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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

in zu hohem Grade ergeben, als daß er die Prophezeiung des Mönchs von
Brescia zu vereiteln geeignet gewesen wäre," eine Vermutung, welche sich als
richtig bestätigt hat. Einen auf so zweifelhaftem Grunde sich mühsam behaup¬
tenden Thron erschüttern zu wollen, war nach alledem kein durchaus vermessenes
Unterfangen gewesen, und wenn es mit Hilfe einer jener Machte gelungen wäre,
so konnte Giuseppe Gouzciga, obschon kein erbfolgcberechtigter Sproß, die alten
innern Mantuaner Parteizerwürfnisse durch seine Vermählung mit der letzten
Bnonaeolsi wohl in Harmonie aufzulösen hoffen.

Mit Ambrogio Pellegriui, einem Manne, der Giuseppe Gonzagas natürliche
Gaben längst für hochfliegende Pläne in Thätigkeit hatte setzen wollen, war er
eben über die ersten Schritte einig geworden, welche den Kampf gegen die Mcm-
tuaner Vettern einleiten sollten, als die Anhänglichkeit oder -- wie man will -- die
Berändernngsschen Beppos zu jenem zwischen Sturm und Sonnenschein schwanken¬
den Auftritte führte, dessen weitere Entwicklung sich nnn leicht voraussehen ließ.

In der That war in Beppos Gesellschaft Giuseppe Gonzaga, sobald beide
im Sattel saßen, zwar keineswegs wieder der leichtfertige Thor von ehemals,
aber weit aussehende Unternehmungen, zu denen auch der Ehrgeiz Vorspann
leisten mußte, erschienen doch auf einmal in einer absonderlich künstlichen Be¬
leuchtung, und zwar ohne daß Beppo ein Wort zu reden brauchte, das auf
diese Wirkung abzielte. Der Diener Ginseppes hatte einfach für alles derartige
kein Organ, und der Herr, so wenig er während des ganzen Rittes die Nähe
des ihm fast ebenso unleidlichen wie unentbehrlichen Vertrauten zu bemerken
suchte, fühlte doch die Unmöglichkeit, neben Beppo an etwas andres als an eine
Entführung Floridas zu denken.

Wie eine solche zu veranstalten war, diese Frage wurde denn auch endlich
auf der zweiten Hälfte des Weges zwischen Herr und Diener ohne Umschweife
besprochen. Beppo hatte mit der Verabredung wegen der Abendandachten in
der Kirche San Stefano nach seiner Gewohnheit lange hinterm Berge gehalten.
Zuletzt ließ er merken, er glaube vou Madonna Eufemia etwas derartiges ver¬
standen zu haben. Er war sehr vorsichtig geworden und hätte sich gehütet,
seinen Herrn glauben zu machen, mit der Bekehrung Beppos zur Ehrbarkeit
und Wohlanständigkeit sei es ihm nicht Ernst gewesen.

Im Sternenschimmer langten die beiden Reiter in Mantua an; Giuseppe
Gouzciga tief verstimmt, unfähig des Gefühles froh zu werden, daß er mit der
Geliebten in der nämlichen Stadt weile; unbehaglich mich Beppo, denn ihn
plagte der Durst, und er fürchtete sich vor den Verführungskünsten der Flasche,
zumal des goldigen Weins von Noverbella. Die unscheinbare Herberge zum
Faetone in dem düstern Vicolo dello Zueearo nahm die zwei Gäste auf.

Es verstrichen dann Wochen, ohne daß es zu einem Wiedersehen Ginseppes
und Floridas kam. Die Aufregungen, welche über die bis dahin willenlos ihrem
Vater ergeben Gewesene hereingebrochen waren, hatten sie schon am Abend nach


Um eine Perle.

in zu hohem Grade ergeben, als daß er die Prophezeiung des Mönchs von
Brescia zu vereiteln geeignet gewesen wäre," eine Vermutung, welche sich als
richtig bestätigt hat. Einen auf so zweifelhaftem Grunde sich mühsam behaup¬
tenden Thron erschüttern zu wollen, war nach alledem kein durchaus vermessenes
Unterfangen gewesen, und wenn es mit Hilfe einer jener Machte gelungen wäre,
so konnte Giuseppe Gouzciga, obschon kein erbfolgcberechtigter Sproß, die alten
innern Mantuaner Parteizerwürfnisse durch seine Vermählung mit der letzten
Bnonaeolsi wohl in Harmonie aufzulösen hoffen.

Mit Ambrogio Pellegriui, einem Manne, der Giuseppe Gonzagas natürliche
Gaben längst für hochfliegende Pläne in Thätigkeit hatte setzen wollen, war er
eben über die ersten Schritte einig geworden, welche den Kampf gegen die Mcm-
tuaner Vettern einleiten sollten, als die Anhänglichkeit oder — wie man will — die
Berändernngsschen Beppos zu jenem zwischen Sturm und Sonnenschein schwanken¬
den Auftritte führte, dessen weitere Entwicklung sich nnn leicht voraussehen ließ.

In der That war in Beppos Gesellschaft Giuseppe Gonzaga, sobald beide
im Sattel saßen, zwar keineswegs wieder der leichtfertige Thor von ehemals,
aber weit aussehende Unternehmungen, zu denen auch der Ehrgeiz Vorspann
leisten mußte, erschienen doch auf einmal in einer absonderlich künstlichen Be¬
leuchtung, und zwar ohne daß Beppo ein Wort zu reden brauchte, das auf
diese Wirkung abzielte. Der Diener Ginseppes hatte einfach für alles derartige
kein Organ, und der Herr, so wenig er während des ganzen Rittes die Nähe
des ihm fast ebenso unleidlichen wie unentbehrlichen Vertrauten zu bemerken
suchte, fühlte doch die Unmöglichkeit, neben Beppo an etwas andres als an eine
Entführung Floridas zu denken.

Wie eine solche zu veranstalten war, diese Frage wurde denn auch endlich
auf der zweiten Hälfte des Weges zwischen Herr und Diener ohne Umschweife
besprochen. Beppo hatte mit der Verabredung wegen der Abendandachten in
der Kirche San Stefano nach seiner Gewohnheit lange hinterm Berge gehalten.
Zuletzt ließ er merken, er glaube vou Madonna Eufemia etwas derartiges ver¬
standen zu haben. Er war sehr vorsichtig geworden und hätte sich gehütet,
seinen Herrn glauben zu machen, mit der Bekehrung Beppos zur Ehrbarkeit
und Wohlanständigkeit sei es ihm nicht Ernst gewesen.

Im Sternenschimmer langten die beiden Reiter in Mantua an; Giuseppe
Gouzciga tief verstimmt, unfähig des Gefühles froh zu werden, daß er mit der
Geliebten in der nämlichen Stadt weile; unbehaglich mich Beppo, denn ihn
plagte der Durst, und er fürchtete sich vor den Verführungskünsten der Flasche,
zumal des goldigen Weins von Noverbella. Die unscheinbare Herberge zum
Faetone in dem düstern Vicolo dello Zueearo nahm die zwei Gäste auf.

Es verstrichen dann Wochen, ohne daß es zu einem Wiedersehen Ginseppes
und Floridas kam. Die Aufregungen, welche über die bis dahin willenlos ihrem
Vater ergeben Gewesene hereingebrochen waren, hatten sie schon am Abend nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/60>, abgerufen am 22.07.2024.