Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Um eine perle. Roman von Robert IValdmüller (Gd. Duboc). (Fortsetzung.)

ut doch wollte Floridas freudige Erregung nicht nachlassen, und
doch blieb sie ans den Knieen. Sie gedachte der Worte der
heiligen Agatha: Du sahest oft Engel ans Erden, ohne es zu
ahnen. Sie dienen, gleichviel wie und wann, den Zwecken der
höchsten Liebe. Und es war ihr, als thue sie dem armen
Blinden Unrecht, wenn sie ihn für zu irdisch halte, um deu Zwecken der höchsten
Liebe dienen zu dürfen. Und es war ihr nicht minder, als sei von ihm und
seinem geduldigen Ausharren durch die Worte seiner Mutter etwas Tröstliches,
Stärkendes, Heiligendes ans sie selbst übergegangen, und sie hatte ein Gefühl,
als liege das Schwerste mit jenem schriftlichen Widerrufe hinter ihr, und als
werde der Bogen ihrer Kraft nicht bis zum Zerbrechen gespannt werden.

Mit festerem Schritte als seit manchem Tage, wenn auch todmüde, legte
sie den Weg nach dem düstern Palazzo Passerino zurück, und Enfemia, welche
besorgten Blickes mit der Laterne an dem kleinen Pförtchen harrte, machte
beim Anblick der von eigentümlicher Klarheit überstrahlten Miene ihrer Herrin
große Augen.

Sie hatte eine Menge Trostgründe den Tag über zusammengesucht, mit
deuen sie ihrer armen Herrin das Herz zu erleichtern willens gewesen war,
aber diese, noch unter dem berückenden Bann ihrer heutigen wechselvollen Er¬
lebnisse stehend, lehnte mit sanftem Worte jedes Gespräch ab, und mit besorgtem
Kopfschütteln leuchtete Eufemia der für ihr Pvsteuslehen ihr gütig Dankenden
treppcm.

D un Mirg.vo1o! sagte in der Mühle des heiligen Petrus die Matrone zu
ihrem Sohne, als beide sich in langem Zwiegespräche über die geheimnisvoll
erschienene und verschwundene Fremde den Kopf genug zerbrochen hatten,




Um eine perle. Roman von Robert IValdmüller (Gd. Duboc). (Fortsetzung.)

ut doch wollte Floridas freudige Erregung nicht nachlassen, und
doch blieb sie ans den Knieen. Sie gedachte der Worte der
heiligen Agatha: Du sahest oft Engel ans Erden, ohne es zu
ahnen. Sie dienen, gleichviel wie und wann, den Zwecken der
höchsten Liebe. Und es war ihr, als thue sie dem armen
Blinden Unrecht, wenn sie ihn für zu irdisch halte, um deu Zwecken der höchsten
Liebe dienen zu dürfen. Und es war ihr nicht minder, als sei von ihm und
seinem geduldigen Ausharren durch die Worte seiner Mutter etwas Tröstliches,
Stärkendes, Heiligendes ans sie selbst übergegangen, und sie hatte ein Gefühl,
als liege das Schwerste mit jenem schriftlichen Widerrufe hinter ihr, und als
werde der Bogen ihrer Kraft nicht bis zum Zerbrechen gespannt werden.

Mit festerem Schritte als seit manchem Tage, wenn auch todmüde, legte
sie den Weg nach dem düstern Palazzo Passerino zurück, und Enfemia, welche
besorgten Blickes mit der Laterne an dem kleinen Pförtchen harrte, machte
beim Anblick der von eigentümlicher Klarheit überstrahlten Miene ihrer Herrin
große Augen.

Sie hatte eine Menge Trostgründe den Tag über zusammengesucht, mit
deuen sie ihrer armen Herrin das Herz zu erleichtern willens gewesen war,
aber diese, noch unter dem berückenden Bann ihrer heutigen wechselvollen Er¬
lebnisse stehend, lehnte mit sanftem Worte jedes Gespräch ab, und mit besorgtem
Kopfschütteln leuchtete Eufemia der für ihr Pvsteuslehen ihr gütig Dankenden
treppcm.

