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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

Mästung mit ihrem gnädigen Fräulein vor dem Erlöschen behütet werde. Und
der alte Herr habe das gnädige Fräulein, seine Tochter, heute unterwegs
darauf vorbereitet.

Giuseppe war aufgesprungen.

Wir reiten auf der Stelle nach Mantua, sagte er, ich muß Florida sprechen,
koste es, was es wolle; laß satteln!

Ich, gnädiger Herr?

Ein stummes Zeichen seines Herrn bedeutete ihm, seines Dienstes zu warten.




Zwölftes Aapitel.

Das Wagnis, zu welchem Giuseppe Gonzaga, ehe Beppo wieder in seinen
Dienst trat, die Einleitungen getroffen hatte, war ein sehr gefährliches Wagnis
gewesen; für völlig aussichtslos konnte es aber keineswegs gelten; nur forderte
es Zeit, behutsame Miuirarbeit und kühle Berechnung.

Sich Zeit zu lassen hatte Giuseppe Gonzaga sich gelobt gehabt. Ob er
seinem Vorsatz treu bleiben könne, stand dahin. Bei einem früheren Anschlage
ähnlicher Art hatte er auf halbem Wege die Zügel fortgeschleudert, unfähig
sein heißes Blut in jener Mitteltemperatur zu halten, ohne die kein politischer
Schachzug mit der nötigen Überlegung gemacht werden kann. Diesmal hoffte
er ans ein glückliches Ungefähr, wie es ja so oft schon große Umwälzungen
herbeigeführt hat.

Und vorgearbeitet wenigstens hatte einer etwaigen Entthronung der Man-
tnaner Vettern allerdings' schon mancherlei, darunter die schon eingangs er¬
wähnte Sage von dem Erlöschen der Mcmtuaner Gonzagas, nachdem alle drei
Söhne Vincentos des Ersten ohne männliche Nachkommen das Zeitliche gesegnet
haben würden, im Grunde nnr eine etwas andre Fassung der alten Prophezeiung
des Mönches Siro von Brescia, nach einer großen Feuersbrunst werde das re¬
gierende Geschlecht aussterben. Schon die verheerende Pest vom Jahre 1528,
welche Mantua nahezu entvölkerte, war einst von Deutungsbeflisseneu als die
vvransgesagte Heimsuchung ausgelegt worden, da das Pergament, auf welchem der
Mönch seine Prophezeiung hinterlassen hatte, wegen starker Beschädigungen die
iminnichfachstcu Lesarten zuließ. Noch näher zu rücken schien die Erfüllung
jener Verkündigung an dem Schreckcnstage, als mitten in den Vermählungsjubel,
der deu elften Gonzaga und seine Braut, die Tochter Kaiser Ferdinands des
Ersten, umbrauste, die Sturmglocken ertönten: das reiche Mantnaner Archiv
stand in Flammen und war in wenigen Stunden nur noch ein Haufen Asche.
Vincentos des Ersten Verschwendung zog dann zwar Scharen von fürstlichen
Gästen nach der längst durch ihren Glanz berühmt gewordnen Residenz, und seine
großartigen Bauwerke schienen in ihrer Dauerhaftigkeit auch die Deiner des Namens
Gonzaga verbürgen zu wollen; aber Unzufriedene wiesen doch auch, wie schon
erwähnt, auf die kostspieligen und, wie man klagte, zwecklosen Kriegszüge gegen


Um eine Perle.

Mästung mit ihrem gnädigen Fräulein vor dem Erlöschen behütet werde. Und
der alte Herr habe das gnädige Fräulein, seine Tochter, heute unterwegs
darauf vorbereitet.

Giuseppe war aufgesprungen.

Wir reiten auf der Stelle nach Mantua, sagte er, ich muß Florida sprechen,
koste es, was es wolle; laß satteln!

Ich, gnädiger Herr?

Ein stummes Zeichen seines Herrn bedeutete ihm, seines Dienstes zu warten.




Zwölftes Aapitel.

Das Wagnis, zu welchem Giuseppe Gonzaga, ehe Beppo wieder in seinen
Dienst trat, die Einleitungen getroffen hatte, war ein sehr gefährliches Wagnis
gewesen; für völlig aussichtslos konnte es aber keineswegs gelten; nur forderte
es Zeit, behutsame Miuirarbeit und kühle Berechnung.

Sich Zeit zu lassen hatte Giuseppe Gonzaga sich gelobt gehabt. Ob er
seinem Vorsatz treu bleiben könne, stand dahin. Bei einem früheren Anschlage
ähnlicher Art hatte er auf halbem Wege die Zügel fortgeschleudert, unfähig
sein heißes Blut in jener Mitteltemperatur zu halten, ohne die kein politischer
Schachzug mit der nötigen Überlegung gemacht werden kann. Diesmal hoffte
er ans ein glückliches Ungefähr, wie es ja so oft schon große Umwälzungen
herbeigeführt hat.

Und vorgearbeitet wenigstens hatte einer etwaigen Entthronung der Man-
tnaner Vettern allerdings' schon mancherlei, darunter die schon eingangs er¬
wähnte Sage von dem Erlöschen der Mcmtuaner Gonzagas, nachdem alle drei
Söhne Vincentos des Ersten ohne männliche Nachkommen das Zeitliche gesegnet
haben würden, im Grunde nnr eine etwas andre Fassung der alten Prophezeiung
des Mönches Siro von Brescia, nach einer großen Feuersbrunst werde das re¬
gierende Geschlecht aussterben. Schon die verheerende Pest vom Jahre 1528,
welche Mantua nahezu entvölkerte, war einst von Deutungsbeflisseneu als die
vvransgesagte Heimsuchung ausgelegt worden, da das Pergament, auf welchem der
Mönch seine Prophezeiung hinterlassen hatte, wegen starker Beschädigungen die
iminnichfachstcu Lesarten zuließ. Noch näher zu rücken schien die Erfüllung
jener Verkündigung an dem Schreckcnstage, als mitten in den Vermählungsjubel,
der deu elften Gonzaga und seine Braut, die Tochter Kaiser Ferdinands des
Ersten, umbrauste, die Sturmglocken ertönten: das reiche Mantnaner Archiv
stand in Flammen und war in wenigen Stunden nur noch ein Haufen Asche.
Vincentos des Ersten Verschwendung zog dann zwar Scharen von fürstlichen
Gästen nach der längst durch ihren Glanz berühmt gewordnen Residenz, und seine
großartigen Bauwerke schienen in ihrer Dauerhaftigkeit auch die Deiner des Namens
Gonzaga verbürgen zu wollen; aber Unzufriedene wiesen doch auch, wie schon
erwähnt, auf die kostspieligen und, wie man klagte, zwecklosen Kriegszüge gegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/58>, abgerufen am 22.07.2024.