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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Dstpreußische Skizzen.

abgekommen ist, so ist doch die Überflutung eines Gutshauses mit allen Guts¬
herren von weit und breit her zu Jagdzwecken auch heute noch keine Seltenheit.
Da geht es denn freilich hoch her, und es giebt keine üblere Nachrede als
die einer schlechten Verpflegung von Jagdgästen -- gewisse Leute wissen davon
zu erzählen. Eigentümlicherweise hat trotz dieser Bedeutung', welche die hohe
Jagd für Ostpreußen immer noch besitzt, der "Jagdschaden" hier nur eine unter¬
geordnete Wichtigkeit, und die Hetzereien wegen des Jagdgesetzes haben daher
auch hier niemals ernsthafte Beachtung gefunden. Der Grund dürfte einesteils
in der großen Menge natürlicher Jagdgrenzcn (Seen und dergleichen), andern-
teils darin zu suchen sein, daß bei der Größe der Güter diejenigen Gutsherren,
welche in Betracht kommen können, schon im eignen Interesse dafür sorgen,
einen übermäßigen Wildstand nicht aufkommen zu lassen. Auch ist die Zahl
derjenigen Gutsherren, welche lieber die größten Opfer an Entschädigungen,
Einzäunungskosten :c. bringen, als daß sie sich ihre Jagdfrendcn einschränken
lassen, immerhin so ansehnlich, daß sich schon hierdurch in Ostpreußen stets eine
kulante Praxis in Abfindung des Wildschadens ausbilden konnte.

Außer der Jagdzeit ist es still auf den Gütern, doch reißen die Besuche
selten ganz ab. An große Reisen denken die wenigsten Gutsfamilien; man ist
durchgehendes zufrieden, hie und da einmal einen kleinen Ausflug nach Königs¬
berg, mit Theaterbesuch und dergleichen, machen zu könne" und freut sich königlich,
wenn ans irgendeinem Anlasse in einem nicht zu entfernten Städtchen einmal
ein Ball nrrangirt wird. An einer gewissen Einförmigkeit des Lebens ist also
nicht vorbeizukommen. Freilich sind Küche und Keller gut bestellt. Da die
meisten doch etwas Schafzucht treiben, so fehlt es ihnen selten an dem äußerst
vorzüglichen Fleisch der hiesigen Lämmer und Hammel, und "was ein Schwein
geben kaun," das ist ja auch immer bei der Hand. Mit Gemüsen ist es
weniger gut bestellt, da der Gartenbau immer uoch sehr zu wünschen übrig
läßt und manches (so weiße Rüben) in auffallender Weise vernachlässigt zu sein
scheint; aber Erbsen sind da, nicht nur die uns bekannten, sondern namentlich
auch die berühmten "grauen" ostpreußischen Erbsen, eine sehr massive, eckige,
dickschalige Frucht, die aber in der gehörigen Weise (z. B. mit Specksauce) zu¬
bereitet, ausgezeichnet schmeckt und einem ostpreußischen Magen auch vor¬
züglich bekommt. Außerhalb Ostpreußens gedeiht sie nicht, und selbst hier muß
die Saat immer aus einer bestimmten Gegend bezogen werden, sonst artet sie aus.
Ebenso verfügt man über vorzügliche Kartoffeln; die besten, hier "blanke" genannt,
kommen aus dem "großen Moos," wo in der pulverigen Torfmoorcrde fast
nichts andres gezogen werden kann, während als meistverbreitcte Speisekartoffeln
die sogenannten Daberscheu dienen, eine rote, zum Branntweinbrennen sehr vor¬
zügliche, sonst freilich etwas rauhe Kartoffel. Die feinen Kartoffelsorten
des Westens, so die "Mäuse" u. ni., sind unbekannt. Auch sonst vermißt man
manches, was in West- und Mitteldeutschland angenehme Abwechslung in die


Dstpreußische Skizzen.

abgekommen ist, so ist doch die Überflutung eines Gutshauses mit allen Guts¬
herren von weit und breit her zu Jagdzwecken auch heute noch keine Seltenheit.
Da geht es denn freilich hoch her, und es giebt keine üblere Nachrede als
die einer schlechten Verpflegung von Jagdgästen — gewisse Leute wissen davon
zu erzählen. Eigentümlicherweise hat trotz dieser Bedeutung', welche die hohe
Jagd für Ostpreußen immer noch besitzt, der „Jagdschaden" hier nur eine unter¬
geordnete Wichtigkeit, und die Hetzereien wegen des Jagdgesetzes haben daher
auch hier niemals ernsthafte Beachtung gefunden. Der Grund dürfte einesteils
in der großen Menge natürlicher Jagdgrenzcn (Seen und dergleichen), andern-
teils darin zu suchen sein, daß bei der Größe der Güter diejenigen Gutsherren,
welche in Betracht kommen können, schon im eignen Interesse dafür sorgen,
einen übermäßigen Wildstand nicht aufkommen zu lassen. Auch ist die Zahl
derjenigen Gutsherren, welche lieber die größten Opfer an Entschädigungen,
Einzäunungskosten :c. bringen, als daß sie sich ihre Jagdfrendcn einschränken
lassen, immerhin so ansehnlich, daß sich schon hierdurch in Ostpreußen stets eine
kulante Praxis in Abfindung des Wildschadens ausbilden konnte.

