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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Notizen.

Anstößigen und Schimpflichen seines Aufschreibens gehabt und nicht bedacht zu haben,
welchen verachtungsvollen Spott und Hohn es besonders bei unsern eifersüchtigen
Nachbarn jenseits der Vogesen erregen müsse, sonst hätte er sich wohl gehütet, es
so offen in die Welt hinaufzusenden. Umsomehr aber erscheint es geboten, die
Sache öffentlich zu besprechen und Verwahrung einzulegen gegen solchen Schwindel,
durch welchen der gute Ruf der deutscheu Geschäftswelt uicht wenig gefährdet wird.
Unser Schanmweinhändler hat zwar selber sich im Reichsgesetz über den Marken¬
schutz umgesehen und versichert in seiner Anzeige ausdrücklich, er bediene sich nur
solcher französischen Firmennamen, welche es in Wirklichkeit garnicht gebe, seine
Ausstattung mit falschen Etiketten könne daher mit diesem Gesetz nicht kollidiren,
d. h. man setze sich mit dem Gebrauch derselbe" keiner gerichtlichen Verfolgung
wegen Verletzung des genannten Gesetzes aus. Dies ist richtig, denn eine Firma,
die nicht vorhanden ist, vermag auch keinen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Ist der Schwindel aber anch uicht uuter das Markeuschutzgesetz zu bringen, so
widerstreitet er darum doch dein Sinne und der Richtung nicht bloß dieses Ge¬
setzes, sondern der gesamte" Rechtsanschauung und Gesetzgebung unsrer Zeit, und
glücklicherweise giebt es uoch andre Gesetze als das von Herrn befragte, mittels
deren ihm wird begegnet werden können. So unterliegt es wohl keinem Zweifel,
daß Herr X für jeden Gebrauch seiner falschen Etiketten auf Grund des Handels¬
gesetzbuchs straffällig wird, dessen Art. 26 das Handelsgericht anweist, gegen den¬
jenigen mit Ordnungsstrafen einzuschreiten, welcher sich einer ihm nach den Vor¬
schriften dieses Gesetzes nicht zustehenden Firma bedient; dem Herrn X aber stehen
die französischen Firmen, ob wirkliche oder erdichtete, deren er sich auf jenen
Etiketten bedient, offenbar nicht zu. Er kann sich auch uicht darauf berufen, daß
in einem andern großen und geachteten Geschäftszweige ähnliches eine allgemeine
und unbeanstandete Uebung sei. Allerdings ist es im Zigarrengeschäft weitver¬
breiteter Gebrauch, die Waare mit willkürlich erdachte" spanisch klingenden Namen
und Firmen auszustatten. Auch dies ist ein Unfug, der hoffentlich dein geläuterten
Zeitgeist nicht mehr lange wird widerstehen können, er ist aber so allbekannt, daß
kein Mensch diesen fremden Firmennamen die Bedeutung wahrer Firmen beilegt,
und daß deshalb von einem unbefugten Firmengebrauche und überhaupt von etwas
Gesetzwidrigem hier nicht die Rede sein kann.

Anders beim Weinhandel. Bei Weinflnschenmarken macht der Käufer unbedingt
deu Anspruch auf die Wahrhaftigkeit der denselben gegebenen Firmenbezeichnungen. Die
falschen französischen Etikette" verstoßen darum auch nicht bloß, wie gezeigt, gegen das
Handelsgesetzbuch, sondern sie geraten sogar mit dem Strafgesetzbuch in bedenklich nahe
Berührung. Welchem Zwecke sollen sie nach Absicht des Herrn X dienen ? Doch wohl
dem, seinen Absatz in Schanmweinen dadurch zu steigern, daß seine Abnehmer einen
anscheinend und nach dein Glauben der Leute bessern und kostbareren Wein um ver¬
hältnismäßig billigen Preis erhalten. Herr X will freilich seine nächsten Abnehmer
hiermit nicht täuschen, denn ihnen bietet er die falschen Etiketten ausdrücklich als
falsch an; umso gewisser aber muß er sich sagen, daß die Wiedervcrkäufer seine
falschen französischen Etiketten den echten deutschen nicht bloß um harmloser Spielerei
willen, sondern zumeist aus dem Grunde vorziehen werden, weil mit denselben
dem Schaumwein der Anschein eines aus Frankreich eingeführten, für besser und
wertvoller gehaltnen Weines gegeben und derselbe vermöge dieser Täuschung leichter
oder um höhern Preis zu verkaufen sei, mit andern Worten, daß seine Abnehmer die
französischen Etiketten zum Zwecke der Täuschung andrer bestelle". Dies wird auch
dadurch nicht anders, daß Herr X de" Schaumwein aus französischen Weine hat


Notizen.

