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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

meine, alle Thüren und Fenster für Thorheiten weit offen hat. Geh, damit
ich diesmal nicht noch kürzern Prozeß mache, um dir Blindschleiche den Kopf
zu zertreten.

Gnädiger Herr, erhob sich Veppo mit der Miene gekränkter Unschuld, Ihr
thut nicht recht, einem Menschen, der sich bessern will, immer wieder den Halt
der Selbstachtung zu rauben. Was ich Euch sagen wollte --

Ich will es nicht wissen.

War folgendes --

Beppo, rief Giuseppe, indem er sich "ach seiner Reitpeitsche umsah, kein
Wort weiter!

Es ist ein heiratsfähiger Buoncicolsi aufgetaucht, fuhr Beppo furchtlos fort,
und das Fräulein aus dem Zodiaco-Gäßchen wird ihm die Hand reichen müssen.

Giuseppe Gonzciga war zur Bildsäule geworden. Kalter Schweiß trat auf
seine Stirn. Er mußte sich setzen. Lange Zeit versagte die Zunge ihm den
Dienst. Endlich stammelte er tonlos: Erzähle.

Beppo blieb an der Thür stehen, die Hand auf der Klinke. Gnädiger
Herr, sagte er, diese Neuigkeit wollte ich zu Eurer Strafe mit ins Grab nehmen.
Es war schlecht von mir, aber wer kann aus seiner Haut heraus?

Erzähle!

Ich habe sie Euch dann, als Ihr wieder menschlicher mit mir redetet,
mitteilen wollen, aber ich fürchtete, Ihr würdet mich so anfahren, wie Jhr's
ja schließlich auch gethan habt, und so konnte ich's nicht über mich gewinnen.

Erzähle, um aller Heiligen willen, erzähle!

Was soll ich erzählen, gnädiger Herr? Daß ich auf dem Wege nach Villa-
franca war? Daß ich dort Euer Viergespann kvmpletireu und dann damit durch
alle Straßen Veronas kutschiren wollte, auf daß Ihr die Mantuaner Liebschaft
zum Teufel fahren ließet und wieder wie bisher zu dem lustigen Leben mit
Beppo zurückkehrtet? Soll ich so üble Dinge von mir erzählen? Nun, der
Wahrheit die Ehre, so bin ich zu jener Kunde gekommen. Wir Sterbliche,
pflegte mein Kardinal zu sagen, wollen oft das Böse, aber Iclllic. lenkt es zum
Guten.

Laß die Klinke los, tritt näher, erzähle im Zusammenhang. Muß hei¬
raten, sagtest du? Florida muß heiraten! Ich bin wie vom Blitz zerschmettert.

Beppo gehorchte. Was ist da viel weiter zu erzählen, Signore, sagte
er; Madonna Eufemia, Ihr wißt, das hübsche, rundliche Frauenzimmer mit
den Papillotcn von gestern Abend, nun, Madonna Eufemia benutzte die wenigen
Augenblicke, wo ihr gnädiges Fräulein hinter dem alten Herrn und seinem
grämlichen Diener in Gedanken vertieft nicht auf Madonna Eufemias Zurück-
bleiben Acht gab, und teilte nur, der ich ihr nachgeritten war, in Kürze mit, der
heilige Vater habe einen für die Kirche verlobt gewesenen Vetter ihres Fräu¬
leins freigegeben, damit das Geschlecht der Buonacolsi durch des Vetters Ver-


Um eine perle.

meine, alle Thüren und Fenster für Thorheiten weit offen hat. Geh, damit
ich diesmal nicht noch kürzern Prozeß mache, um dir Blindschleiche den Kopf
zu zertreten.

Gnädiger Herr, erhob sich Veppo mit der Miene gekränkter Unschuld, Ihr
thut nicht recht, einem Menschen, der sich bessern will, immer wieder den Halt
der Selbstachtung zu rauben. Was ich Euch sagen wollte —

Ich will es nicht wissen.

War folgendes —

Beppo, rief Giuseppe, indem er sich »ach seiner Reitpeitsche umsah, kein
Wort weiter!

Es ist ein heiratsfähiger Buoncicolsi aufgetaucht, fuhr Beppo furchtlos fort,
und das Fräulein aus dem Zodiaco-Gäßchen wird ihm die Hand reichen müssen.

Giuseppe Gonzciga war zur Bildsäule geworden. Kalter Schweiß trat auf
seine Stirn. Er mußte sich setzen. Lange Zeit versagte die Zunge ihm den
Dienst. Endlich stammelte er tonlos: Erzähle.

Beppo blieb an der Thür stehen, die Hand auf der Klinke. Gnädiger
Herr, sagte er, diese Neuigkeit wollte ich zu Eurer Strafe mit ins Grab nehmen.
Es war schlecht von mir, aber wer kann aus seiner Haut heraus?

Erzähle!

Ich habe sie Euch dann, als Ihr wieder menschlicher mit mir redetet,
mitteilen wollen, aber ich fürchtete, Ihr würdet mich so anfahren, wie Jhr's
ja schließlich auch gethan habt, und so konnte ich's nicht über mich gewinnen.

Erzähle, um aller Heiligen willen, erzähle!

Was soll ich erzählen, gnädiger Herr? Daß ich auf dem Wege nach Villa-
franca war? Daß ich dort Euer Viergespann kvmpletireu und dann damit durch
alle Straßen Veronas kutschiren wollte, auf daß Ihr die Mantuaner Liebschaft
zum Teufel fahren ließet und wieder wie bisher zu dem lustigen Leben mit
Beppo zurückkehrtet? Soll ich so üble Dinge von mir erzählen? Nun, der
Wahrheit die Ehre, so bin ich zu jener Kunde gekommen. Wir Sterbliche,
pflegte mein Kardinal zu sagen, wollen oft das Böse, aber Iclllic. lenkt es zum
Guten.

Laß die Klinke los, tritt näher, erzähle im Zusammenhang. Muß hei¬
raten, sagtest du? Florida muß heiraten! Ich bin wie vom Blitz zerschmettert.

Beppo gehorchte. Was ist da viel weiter zu erzählen, Signore, sagte
er; Madonna Eufemia, Ihr wißt, das hübsche, rundliche Frauenzimmer mit
den Papillotcn von gestern Abend, nun, Madonna Eufemia benutzte die wenigen
Augenblicke, wo ihr gnädiges Fräulein hinter dem alten Herrn und seinem
grämlichen Diener in Gedanken vertieft nicht auf Madonna Eufemias Zurück-
bleiben Acht gab, und teilte nur, der ich ihr nachgeritten war, in Kürze mit, der
heilige Vater habe einen für die Kirche verlobt gewesenen Vetter ihres Fräu¬
leins freigegeben, damit das Geschlecht der Buonacolsi durch des Vetters Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/57>, abgerufen am 22.07.2024.