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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

Die habe ich noch, und deshalb, du hast es getroffen, gab ich dir den Ab¬
schied. Aber wie soll ich je über den Berg hinüberkommen, der mich von Flo-
rida Buonacolsi trennt? Ich habe geschworen -- doch das, unterbrach er sich,
ist mein und ihr Geheimnis. Genug, Hindernisse unübersteiglicher Art trennen
uns noch. Dennoch ist mein künftiges Leben der Einlösung jenes meines Wortes
geweiht. Hinüber muß ich. Wann aber werde ich es vollbracht haben? Das
wissen nur die Götter.

Euer Gnaden, hob Beppo von neuem an, nachdem sein Herr das Zimmer
wieder in großen Schritten durchmessen hatte, ich habe Euch etwas abzubitten.

Nicht nur etwas, dächte ich, aber laß gut sein.

Euer Gnaden verstehen mich falsch. Wollte ich auf alle meine großen und
kleinen Mängel zu spreche,, kommen, die Ihr mit soviel Nachsicht ertrüge, so
müßte ich mich anders ausdrücken, denn ich betrachte sie keineswegs als etwas
Geringfügiges. Was ich noch auf dein Herzen hatte, war etwas andres, freilich
auch nichts Geringfügiges, aber etwas, von dem Ihr keine Ahnung haben könnt,
und das mich deshalb schwerer drückt, als alle meine sonstigen Streiche.

Beppo, sagte Giuseppe Gonzaga, indem er die Augen drohend rollte, keine
neue Windbeutelei! Du bist ein Fuchs in Schafkleidern; weiß Gott, wo du
das gelernt hast. Also ohne Umschweife: beichte und nimm meine Absolution
mit auf den Weg, denn ich fühlte mich schon ein gut Teil besser und ernster,
als dn heute Morgen von mir auf Nimmerwiedersehen entlassen worden warst,
und ich will und muß deiner Nähe endgiltig los und ledig sein.

Er nahm eine gläserne Sanduhr vom Kaminsims, kehrte sie um, wies auf
das sofort beginnende Verrinnen des Sandes hin und bedeutete dem Entlassener,
mit dem Verrinnen des letzten Sandkorns habe auch diese letzte ihm bewilligte
Audienz ein Ende.

Ich werde mich ganz kurz fassen, Euer Gnaden, sagte Beppo, indem er
verlegen niederbückte; gebt mir also Absolution für die folgende Schlechtigkeit:
ich wollte Euch vorhin nötigen, mir ein Leids anzuthun, deshalb reizte ich Euch.

Ist das alles? Ich frage nur, weil der Sand im Glase schon nahezu ver¬
ronnen ist.

Hätte ich das Genick gebrochen, fuhr Beppo niederblickend fort, so war ich
von meinem nichtswürdigen Hange zur Flasche, gegen den ich zeitlebens ver¬
gebens angekämpft habe, für immer kurirt, an Euch aber hätte ich dann mein
Mütchen in empfindlicher Weise gekühlt gehabt, denn Ihr habt noch keinem Men¬
schen das Lebenslicht ausgeblasen, und ich weiß, gnädiger Herr, Ihr hättet bis
ans Ende Eurer Tage daran zu tragen gehabt.

Du irrst, Beppo, sagte Giuseppe, obschon ihn ein Schauder überlief, du
hast dir zu oft die Grillen mit meinem Weine verscheucht, ich hätte zu mir ge¬
sagt: der Schlingel hat sein Leben genossen, und damit hätte ich --

Nicht doch, gnädiger Herr.


Um eine Perle.

Die habe ich noch, und deshalb, du hast es getroffen, gab ich dir den Ab¬
schied. Aber wie soll ich je über den Berg hinüberkommen, der mich von Flo-
rida Buonacolsi trennt? Ich habe geschworen — doch das, unterbrach er sich,
ist mein und ihr Geheimnis. Genug, Hindernisse unübersteiglicher Art trennen
uns noch. Dennoch ist mein künftiges Leben der Einlösung jenes meines Wortes
geweiht. Hinüber muß ich. Wann aber werde ich es vollbracht haben? Das
wissen nur die Götter.

Euer Gnaden, hob Beppo von neuem an, nachdem sein Herr das Zimmer
wieder in großen Schritten durchmessen hatte, ich habe Euch etwas abzubitten.

Nicht nur etwas, dächte ich, aber laß gut sein.

Euer Gnaden verstehen mich falsch. Wollte ich auf alle meine großen und
kleinen Mängel zu spreche,, kommen, die Ihr mit soviel Nachsicht ertrüge, so
müßte ich mich anders ausdrücken, denn ich betrachte sie keineswegs als etwas
Geringfügiges. Was ich noch auf dein Herzen hatte, war etwas andres, freilich
auch nichts Geringfügiges, aber etwas, von dem Ihr keine Ahnung haben könnt,
und das mich deshalb schwerer drückt, als alle meine sonstigen Streiche.

Beppo, sagte Giuseppe Gonzaga, indem er die Augen drohend rollte, keine
neue Windbeutelei! Du bist ein Fuchs in Schafkleidern; weiß Gott, wo du
das gelernt hast. Also ohne Umschweife: beichte und nimm meine Absolution
mit auf den Weg, denn ich fühlte mich schon ein gut Teil besser und ernster,
als dn heute Morgen von mir auf Nimmerwiedersehen entlassen worden warst,
und ich will und muß deiner Nähe endgiltig los und ledig sein.