Anstößigen und Schimpflichen seines Aufschreibens gehabt und nicht bedacht zu haben,
welchen verachtungsvollen Spott und Hohn es besonders bei unsern eifersüchtigen
Nachbarn jenseits der Vogesen erregen müsse, sonst hätte er sich wohl gehütet, es
so offen in die Welt hinaufzusenden. Umsomehr aber erscheint es geboten, die
Sache öffentlich zu besprechen und Verwahrung einzulegen gegen solchen Schwindel,
durch welchen der gute Ruf der deutscheu Geschäftswelt uicht wenig gefährdet wird.
Unser Schanmweinhändler hat zwar selber sich im Reichsgesetz über den Marken¬
schutz umgesehen und versichert in seiner Anzeige ausdrücklich, er bediene sich nur
solcher französischen Firmennamen, welche es in Wirklichkeit garnicht gebe, seine
Ausstattung mit falschen Etiketten könne daher mit diesem Gesetz nicht kollidiren,
d. h. man setze sich mit dem Gebrauch derselbe» keiner gerichtlichen Verfolgung
wegen Verletzung des genannten Gesetzes aus. Dies ist richtig, denn eine Firma,
die nicht vorhanden ist, vermag auch keinen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Ist der Schwindel aber anch uicht uuter das Markeuschutzgesetz zu bringen, so
widerstreitet er darum doch dein Sinne und der Richtung nicht bloß dieses Ge¬
setzes, sondern der gesamte» Rechtsanschauung und Gesetzgebung unsrer Zeit, und
glücklicherweise giebt es uoch andre Gesetze als das von Herrn befragte, mittels
deren ihm wird begegnet werden können. So unterliegt es wohl keinem Zweifel,
daß Herr X für jeden Gebrauch seiner falschen Etiketten auf Grund des Handels¬
gesetzbuchs straffällig wird, dessen Art. 26 das Handelsgericht anweist, gegen den¬
jenigen mit Ordnungsstrafen einzuschreiten, welcher sich einer ihm nach den Vor¬
schriften dieses Gesetzes nicht zustehenden Firma bedient; dem Herrn X aber stehen
die französischen Firmen, ob wirkliche oder erdichtete, deren er sich auf jenen
Etiketten bedient, offenbar nicht zu. Er kann sich auch uicht darauf berufen, daß
in einem andern großen und geachteten Geschäftszweige ähnliches eine allgemeine
und unbeanstandete Uebung sei. Allerdings ist es im Zigarrengeschäft weitver¬
breiteter Gebrauch, die Waare mit willkürlich erdachte» spanisch klingenden Namen
und Firmen auszustatten. Auch dies ist ein Unfug, der hoffentlich dein geläuterten
Zeitgeist nicht mehr lange wird widerstehen können, er ist aber so allbekannt, daß
kein Mensch diesen fremden Firmennamen die Bedeutung wahrer Firmen beilegt,
und daß deshalb von einem unbefugten Firmengebrauche und überhaupt von etwas
Gesetzwidrigem hier nicht die Rede sein kann.

Anders beim Weinhandel. Bei Weinflnschenmarken macht der Käufer unbedingt
deu Anspruch auf die Wahrhaftigkeit der denselben gegebenen Firmenbezeichnungen. Die
falschen französischen Etikette» verstoßen darum auch nicht bloß, wie gezeigt, gegen das
Handelsgesetzbuch, sondern sie geraten sogar mit dem Strafgesetzbuch in bedenklich nahe
Berührung. Welchem Zwecke sollen sie nach Absicht des Herrn X dienen ? Doch wohl
dem, seinen Absatz in Schanmweinen dadurch zu steigern, daß seine Abnehmer einen
anscheinend und nach dein Glauben der Leute bessern und kostbareren Wein um ver¬
hältnismäßig billigen Preis erhalten. Herr X will freilich seine nächsten Abnehmer
hiermit nicht täuschen, denn ihnen bietet er die falschen Etiketten ausdrücklich als
falsch an; umso gewisser aber muß er sich sagen, daß die Wiedervcrkäufer seine
falschen französischen Etiketten den echten deutschen nicht bloß um harmloser Spielerei
willen, sondern zumeist aus dem Grunde vorziehen werden, weil mit denselben
dem Schaumwein der Anschein eines aus Frankreich eingeführten, für besser und
wertvoller gehaltnen Weines gegeben und derselbe vermöge dieser Täuschung leichter
oder um höhern Preis zu verkaufen sei, mit andern Worten, daß seine Abnehmer die
französischen Etiketten zum Zwecke der Täuschung andrer bestelle». Dies wird auch
dadurch nicht anders, daß Herr X de» Schaumwein aus französischen Weine hat


