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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

heilig zu halten. Das Flämmchen vor deinem Bilde schien mir zuzuwinken:
Komm, uoch ist es Zeit, Winkte es in deinem Auftrage? Nein, es hatte dich
mißverstanden, denn auch du stelltest das Gesetz höher als die Willkür. Ich
werde dem Gesetze gemäß den Arm des Gerichts weitere siebzehn Tage vom
Schlage zurückhalten. Aber ich werde an deinem Festtage Seelenmessen sür
Marcello Buonaeolsi stiften. Betet für Eure Feinde, wandte er sich wieder zu
dem alten Anwalt, und verzeiht denen, so euch Übles gethan haben -- das
war von jeher auch die Maxime der Gvnzagas. Ihr habt uns lauge verkannt,
Signor Primaticcio, fuhr der Herzog fort, heute, denke ich, sind wir uns für
alle Folgezeit als Freunde nähergetreten.

Es sind schöne, erhebende Worte, die Eure Herrlichkeit gesprochen haben,
versetzte Andrea, ehrerbietig sich verneigend, und wenn Ihr mir jetzt gestatten wollt,
Euch eine Mitteilung zu macheu, mit der ich am liebsten gleich bei meinem
Eintreten begonnen Hütte, so wird die Muße, die uun vor uns liegt, Euch die
Möglichkeit bieten, in Nuhe und Sammlung die völlig neue Sachlage zu er¬
wäge", von der ich Euch Kenntnis geben muß.

Worauf wollt Ihr hinaus? fragte der Herzog verwundert; setzen wir uns --
ohne Umstände, guter Andrea. Eine völlig neue Sachlage? Ihr tragt mir
wohl die Freundschaft des alten Feuerkvpfes ein, der meinen in Gott ruhenden
Vetter erschlug. Ich war längst auf solch einen Schachzug gefaßt. Nun der
arge Verschwörer das Netz, in dein er sich fing, nicht zu zerreißen vermag, will
er sein Leben für einen Judaskuß erkaufen. Daraus wird nichts! Gebt ihn
auf, guter Andrea. Er ist ein toter Mann. Verliert nicht Eure Zeit mit
einem so klägliche Interessen abwerfenden Handel. Tretet von dem Wrack auf
unser Schiff über. (Zrg,Ag. Dio, noch flattert sein Wimpel fröhlich im Winde!

Der Anwalt nahm, dem Herzog gegenüber, statt auf dem ihm zugewiesenen
Polstersessel, auf dem niedrigen Betschemel Platz. Dabei zog er ein zusammen¬
gebogenes Aktenstück aus der Tasche.

Was ist das? fragte der Herzog.

Altezza, die Abschrift eines Protokolls. Er faltete es auseinander.

In Sachen Eures Klienten?

In Sachen Eures hochseligen Herrn Vetters.

Aber der ist ja tot --

Und zwar tot durch die Schuld Marcellos. Beliebet dennoch zu lesen,
Altezza.

Der Herzog warf einen mißtrauischen Blick uns den Anwalt. Seht Euch
vor! sagte er. Rasch erhob er sich und trat mit dem Papier ans Fenster.

Andrea stand ebenfalls auf.

Und was ist das für ein Beppo, der hier ausgefragt wird? rief Francesco.

Der vertraute Diener Eucrs hochseligen Vetters. Man hält ihn, Altezza,
seit heute früh in sicherm Gewahrsam.


Um eine Perle.

heilig zu halten. Das Flämmchen vor deinem Bilde schien mir zuzuwinken:
Komm, uoch ist es Zeit, Winkte es in deinem Auftrage? Nein, es hatte dich
mißverstanden, denn auch du stelltest das Gesetz höher als die Willkür. Ich
werde dem Gesetze gemäß den Arm des Gerichts weitere siebzehn Tage vom
Schlage zurückhalten. Aber ich werde an deinem Festtage Seelenmessen sür
Marcello Buonaeolsi stiften. Betet für Eure Feinde, wandte er sich wieder zu
dem alten Anwalt, und verzeiht denen, so euch Übles gethan haben — das
war von jeher auch die Maxime der Gvnzagas. Ihr habt uns lauge verkannt,
Signor Primaticcio, fuhr der Herzog fort, heute, denke ich, sind wir uns für
alle Folgezeit als Freunde nähergetreten.

Es sind schöne, erhebende Worte, die Eure Herrlichkeit gesprochen haben,
versetzte Andrea, ehrerbietig sich verneigend, und wenn Ihr mir jetzt gestatten wollt,
Euch eine Mitteilung zu macheu, mit der ich am liebsten gleich bei meinem
Eintreten begonnen Hütte, so wird die Muße, die uun vor uns liegt, Euch die
Möglichkeit bieten, in Nuhe und Sammlung die völlig neue Sachlage zu er¬
wäge», von der ich Euch Kenntnis geben muß.

Worauf wollt Ihr hinaus? fragte der Herzog verwundert; setzen wir uns —
ohne Umstände, guter Andrea. Eine völlig neue Sachlage? Ihr tragt mir
wohl die Freundschaft des alten Feuerkvpfes ein, der meinen in Gott ruhenden
Vetter erschlug. Ich war längst auf solch einen Schachzug gefaßt. Nun der
arge Verschwörer das Netz, in dein er sich fing, nicht zu zerreißen vermag, will
er sein Leben für einen Judaskuß erkaufen. Daraus wird nichts! Gebt ihn
auf, guter Andrea. Er ist ein toter Mann. Verliert nicht Eure Zeit mit
einem so klägliche Interessen abwerfenden Handel. Tretet von dem Wrack auf
unser Schiff über. (Zrg,Ag. Dio, noch flattert sein Wimpel fröhlich im Winde!

Der Anwalt nahm, dem Herzog gegenüber, statt auf dem ihm zugewiesenen
Polstersessel, auf dem niedrigen Betschemel Platz. Dabei zog er ein zusammen¬
gebogenes Aktenstück aus der Tasche.

Was ist das? fragte der Herzog.

Altezza, die Abschrift eines Protokolls. Er faltete es auseinander.

In Sachen Eures Klienten?

In Sachen Eures hochseligen Herrn Vetters.

Aber der ist ja tot —

Und zwar tot durch die Schuld Marcellos. Beliebet dennoch zu lesen,
Altezza.

Der Herzog warf einen mißtrauischen Blick uns den Anwalt. Seht Euch
vor! sagte er. Rasch erhob er sich und trat mit dem Papier ans Fenster.

Andrea stand ebenfalls auf.

Und was ist das für ein Beppo, der hier ausgefragt wird? rief Francesco.

Der vertraute Diener Eucrs hochseligen Vetters. Man hält ihn, Altezza,
seit heute früh in sicherm Gewahrsam.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/589>, abgerufen am 22.07.2024.