiffes. Er ist der Minister einer Minorität,
die zur Macht gelangte, weil die Majorität zufällig oder aus Indifferenz einmal
unterließ, einen finanziellen Vorschlag ihres eignen Führers zu unterstützen.
Er hat vorläufig nur die Bedeutung eines zeitweiligen Verwalters der laufenden
und dringend notwendigen Geschäfte des Landes, welches schon in fünf Monaten
sein Verdikt über Bleiben oder Gehen der Tones abgeben wird. Er kann des¬
halb keine neuen Wege einschlagen, keine kräftige Initiative wagen, sondern muß
sich im ganzen auf den Geleisen bewegen, in denen seine Vorgänger zuletzt
fuhren. Dazu kommt in betreff der auswärtigen Politik ein andrer Umstand,
der Vorsicht empfiehlt und rasche Anläufe in neuer Richtung verbietet. Salis-
bury würde, wenn er mit andern Kabineten sich auf neuen Grundlagen ver¬
ständigen wollte, nicht mit dem Ansehen sprechen können, welches dazu erforder¬
lich wäre. Fremde Staatsmänner kennen das Unsichere und Provisorische seiner
Stellung, sie wissen, daß die baldige Rückkehr der Partei Gladstones ins Amt
wo nicht wahrscheinlich, doch sehr möglich ist, und daß er selbst in dem Falle,
daß die Wahlen dem jetzigen Kabinet im Unterhnuse die Mehrheit verschafften,
für seine künftige Politik schwerlich sehr viele Mitglieder über die Hälfte auf
seiner Seite sehen wird. Es würde deshalb unklug sein, wenigstens für die
nächsten Monate, wenn eine auswärtige Macht darauf hoffen wollte, mit einem
von ihm geleiteten England zu einem dauernden Einvernehmen in wichtigen
Fragen zu gelangen. Aber zum Glück für ihn und seine Kollegen liegen die
Dinge in diesem Bereiche so, daß die Windstille, die hier zunächst herrschen
wird, ihm nicht schaden kann. Mit andern Worten: die gegenwärtige Sach¬
lage verlangt von dem Toryministcrinm nirgends einen neuen und kühnen Ent¬
schluß. An der afghanischen Nordgrenze werden Salisbury und Churchill zu¬
vörderst bloß das Kompromiß auszuführen haben, welches Granville mit Giers
nahezu abgeschlossen hatte, als er abtrat. Die Räumung Dongolah ist soweit
vollzogen, daß eine vollständige Wiederbesetzung sür jetzt sehr schwierig, wo nicht
unmöglich erscheint. Der Mahdi zögert mit seinem Vorrücken nach Ägypten,
und Suakin befindet sich noch in den Händen der Engländer. Die Ausführung
des Finanzplanes für Ägypten, die bei Gladstones Rücktritt stockte, läßt sich
einigermaßen beschleunigen, aber in der allgemeinen ägyptischen Frage darf
Salisbury jetzt nicht daran denken, wesentlich andre Ziele ins Auge zu fassen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/110>, abgerufen am 25.11.2024.