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[0103] Notizen. Anstößigen und Schimpflichen seines Aufschreibens gehabt und nicht bedacht zu haben, welchen verachtungsvollen Spott und Hohn es besonders bei unsern eifersüchtigen Nachbarn jenseits der Vogesen erregen müsse, sonst hätte er sich wohl gehütet, es so offen in die Welt hinaufzusenden. Umsomehr aber erscheint es geboten, die Sache öffentlich zu besprechen und Verwahrung einzulegen gegen solchen Schwindel, durch welchen der gute Ruf der deutscheu Geschäftswelt uicht wenig gefährdet wird. Unser Schanmweinhändler hat zwar selber sich im Reichsgesetz über den Marken¬ schutz umgesehen und versichert in seiner Anzeige ausdrücklich, er bediene sich nur solcher französischen Firmennamen, welche es in Wirklichkeit garnicht gebe, seine Ausstattung mit falschen Etiketten könne daher mit diesem Gesetz nicht kollidiren, d. h. man setze sich mit dem Gebrauch derselbe» keiner gerichtlichen Verfolgung wegen Verletzung des genannten Gesetzes aus. Dies ist richtig, denn eine Firma, die nicht vorhanden ist, vermag auch keinen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Ist der Schwindel aber anch uicht uuter das Markeuschutzgesetz zu bringen, so widerstreitet er darum doch dein Sinne und der Richtung nicht bloß dieses Ge¬ setzes, sondern der gesamte» Rechtsanschauung und Gesetzgebung unsrer Zeit, und glücklicherweise giebt es uoch andre Gesetze als das von Herrn befragte, mittels deren ihm wird begegnet werden können. So unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß Herr X für jeden Gebrauch seiner falschen Etiketten auf Grund des Handels¬ gesetzbuchs straffällig wird, dessen Art. 26 das Handelsgericht anweist, gegen den¬ jenigen mit Ordnungsstrafen einzuschreiten, welcher sich einer ihm nach den Vor¬ schriften dieses Gesetzes nicht zustehenden Firma bedient; dem Herrn X aber stehen die französischen Firmen, ob wirkliche oder erdichtete, deren er sich auf jenen Etiketten bedient, offenbar nicht zu. Er kann sich auch uicht darauf berufen, daß in einem andern großen und geachteten Geschäftszweige ähnliches eine allgemeine und unbeanstandete Uebung sei. Allerdings ist es im Zigarrengeschäft weitver¬ breiteter Gebrauch, die Waare mit willkürlich erdachte» spanisch klingenden Namen und Firmen auszustatten. Auch dies ist ein Unfug, der hoffentlich dein geläuterten Zeitgeist nicht mehr lange wird widerstehen können, er ist aber so allbekannt, daß kein Mensch diesen fremden Firmennamen die Bedeutung wahrer Firmen beilegt, und daß deshalb von einem unbefugten Firmengebrauche und überhaupt von etwas Gesetzwidrigem hier nicht die Rede sein kann. Anders beim Weinhandel. Bei Weinflnschenmarken macht der Käufer unbedingt deu Anspruch auf die Wahrhaftigkeit der denselben gegebenen Firmenbezeichnungen. Die falschen französischen Etikette» verstoßen darum auch nicht bloß, wie gezeigt, gegen das Handelsgesetzbuch, sondern sie geraten sogar mit dem Strafgesetzbuch in bedenklich nahe Berührung. Welchem Zwecke sollen sie nach Absicht des Herrn X dienen ? Doch wohl dem, seinen Absatz in Schanmweinen dadurch zu steigern, daß seine Abnehmer einen anscheinend und nach dein Glauben der Leute bessern und kostbareren Wein um ver¬ hältnismäßig billigen Preis erhalten. Herr X will freilich seine nächsten Abnehmer hiermit nicht täuschen, denn ihnen bietet er die falschen Etiketten ausdrücklich als falsch an; umso gewisser aber muß er sich sagen, daß die Wiedervcrkäufer seine falschen französischen Etiketten den echten deutschen nicht bloß um harmloser Spielerei willen, sondern zumeist aus dem Grunde vorziehen werden, weil mit denselben dem Schaumwein der Anschein eines aus Frankreich eingeführten, für besser und wertvoller gehaltnen Weines gegeben und derselbe vermöge dieser Täuschung leichter oder um höhern Preis zu verkaufen sei, mit andern Worten, daß seine Abnehmer die französischen Etiketten zum Zwecke der Täuschung andrer bestelle». Dies wird auch dadurch nicht anders, daß Herr X de» Schaumwein aus französischen Weine hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/103>, abgerufen am 25.11.2024.