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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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hat. In Bezug auf diese Weine (nach Umständen auch auf die feinern Chateaux-
weine) ist man also in Ostpreußen nicht übel aufgehoben, jedenfalls nicht schlechter
als in andern Teilen Norddeutschlands. Das "Blutgericht" und verschiedne andre
Königsberger Firmen (wie z. B. Ehlers) sind in der Provinz jedermann so
geläufig, daß man überall zuerst nachsieht, ob eine, die Garantie dieser Geschäfte
nussprechendc Etikette aufgeklebt ist, und sich in diesem Falle zu höchstem Ver¬
trauen für berechtigt hält. In der That findet man oft selbst in den kleinsten
Nestern sehr befriedigende Weiuverhältnisse. Doch muß man nicht glauben,
auf den Gütern sei ein -- wenn auch nur billiger -- Rotwein etwas alltäg¬
liches. Es ist durchaus keine Seltenheit, daß selbst sehr wohlsituirte Besitzer¬
familien den Wein als tägliches Getränk sich nicht gestatten zu können glauben,
und Schreiber dieses selbst, der zwar nur ein sehr mäßiger Trinker ist, aber seit
langer, langer Zeit sein Gläschen Wein zu Mittag gewohnt war, hat seit vielen
Jahren zum erstenmale wieder um Tische eines ostpreußischen Majoratsherrn
aus dasselbe verzichten müssen. Doch sind diese Fülle immerhin die selteneren;
auf ein Glas trinkbaren Weines darf man im allgemeinen rechnen. Ein
Glas Schnaps ist in Ostpreußen -- ich will den Mäßigkeitsvereinlern zu Ge¬
fallen nicht gerade sagen ein Bedürfnis, aber doch etwas sich in hohem Maße
Aufdräugeudes, und in vielen Fällen, so auf der Jagd oder bei längern Winter¬
fahrten ans offenem Wagen, wirklich kaum zu Entbehrendes. Er fehlt denn
auch nirgendwo, und der ärgste Mißbrauch tritt gleichfalls massenhaft auf.
Einzelne Geschichten, die davon erzählt werden, wie z. B. diejenige von deu
Leuten, welche, weil sie feierlich gelobt hatten, keinen Schnaps mehr zu trinken,
Hoffmannstropfen schvppenweise soffen, klingen geradezu grauenhaft. Schnaps-
betrunkene und Delirirende sind leider in Ostpreußen keine Seltenheit, und wenn
solche Betrunkene (oder sonstwie Zankende) in der eigentümlich hohen ostpreu-
ßischen Stimmlage aufeinander einkreischen, so gehört dies wohl zu den ärgsten
Beleidigungen des Ohres, die einem vorkommen können. Es ist daher sehr an¬
zuerkennen, daß gemeinnützige Personen zu Königsberg eine eigne "Kaffeeschenke"
ins Leben gerufen haben, wo außer einigen einfachen Speisen nichts als Kaffee
zu haben ist. Der Besuch ist nicht gerade glänzend, aber stark genug, um nicht
entmutigend zu wirken. Wenden wir uns von diesem häßlichen Bilde zu
dem behaglichem, welches der Grog, der "ostpreußische Maitrank," darbietet.