Außer der Jagdzeit ist es still auf den Gütern, doch reißen die Besuche
selten ganz ab. An große Reisen denken die wenigsten Gutsfamilien; man ist
durchgehendes zufrieden, hie und da einmal einen kleinen Ausflug nach Königs¬
berg, mit Theaterbesuch und dergleichen, machen zu könne» und freut sich königlich,
wenn ans irgendeinem Anlasse in einem nicht zu entfernten Städtchen einmal
ein Ball nrrangirt wird. An einer gewissen Einförmigkeit des Lebens ist also
nicht vorbeizukommen. Freilich sind Küche und Keller gut bestellt. Da die
meisten doch etwas Schafzucht treiben, so fehlt es ihnen selten an dem äußerst
vorzüglichen Fleisch der hiesigen Lämmer und Hammel, und „was ein Schwein
geben kaun," das ist ja auch immer bei der Hand. Mit Gemüsen ist es
weniger gut bestellt, da der Gartenbau immer uoch sehr zu wünschen übrig
läßt und manches (so weiße Rüben) in auffallender Weise vernachlässigt zu sein
scheint; aber Erbsen sind da, nicht nur die uns bekannten, sondern namentlich
auch die berühmten „grauen" ostpreußischen Erbsen, eine sehr massive, eckige,
dickschalige Frucht, die aber in der gehörigen Weise (z. B. mit Specksauce) zu¬
bereitet, ausgezeichnet schmeckt und einem ostpreußischen Magen auch vor¬
züglich bekommt. Außerhalb Ostpreußens gedeiht sie nicht, und selbst hier muß
die Saat immer aus einer bestimmten Gegend bezogen werden, sonst artet sie aus.
Ebenso verfügt man über vorzügliche Kartoffeln; die besten, hier „blanke" genannt,
kommen aus dem „großen Moos," wo in der pulverigen Torfmoorcrde fast
nichts andres gezogen werden kann, während als meistverbreitcte Speisekartoffeln
die sogenannten Daberscheu dienen, eine rote, zum Branntweinbrennen sehr vor¬
zügliche, sonst freilich etwas rauhe Kartoffel. Die feinen Kartoffelsorten
des Westens, so die „Mäuse" u. ni., sind unbekannt. Auch sonst vermißt man
manches, was in West- und Mitteldeutschland angenehme Abwechslung in die


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[0562] Dstpreußische Skizzen. abgekommen ist, so ist doch die Überflutung eines Gutshauses mit allen Guts¬ herren von weit und breit her zu Jagdzwecken auch heute noch keine Seltenheit. Da geht es denn freilich hoch her, und es giebt keine üblere Nachrede als die einer schlechten Verpflegung von Jagdgästen — gewisse Leute wissen davon zu erzählen. Eigentümlicherweise hat trotz dieser Bedeutung', welche die hohe Jagd für Ostpreußen immer noch besitzt, der „Jagdschaden" hier nur eine unter¬ geordnete Wichtigkeit, und die Hetzereien wegen des Jagdgesetzes haben daher auch hier niemals ernsthafte Beachtung gefunden. Der Grund dürfte einesteils in der großen Menge natürlicher Jagdgrenzcn (Seen und dergleichen), andern- teils darin zu suchen sein, daß bei der Größe der Güter diejenigen Gutsherren, welche in Betracht kommen können, schon im eignen Interesse dafür sorgen, einen übermäßigen Wildstand nicht aufkommen zu lassen. Auch ist die Zahl derjenigen Gutsherren, welche lieber die größten Opfer an Entschädigungen, Einzäunungskosten :c. bringen, als daß sie sich ihre Jagdfrendcn einschränken lassen, immerhin so ansehnlich, daß sich schon hierdurch in Ostpreußen stets eine kulante Praxis in Abfindung des Wildschadens ausbilden konnte. Außer der Jagdzeit ist es still auf den Gütern, doch reißen die Besuche selten ganz ab. An große Reisen denken die wenigsten Gutsfamilien; man ist durchgehendes zufrieden, hie und da einmal einen kleinen Ausflug nach Königs¬ berg, mit Theaterbesuch und dergleichen, machen zu könne» und freut sich königlich, wenn ans irgendeinem Anlasse in einem nicht zu entfernten Städtchen einmal ein Ball nrrangirt wird. An einer gewissen Einförmigkeit des Lebens ist also nicht vorbeizukommen. Freilich sind Küche und Keller gut bestellt. Da die meisten doch etwas Schafzucht treiben, so fehlt es ihnen selten an dem äußerst vorzüglichen Fleisch der hiesigen Lämmer und Hammel, und „was ein Schwein geben kaun," das ist ja auch immer bei der Hand. Mit Gemüsen ist es weniger gut bestellt, da der Gartenbau immer uoch sehr zu wünschen übrig läßt und manches (so weiße Rüben) in auffallender Weise vernachlässigt zu sein scheint; aber Erbsen sind da, nicht nur die uns bekannten, sondern namentlich auch die berühmten „grauen" ostpreußischen Erbsen, eine sehr massive, eckige, dickschalige Frucht, die aber in der gehörigen Weise (z. B. mit Specksauce) zu¬ bereitet, ausgezeichnet schmeckt und einem ostpreußischen Magen auch vor¬ züglich bekommt. Außerhalb Ostpreußens gedeiht sie nicht, und selbst hier muß die Saat immer aus einer bestimmten Gegend bezogen werden, sonst artet sie aus. Ebenso verfügt man über vorzügliche Kartoffeln; die besten, hier „blanke" genannt, kommen aus dem „großen Moos," wo in der pulverigen Torfmoorcrde fast nichts andres gezogen werden kann, während als meistverbreitcte Speisekartoffeln die sogenannten Daberscheu dienen, eine rote, zum Branntweinbrennen sehr vor¬ zügliche, sonst freilich etwas rauhe Kartoffel. Die feinen Kartoffelsorten des Westens, so die „Mäuse" u. ni., sind unbekannt. Auch sonst vermißt man manches, was in West- und Mitteldeutschland angenehme Abwechslung in die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/562>, abgerufen am 22.07.2024.