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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Johannes Bugenhagon und die Reformation in der Stadt Braunschweig.

Jahre später nimmt seine alte Heimat Pommern, endlich 1S37 Dänemark seine
unermüdliche Thätigkeit zu gleichem Zwecke in Anspruch. Fünf Jahre verbringt
er -- sein Wirken in den deutschen Ländern der dänischen Krone eingerechnet -- mit
kurzen Unterbrechungen hier im Norden, auch die verfallene Kopenhagener
Universität neuorganisirend und selber als Lehrer daran zeitweilig thätig. Ihn
dauernd hier oder dort zu fesseln, dies Bemühen, so oft und dringlich es auch
an ihn herantreten mag, scheitert stets an seinem zugleich bescheidnen und
thateneifrigen Neformatorensinne, nicht minder an seiner Vorliebe für Witten-
berg, das Herz der Reformation, und für den Kreis edler, gleichgesinnter
Männer, der von hier aus mit Antrieb und Zügelung den Fortgang der
evangelischen Sache in deutschen Landen leitete. Nach seiner Heimkehr aus
Dänemark hat er nnr noch zweimal auf kürzere Zeit Wittenberg verlassen, um
in- dem von den Schmalkaldenern besetzten Lande Braunschweig, sowie im
Stadtgebiete von Hildesheim die neue Ordnung durchzuführen, mittelbar aber
verdanken ihm noch eine ganze Reihe niederdeutscher Städte die Organisation
ihres Kirchen- und Schulwesens insofern, als sie sich nach dem Muster seiner
Kirchenordnungen selbst reformirten. Den Rest seiner Lebenszeit verbringt er
ausschließlich in Wittenberg. Hier, wo er einst Luthers Ehe eingesegnet, hält
er seinem großen Lehrer und Freunde die Grabrede, hier trotzt er, wie vor
Jahren den Schrecken der Pest, so in dem verhängnisvollen Frühling 1547
auch den nicht minder argen Schrecken der kaiserlichen Belagerung, hier harrt
er, zwar an Kräften und Einfluß, nicht aber an redlichem Wollen und Be¬
mühen nachlassend, inmitten von mancherlei Anfechtungen einer jüngern heiß-
spvrnigen Generation von Reformatoren, milde und Mensch mit Menschen aus
bis an seinen Todestag, den 20. April 1558.

Dies im Umriß das äußere Leben "unsers Doktor Pommer," wie ihn
seine Zeit und Luther selbst mit Vorliebe zu nennen Pflegte. Ein volles Bild
seiner Persönlichkeit gewinnen wir erst, wenn wir ihn auf einem besondern
Felde seiner Thätigkeit bei der Arbeit selbst beobachten, Schwierigkeiten, Mittel
und Erfolge vergleichen und abschätzen können. Gelegenheit dazu bietet uns
eine Festschrift, die, am Luthertage beschlossen und begonnen, eben jetzt zur
Bugenhagenfeier rechtzeitig zum Abschluß gelangt ist. Es ist dies die im
Auftrage des Magistrats vom Stadtarchivar Ludwig Hänselmann besorgte
Neuausgabe der Braunschweiger Kirchenordnung von 1528") oder wie sie im
Originaltitel heißt: "Der Ehrbarn Stadt Brunswig Christlike Ordeninge, to
berste dem hilgen Evangelio, Christliter leve, dreht, frede unde eynicheit. Ock



Bugenhagens Kirchenordnung für die Stadt Braunschweig nach dein
niederdeutschen Drucke von 1S23 mit historischer Einleitung, den Lesarten der hochdeutschen
Bearbeitungen und einem Glossar. Im Auftrage der Stadtbehörden herausgegeben von
Ludwig Hcinselmann. Wolfenbüttel, Julius Zwiszlcrs Verlag, Z88K,
Johannes Bugenhagon und die Reformation in der Stadt Braunschweig.

Jahre später nimmt seine alte Heimat Pommern, endlich 1S37 Dänemark seine
unermüdliche Thätigkeit zu gleichem Zwecke in Anspruch. Fünf Jahre verbringt
er — sein Wirken in den deutschen Ländern der dänischen Krone eingerechnet — mit
kurzen Unterbrechungen hier im Norden, auch die verfallene Kopenhagener
Universität neuorganisirend und selber als Lehrer daran zeitweilig thätig. Ihn
dauernd hier oder dort zu fesseln, dies Bemühen, so oft und dringlich es auch
an ihn herantreten mag, scheitert stets an seinem zugleich bescheidnen und
thateneifrigen Neformatorensinne, nicht minder an seiner Vorliebe für Witten-
berg, das Herz der Reformation, und für den Kreis edler, gleichgesinnter
Männer, der von hier aus mit Antrieb und Zügelung den Fortgang der
evangelischen Sache in deutschen Landen leitete. Nach seiner Heimkehr aus
Dänemark hat er nnr noch zweimal auf kürzere Zeit Wittenberg verlassen, um
in- dem von den Schmalkaldenern besetzten Lande Braunschweig, sowie im
Stadtgebiete von Hildesheim die neue Ordnung durchzuführen, mittelbar aber
verdanken ihm noch eine ganze Reihe niederdeutscher Städte die Organisation
ihres Kirchen- und Schulwesens insofern, als sie sich nach dem Muster seiner
Kirchenordnungen selbst reformirten. Den Rest seiner Lebenszeit verbringt er
ausschließlich in Wittenberg. Hier, wo er einst Luthers Ehe eingesegnet, hält
er seinem großen Lehrer und Freunde die Grabrede, hier trotzt er, wie vor
Jahren den Schrecken der Pest, so in dem verhängnisvollen Frühling 1547
auch den nicht minder argen Schrecken der kaiserlichen Belagerung, hier harrt
er, zwar an Kräften und Einfluß, nicht aber an redlichem Wollen und Be¬
mühen nachlassend, inmitten von mancherlei Anfechtungen einer jüngern heiß-
spvrnigen Generation von Reformatoren, milde und Mensch mit Menschen aus
bis an seinen Todestag, den 20. April 1558.