Er nahm eine gläserne Sanduhr vom Kaminsims, kehrte sie um, wies auf
das sofort beginnende Verrinnen des Sandes hin und bedeutete dem Entlassener,
mit dem Verrinnen des letzten Sandkorns habe auch diese letzte ihm bewilligte
Audienz ein Ende.

Ich werde mich ganz kurz fassen, Euer Gnaden, sagte Beppo, indem er
verlegen niederbückte; gebt mir also Absolution für die folgende Schlechtigkeit:
ich wollte Euch vorhin nötigen, mir ein Leids anzuthun, deshalb reizte ich Euch.

Ist das alles? Ich frage nur, weil der Sand im Glase schon nahezu ver¬
ronnen ist.

Hätte ich das Genick gebrochen, fuhr Beppo niederblickend fort, so war ich
von meinem nichtswürdigen Hange zur Flasche, gegen den ich zeitlebens ver¬
gebens angekämpft habe, für immer kurirt, an Euch aber hätte ich dann mein
Mütchen in empfindlicher Weise gekühlt gehabt, denn Ihr habt noch keinem Men¬
schen das Lebenslicht ausgeblasen, und ich weiß, gnädiger Herr, Ihr hättet bis
ans Ende Eurer Tage daran zu tragen gehabt.

Du irrst, Beppo, sagte Giuseppe, obschon ihn ein Schauder überlief, du
hast dir zu oft die Grillen mit meinem Weine verscheucht, ich hätte zu mir ge¬
sagt: der Schlingel hat sein Leben genossen, und damit hätte ich —

Nicht doch, gnädiger Herr.


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[0055] Um eine Perle. Die habe ich noch, und deshalb, du hast es getroffen, gab ich dir den Ab¬ schied. Aber wie soll ich je über den Berg hinüberkommen, der mich von Flo- rida Buonacolsi trennt? Ich habe geschworen — doch das, unterbrach er sich, ist mein und ihr Geheimnis. Genug, Hindernisse unübersteiglicher Art trennen uns noch. Dennoch ist mein künftiges Leben der Einlösung jenes meines Wortes geweiht. Hinüber muß ich. Wann aber werde ich es vollbracht haben? Das wissen nur die Götter. Euer Gnaden, hob Beppo von neuem an, nachdem sein Herr das Zimmer wieder in großen Schritten durchmessen hatte, ich habe Euch etwas abzubitten. Nicht nur etwas, dächte ich, aber laß gut sein. Euer Gnaden verstehen mich falsch. Wollte ich auf alle meine großen und kleinen Mängel zu spreche,, kommen, die Ihr mit soviel Nachsicht ertrüge, so müßte ich mich anders ausdrücken, denn ich betrachte sie keineswegs als etwas Geringfügiges. Was ich noch auf dein Herzen hatte, war etwas andres, freilich auch nichts Geringfügiges, aber etwas, von dem Ihr keine Ahnung haben könnt, und das mich deshalb schwerer drückt, als alle meine sonstigen Streiche. Beppo, sagte Giuseppe Gonzaga, indem er die Augen drohend rollte, keine neue Windbeutelei! Du bist ein Fuchs in Schafkleidern; weiß Gott, wo du das gelernt hast. Also ohne Umschweife: beichte und nimm meine Absolution mit auf den Weg, denn ich fühlte mich schon ein gut Teil besser und ernster, als dn heute Morgen von mir auf Nimmerwiedersehen entlassen worden warst, und ich will und muß deiner Nähe endgiltig los und ledig sein. Er nahm eine gläserne Sanduhr vom Kaminsims, kehrte sie um, wies auf das sofort beginnende Verrinnen des Sandes hin und bedeutete dem Entlassener, mit dem Verrinnen des letzten Sandkorns habe auch diese letzte ihm bewilligte Audienz ein Ende. Ich werde mich ganz kurz fassen, Euer Gnaden, sagte Beppo, indem er verlegen niederbückte; gebt mir also Absolution für die folgende Schlechtigkeit: ich wollte Euch vorhin nötigen, mir ein Leids anzuthun, deshalb reizte ich Euch. Ist das alles? Ich frage nur, weil der Sand im Glase schon nahezu ver¬ ronnen ist. Hätte ich das Genick gebrochen, fuhr Beppo niederblickend fort, so war ich von meinem nichtswürdigen Hange zur Flasche, gegen den ich zeitlebens ver¬ gebens angekämpft habe, für immer kurirt, an Euch aber hätte ich dann mein Mütchen in empfindlicher Weise gekühlt gehabt, denn Ihr habt noch keinem Men¬ schen das Lebenslicht ausgeblasen, und ich weiß, gnädiger Herr, Ihr hättet bis ans Ende Eurer Tage daran zu tragen gehabt. Du irrst, Beppo, sagte Giuseppe, obschon ihn ein Schauder überlief, du hast dir zu oft die Grillen mit meinem Weine verscheucht, ich hätte zu mir ge¬ sagt: der Schlingel hat sein Leben genossen, und damit hätte ich — Nicht doch, gnädiger Herr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/55>, abgerufen am 22.07.2024.