D un Mirg.vo1o! sagte in der Mühle des heiligen Petrus die Matrone zu
ihrem Sohne, als beide sich in langem Zwiegespräche über die geheimnisvoll
erschienene und verschwundene Fremde den Kopf genug zerbrochen hatten,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0537" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195926"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341841_195390/figures/grenzboten_341841_195390_195926_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Um eine perle. <note type="byline"> Roman von Robert IValdmüller (Gd. Duboc).</note> (Fortsetzung.) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1876"> ut doch wollte Floridas freudige Erregung nicht nachlassen, und<lb/>
doch blieb sie ans den Knieen. Sie gedachte der Worte der<lb/>
heiligen Agatha: Du sahest oft Engel ans Erden, ohne es zu<lb/>
ahnen. Sie dienen, gleichviel wie und wann, den Zwecken der<lb/>
höchsten Liebe. Und es war ihr, als thue sie dem armen<lb/>
Blinden Unrecht, wenn sie ihn für zu irdisch halte, um deu Zwecken der höchsten<lb/>
Liebe dienen zu dürfen. Und es war ihr nicht minder, als sei von ihm und<lb/>
seinem geduldigen Ausharren durch die Worte seiner Mutter etwas Tröstliches,<lb/>
Stärkendes, Heiligendes ans sie selbst übergegangen, und sie hatte ein Gefühl,<lb/>
als liege das Schwerste mit jenem schriftlichen Widerrufe hinter ihr, und als<lb/>
werde der Bogen ihrer Kraft nicht bis zum Zerbrechen gespannt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1877"> Mit festerem Schritte als seit manchem Tage, wenn auch todmüde, legte<lb/>
sie den Weg nach dem düstern Palazzo Passerino zurück, und Enfemia, welche<lb/>
besorgten Blickes mit der Laterne an dem kleinen Pförtchen harrte, machte<lb/>
beim Anblick der von eigentümlicher Klarheit überstrahlten Miene ihrer Herrin<lb/>
große Augen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1878"> Sie hatte eine Menge Trostgründe den Tag über zusammengesucht, mit<lb/>
deuen sie ihrer armen Herrin das Herz zu erleichtern willens gewesen war,<lb/>
aber diese, noch unter dem berückenden Bann ihrer heutigen wechselvollen Er¬<lb/>
lebnisse stehend, lehnte mit sanftem Worte jedes Gespräch ab, und mit besorgtem<lb/>
Kopfschütteln leuchtete Eufemia der für ihr Pvsteuslehen ihr gütig Dankenden<lb/>
treppcm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1879" next="#ID_1880"> D un Mirg.vo1o! sagte in der Mühle des heiligen Petrus die Matrone zu<lb/>
ihrem Sohne, als beide sich in langem Zwiegespräche über die geheimnisvoll<lb/>
erschienene und verschwundene Fremde den Kopf genug zerbrochen hatten,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0537] [Abbildung] Um eine perle. Roman von Robert IValdmüller (Gd. Duboc). (Fortsetzung.) ut doch wollte Floridas freudige Erregung nicht nachlassen, und doch blieb sie ans den Knieen. Sie gedachte der Worte der heiligen Agatha: Du sahest oft Engel ans Erden, ohne es zu ahnen. Sie dienen, gleichviel wie und wann, den Zwecken der höchsten Liebe. Und es war ihr, als thue sie dem armen Blinden Unrecht, wenn sie ihn für zu irdisch halte, um deu Zwecken der höchsten Liebe dienen zu dürfen. Und es war ihr nicht minder, als sei von ihm und seinem geduldigen Ausharren durch die Worte seiner Mutter etwas Tröstliches, Stärkendes, Heiligendes ans sie selbst übergegangen, und sie hatte ein Gefühl, als liege das Schwerste mit jenem schriftlichen Widerrufe hinter ihr, und als werde der Bogen ihrer Kraft nicht bis zum Zerbrechen gespannt werden. Mit festerem Schritte als seit manchem Tage, wenn auch todmüde, legte sie den Weg nach dem düstern Palazzo Passerino zurück, und Enfemia, welche besorgten Blickes mit der Laterne an dem kleinen Pförtchen harrte, machte beim Anblick der von eigentümlicher Klarheit überstrahlten Miene ihrer Herrin große Augen. Sie hatte eine Menge Trostgründe den Tag über zusammengesucht, mit deuen sie ihrer armen Herrin das Herz zu erleichtern willens gewesen war, aber diese, noch unter dem berückenden Bann ihrer heutigen wechselvollen Er¬ lebnisse stehend, lehnte mit sanftem Worte jedes Gespräch ab, und mit besorgtem Kopfschütteln leuchtete Eufemia der für ihr Pvsteuslehen ihr gütig Dankenden treppcm. D un Mirg.vo1o! sagte in der Mühle des heiligen Petrus die Matrone zu ihrem Sohne, als beide sich in langem Zwiegespräche über die geheimnisvoll erschienene und verschwundene Fremde den Kopf genug zerbrochen hatten,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/537
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/537>, abgerufen am 22.07.2024.