Dies im Umriß das äußere Leben „unsers Doktor Pommer," wie ihn
seine Zeit und Luther selbst mit Vorliebe zu nennen Pflegte. Ein volles Bild
seiner Persönlichkeit gewinnen wir erst, wenn wir ihn auf einem besondern
Felde seiner Thätigkeit bei der Arbeit selbst beobachten, Schwierigkeiten, Mittel
und Erfolge vergleichen und abschätzen können. Gelegenheit dazu bietet uns
eine Festschrift, die, am Luthertage beschlossen und begonnen, eben jetzt zur
Bugenhagenfeier rechtzeitig zum Abschluß gelangt ist. Es ist dies die im
Auftrage des Magistrats vom Stadtarchivar Ludwig Hänselmann besorgte
Neuausgabe der Braunschweiger Kirchenordnung von 1528") oder wie sie im
Originaltitel heißt: „Der Ehrbarn Stadt Brunswig Christlike Ordeninge, to
berste dem hilgen Evangelio, Christliter leve, dreht, frede unde eynicheit. Ock



Bugenhagens Kirchenordnung für die Stadt Braunschweig nach dein
niederdeutschen Drucke von 1S23 mit historischer Einleitung, den Lesarten der hochdeutschen
Bearbeitungen und einem Glossar. Im Auftrage der Stadtbehörden herausgegeben von
Ludwig Hcinselmann. Wolfenbüttel, Julius Zwiszlcrs Verlag, Z88K,
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[0669] Johannes Bugenhagon und die Reformation in der Stadt Braunschweig. Jahre später nimmt seine alte Heimat Pommern, endlich 1S37 Dänemark seine unermüdliche Thätigkeit zu gleichem Zwecke in Anspruch. Fünf Jahre verbringt er — sein Wirken in den deutschen Ländern der dänischen Krone eingerechnet — mit kurzen Unterbrechungen hier im Norden, auch die verfallene Kopenhagener Universität neuorganisirend und selber als Lehrer daran zeitweilig thätig. Ihn dauernd hier oder dort zu fesseln, dies Bemühen, so oft und dringlich es auch an ihn herantreten mag, scheitert stets an seinem zugleich bescheidnen und thateneifrigen Neformatorensinne, nicht minder an seiner Vorliebe für Witten- berg, das Herz der Reformation, und für den Kreis edler, gleichgesinnter Männer, der von hier aus mit Antrieb und Zügelung den Fortgang der evangelischen Sache in deutschen Landen leitete. Nach seiner Heimkehr aus Dänemark hat er nnr noch zweimal auf kürzere Zeit Wittenberg verlassen, um in- dem von den Schmalkaldenern besetzten Lande Braunschweig, sowie im Stadtgebiete von Hildesheim die neue Ordnung durchzuführen, mittelbar aber verdanken ihm noch eine ganze Reihe niederdeutscher Städte die Organisation ihres Kirchen- und Schulwesens insofern, als sie sich nach dem Muster seiner Kirchenordnungen selbst reformirten. Den Rest seiner Lebenszeit verbringt er ausschließlich in Wittenberg. Hier, wo er einst Luthers Ehe eingesegnet, hält er seinem großen Lehrer und Freunde die Grabrede, hier trotzt er, wie vor Jahren den Schrecken der Pest, so in dem verhängnisvollen Frühling 1547 auch den nicht minder argen Schrecken der kaiserlichen Belagerung, hier harrt er, zwar an Kräften und Einfluß, nicht aber an redlichem Wollen und Be¬ mühen nachlassend, inmitten von mancherlei Anfechtungen einer jüngern heiß- spvrnigen Generation von Reformatoren, milde und Mensch mit Menschen aus bis an seinen Todestag, den 20. April 1558. Dies im Umriß das äußere Leben „unsers Doktor Pommer," wie ihn seine Zeit und Luther selbst mit Vorliebe zu nennen Pflegte. Ein volles Bild seiner Persönlichkeit gewinnen wir erst, wenn wir ihn auf einem besondern Felde seiner Thätigkeit bei der Arbeit selbst beobachten, Schwierigkeiten, Mittel und Erfolge vergleichen und abschätzen können. Gelegenheit dazu bietet uns eine Festschrift, die, am Luthertage beschlossen und begonnen, eben jetzt zur Bugenhagenfeier rechtzeitig zum Abschluß gelangt ist. Es ist dies die im Auftrage des Magistrats vom Stadtarchivar Ludwig Hänselmann besorgte Neuausgabe der Braunschweiger Kirchenordnung von 1528") oder wie sie im Originaltitel heißt: „Der Ehrbarn Stadt Brunswig Christlike Ordeninge, to berste dem hilgen Evangelio, Christliter leve, dreht, frede unde eynicheit. Ock Bugenhagens Kirchenordnung für die Stadt Braunschweig nach dein niederdeutschen Drucke von 1S23 mit historischer Einleitung, den Lesarten der hochdeutschen Bearbeitungen und einem Glossar. Im Auftrage der Stadtbehörden herausgegeben von Ludwig Hcinselmann. Wolfenbüttel, Julius Zwiszlcrs Verlag, Z88K,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/669>, abgerufen am 22.07.2024.