Dies ist in der That ein landesübliches Getränk im ausgedehntesten Wort¬
sinne, und darum bekommt man ihn auch in ganz Ostpreußen gut. Man trinkt
ihn zu jeder Jahreszeit, am meisten allerdings in den Übergangs- bez. den
rauhen Frühlingsmonaten, wo es auch nichts Empfehlenswerteres giebt. Da¬
gegen wäre weiter nichts einzuwenden. Nun giebt es aber noch ein Getränk,
welches von den wässerigen Strichen der Niederung her allmählich vorzudringen
beginnt, und welches (von dem dort gelegenen Schifferflcckcn Nuß) den Namen
"Nußer Wasserpunsch" führt -- angeblich, weil kein Wasser darin ist, in


hat. In Bezug auf diese Weine (nach Umständen auch auf die feinern Chateaux-
weine) ist man also in Ostpreußen nicht übel aufgehoben, jedenfalls nicht schlechter
als in andern Teilen Norddeutschlands. Das „Blutgericht" und verschiedne andre
Königsberger Firmen (wie z. B. Ehlers) sind in der Provinz jedermann so
geläufig, daß man überall zuerst nachsieht, ob eine, die Garantie dieser Geschäfte
nussprechendc Etikette aufgeklebt ist, und sich in diesem Falle zu höchstem Ver¬
trauen für berechtigt hält. In der That findet man oft selbst in den kleinsten
Nestern sehr befriedigende Weiuverhältnisse. Doch muß man nicht glauben,
auf den Gütern sei ein — wenn auch nur billiger — Rotwein etwas alltäg¬
liches. Es ist durchaus keine Seltenheit, daß selbst sehr wohlsituirte Besitzer¬
familien den Wein als tägliches Getränk sich nicht gestatten zu können glauben,
und Schreiber dieses selbst, der zwar nur ein sehr mäßiger Trinker ist, aber seit
langer, langer Zeit sein Gläschen Wein zu Mittag gewohnt war, hat seit vielen
Jahren zum erstenmale wieder um Tische eines ostpreußischen Majoratsherrn
aus dasselbe verzichten müssen. Doch sind diese Fülle immerhin die selteneren;
auf ein Glas trinkbaren Weines darf man im allgemeinen rechnen. Ein
Glas Schnaps ist in Ostpreußen — ich will den Mäßigkeitsvereinlern zu Ge¬
fallen nicht gerade sagen ein Bedürfnis, aber doch etwas sich in hohem Maße
Aufdräugeudes, und in vielen Fällen, so auf der Jagd oder bei längern Winter¬
fahrten ans offenem Wagen, wirklich kaum zu Entbehrendes. Er fehlt denn
auch nirgendwo, und der ärgste Mißbrauch tritt gleichfalls massenhaft auf.
Einzelne Geschichten, die davon erzählt werden, wie z. B. diejenige von deu
Leuten, welche, weil sie feierlich gelobt hatten, keinen Schnaps mehr zu trinken,
Hoffmannstropfen schvppenweise soffen, klingen geradezu grauenhaft. Schnaps-
betrunkene und Delirirende sind leider in Ostpreußen keine Seltenheit, und wenn
solche Betrunkene (oder sonstwie Zankende) in der eigentümlich hohen ostpreu-
ßischen Stimmlage aufeinander einkreischen, so gehört dies wohl zu den ärgsten
Beleidigungen des Ohres, die einem vorkommen können. Es ist daher sehr an¬
zuerkennen, daß gemeinnützige Personen zu Königsberg eine eigne „Kaffeeschenke"
ins Leben gerufen haben, wo außer einigen einfachen Speisen nichts als Kaffee
zu haben ist. Der Besuch ist nicht gerade glänzend, aber stark genug, um nicht
entmutigend zu wirken. Wenden wir uns von diesem häßlichen Bilde zu
dem behaglichem, welches der Grog, der „ostpreußische Maitrank," darbietet.
Dies ist in der That ein landesübliches Getränk im ausgedehntesten Wort¬
sinne, und darum bekommt man ihn auch in ganz Ostpreußen gut. Man trinkt
ihn zu jeder Jahreszeit, am meisten allerdings in den Übergangs- bez. den
rauhen Frühlingsmonaten, wo es auch nichts Empfehlenswerteres giebt. Da¬
gegen wäre weiter nichts einzuwenden. Nun giebt es aber noch ein Getränk,
welches von den wässerigen Strichen der Niederung her allmählich vorzudringen
beginnt, und welches (von dem dort gelegenen Schifferflcckcn Nuß) den Namen
„Nußer Wasserpunsch" führt — angeblich, weil kein Wasser darin ist, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/564>, abgerufen am 25.08.2024.