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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Sirdars von Kcmdcchar, die Simonitsch versprochen, und ersetzte letztern durch
den General Duhamel, der beauftragt wurde, dem Schah wie deu Afghane"
zu erklären, der Vertrag sei deshalb nicht genehmigt worden, weil sein Gebieter
nur kommerziellen Verkehr mit den Afghanen unterhalte" und politischen Be¬
ziehungen zu denselben und deren Parteistreitigkeiten fernbleiben wolle. Dem
Schah aber wurde der Rat erteilt, sich deu Forderungen Englands, deren Ge¬
rechtigkeit man in Petersburg eingesehen, zu unterwerfen. Kurz, die Engländer
hatten in der Sache für diesmal das Spiel gewonnen und nun vollkommen
freie Hand gegen die Perser und die Afghanen. Wie sie das gegen jene be¬
nutzten, haben wir im ersten Artikel gezeigt, und wir wenden uns nun wieder
ihrem Kriege mit Afghanistan zu.

Die Hauptarmee der Briten rückte, nachdem sie in Sindh 9000 Mann zur
Sicherung der Verbindung mit ihrer Operationsbasis zurückgelassen hatte, am
23. Februar 1839 21000 Mann stark, von Schitarpor aus und durchzog
bald nachher den Bolanpaß, wo es zum Kampf mit den Belutschen kam, welche
das Heer auch weiterhin vielfach belästigten. Nachdem man Quettnh erreicht hatte,
drang man weiter vor und gelangte endlich nach Kaudnhar, wo Schndscha
förmlich Besitz von seinem Reiche nahm, aber auf feiten des Volkes durchaus
keinem Entgegenkommen begegnete. Der Stamm der Gildschi erklärte ihm
geradezu, sie wollten von einem Schützlinge der Ungläubigen nichts wissen.
Mehrab Chan, der Fürst von Kelat, von Burnes aufgefordert, dem Schah im
englischen Lager zu huldigen, weigerte sich dessen, verbot seinen Unterthanen,
den Engländern Getreide zu liefern, und sagte dem Abgeordneten: "Ihr seid in
dieses Land gedrungen, gut; aber wie wollt ihr wieder hinauskommen?" Nach¬
dem man in Kandahar eine Besatzung zurückgelassen, ging der Marsch weiter,
zunächst nach Ghasnah, welches sür eine starke Festung galt und von dreitausend
Afghanen unter Halber, einem Bruder Dose Muhammeds, verteidigt, aber
nach kurzer Belagerung genommen wurde. Der Emir schickte jetzt Dschabbar
Chan, einen andern seiner Brüder, als Unterhändler ins britische Lager und
ließ dnrch denselben erklären, er sei bereit, der Herrschaft zu entsagen, wenn
der Durani-Schah ihn zum ersten Wessir ernenne. Dies wurde mit der Auf¬
forderung an Dose Muhammed abgelehnt, sich freiwillig in ehrenvolle Gefangen¬
schaft nach Britisch-Judien zu begeben, worauf Dschabbar mit einem "Nimmermehr"
antwortete. Indes wagte der Emir, als die Jnvasivnsarmee nnn weiter nach
Nordosten vorrückte, obgleich ihm noch ein Heer von 13 000 Mann zur Ver-
fügung stand, zunächst keinen Kampf, sondern flüchtete sich nach dem Gebirge
im Norden, und am 7. August 1839 zog Schudscha mit seinen englischen Be¬
schützern in Kabul ein. Es gab dabei viel Gepränge, aber von irgendwelcher
Begeisterung der Bevölkerung war auch hier nicht die Rede, vielmehr wurden
die Briten, deren zweite Armee, über die Chaiberpässe heranziehend, bald nach
der ersten in Kabul anlangte, sofort inne, daß sie und ihr Schützling sehr im-


Sirdars von Kcmdcchar, die Simonitsch versprochen, und ersetzte letztern durch
den General Duhamel, der beauftragt wurde, dem Schah wie deu Afghane»
zu erklären, der Vertrag sei deshalb nicht genehmigt worden, weil sein Gebieter
nur kommerziellen Verkehr mit den Afghanen unterhalte» und politischen Be¬
ziehungen zu denselben und deren Parteistreitigkeiten fernbleiben wolle. Dem
Schah aber wurde der Rat erteilt, sich deu Forderungen Englands, deren Ge¬
rechtigkeit man in Petersburg eingesehen, zu unterwerfen. Kurz, die Engländer
hatten in der Sache für diesmal das Spiel gewonnen und nun vollkommen
freie Hand gegen die Perser und die Afghanen. Wie sie das gegen jene be¬
nutzten, haben wir im ersten Artikel gezeigt, und wir wenden uns nun wieder
ihrem Kriege mit Afghanistan zu.

Die Hauptarmee der Briten rückte, nachdem sie in Sindh 9000 Mann zur
Sicherung der Verbindung mit ihrer Operationsbasis zurückgelassen hatte, am
23. Februar 1839 21000 Mann stark, von Schitarpor aus und durchzog
bald nachher den Bolanpaß, wo es zum Kampf mit den Belutschen kam, welche
das Heer auch weiterhin vielfach belästigten. Nachdem man Quettnh erreicht hatte,
drang man weiter vor und gelangte endlich nach Kaudnhar, wo Schndscha
förmlich Besitz von seinem Reiche nahm, aber auf feiten des Volkes durchaus
keinem Entgegenkommen begegnete. Der Stamm der Gildschi erklärte ihm
geradezu, sie wollten von einem Schützlinge der Ungläubigen nichts wissen.
Mehrab Chan, der Fürst von Kelat, von Burnes aufgefordert, dem Schah im
englischen Lager zu huldigen, weigerte sich dessen, verbot seinen Unterthanen,
den Engländern Getreide zu liefern, und sagte dem Abgeordneten: „Ihr seid in
dieses Land gedrungen, gut; aber wie wollt ihr wieder hinauskommen?" Nach¬
dem man in Kandahar eine Besatzung zurückgelassen, ging der Marsch weiter,
zunächst nach Ghasnah, welches sür eine starke Festung galt und von dreitausend
Afghanen unter Halber, einem Bruder Dose Muhammeds, verteidigt, aber
nach kurzer Belagerung genommen wurde. Der Emir schickte jetzt Dschabbar
Chan, einen andern seiner Brüder, als Unterhändler ins britische Lager und
ließ dnrch denselben erklären, er sei bereit, der Herrschaft zu entsagen, wenn
der Durani-Schah ihn zum ersten Wessir ernenne. Dies wurde mit der Auf¬
forderung an Dose Muhammed abgelehnt, sich freiwillig in ehrenvolle Gefangen¬
schaft nach Britisch-Judien zu begeben, worauf Dschabbar mit einem „Nimmermehr"
antwortete. Indes wagte der Emir, als die Jnvasivnsarmee nnn weiter nach
Nordosten vorrückte, obgleich ihm noch ein Heer von 13 000 Mann zur Ver-
fügung stand, zunächst keinen Kampf, sondern flüchtete sich nach dem Gebirge
im Norden, und am 7. August 1839 zog Schudscha mit seinen englischen Be¬
schützern in Kabul ein. Es gab dabei viel Gepränge, aber von irgendwelcher
Begeisterung der Bevölkerung war auch hier nicht die Rede, vielmehr wurden
die Briten, deren zweite Armee, über die Chaiberpässe heranziehend, bald nach
der ersten in Kabul anlangte, sofort inne, daß sie und ihr Schützling sehr im-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/69>, abgerufen am 25.08.2024.