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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

gemacht; geh zu deiner Eminenz zurück; wir sind für Zeit und Ewigkeit ge¬
schieden.

Immer sollen die Diener großer Herren an den tollen Streichen dieser
großen Herren schuld sein, sagte Beppo.

Geh, geh!

Wären die großen Herren nicht, wie sie eben sind, so wären auch ihre
Diener nicht, wie sie eben sind.

Mag sein. Geh aber, geh.

Man schilt immer, wir dienten nur um unsers Vorteils willen, Anhäng¬
lichkeit habe seit der Sündflut nicht mehr bestanden. Ich bin ein Beweis vom
Gegenteil. Ihr jagt mich wie einen kranken Hund aus dem Hause. Und ich
bettle aus Anhänglichkeit: Nehmt Euer Geschenk wieder zurück, gnädiger Herr,
und behaltet mich in Euerm Dienst.

Du hast die Grauschimmel noch nicht vertrunken? spottete Giuseppe; so
thue es heute Abend und ertränke deine Anhänglichkeit an mich in dem besten
Weine, den der Cappellowirt auf Flaschen liegen hat. Hier, er warf ihm seine
Börse zu, und nun kein Wort mehr.

Aber Beppo war so leicht nicht abzuweisen. Die Börse seines Herrn hatte
sich immer als eine ergiebige Fundgrube bewährt. War er nur erst wieder die
rechte Hand des leichtsinnigen Giuseppe Gonzaga, so konnte er auch wie bisher
von Zeit zu Zeit in die Börse desselben hineingreifen. Überdies hatte er
aber in der That Anhänglichkeit und er war Willens, ehe er seinen letzten
Trumpf -- die bewußte Neuigkeit -- ausspielte, seinen Herrn womöglich erst
gründlich in den Harnisch zu bringen, da hinterdrein sich weit bester mit ihm
reden ließ.

Gnädiger Herr, sagte er daher, indem er die ihm zugeworfene Börse auf
den Tisch legte -- der Auftritt spielte in dem sogenannten roten Schlosse der
Veroneser Gonzagas, zunächst der Piazza Signori --, jetzt, aber Ihr habt
Euch nicht als Christ gegen mich benommen.

Das nimm zurück, Schurke, fuhr Giuseppe auf.

Wie könnte ich das?

Auf der Stelle, oder du fliegst durch dieses Fenster auf die Gasse.

Meinetwegen, Euer Gnaden! sagte Beppo mit verstockter Miene. Ich habe
mehr als einmal für Euch meinen Hals riskirt. Die Leute draußen mögen
sehen, auf welche Art große Herren danken.

Giuseppe geriet außer sich. Ich habe also nicht als Christ gegen dich
gehandelt? rief er, blaß vor Wut, nicht als Christ sagtest du, nicht als Christ?

Das waren meine Worte.

Und du bleibst dabei? Elender Schacher!

Euer Gnaden, bestand Beppo auf seinem Kopf, ich kann nicht anders. Ein
Herr, der seinen schon dem Trunk ergebner Diener zuruft: Vertrinke für dies


Um eine Perle.

gemacht; geh zu deiner Eminenz zurück; wir sind für Zeit und Ewigkeit ge¬
schieden.

Immer sollen die Diener großer Herren an den tollen Streichen dieser
großen Herren schuld sein, sagte Beppo.

Geh, geh!

Wären die großen Herren nicht, wie sie eben sind, so wären auch ihre
Diener nicht, wie sie eben sind.

Mag sein. Geh aber, geh.

Man schilt immer, wir dienten nur um unsers Vorteils willen, Anhäng¬
lichkeit habe seit der Sündflut nicht mehr bestanden. Ich bin ein Beweis vom
Gegenteil. Ihr jagt mich wie einen kranken Hund aus dem Hause. Und ich
bettle aus Anhänglichkeit: Nehmt Euer Geschenk wieder zurück, gnädiger Herr,
und behaltet mich in Euerm Dienst.

Du hast die Grauschimmel noch nicht vertrunken? spottete Giuseppe; so
thue es heute Abend und ertränke deine Anhänglichkeit an mich in dem besten
Weine, den der Cappellowirt auf Flaschen liegen hat. Hier, er warf ihm seine
Börse zu, und nun kein Wort mehr.

Aber Beppo war so leicht nicht abzuweisen. Die Börse seines Herrn hatte
sich immer als eine ergiebige Fundgrube bewährt. War er nur erst wieder die
rechte Hand des leichtsinnigen Giuseppe Gonzaga, so konnte er auch wie bisher
von Zeit zu Zeit in die Börse desselben hineingreifen. Überdies hatte er
aber in der That Anhänglichkeit und er war Willens, ehe er seinen letzten
Trumpf — die bewußte Neuigkeit — ausspielte, seinen Herrn womöglich erst
gründlich in den Harnisch zu bringen, da hinterdrein sich weit bester mit ihm
reden ließ.

Gnädiger Herr, sagte er daher, indem er die ihm zugeworfene Börse auf
den Tisch legte — der Auftritt spielte in dem sogenannten roten Schlosse der
Veroneser Gonzagas, zunächst der Piazza Signori —, jetzt, aber Ihr habt
Euch nicht als Christ gegen mich benommen.

Das nimm zurück, Schurke, fuhr Giuseppe auf.

Wie könnte ich das?

Auf der Stelle, oder du fliegst durch dieses Fenster auf die Gasse.

Meinetwegen, Euer Gnaden! sagte Beppo mit verstockter Miene. Ich habe
mehr als einmal für Euch meinen Hals riskirt. Die Leute draußen mögen
sehen, auf welche Art große Herren danken.

Giuseppe geriet außer sich. Ich habe also nicht als Christ gegen dich
gehandelt? rief er, blaß vor Wut, nicht als Christ sagtest du, nicht als Christ?

Das waren meine Worte.

Und du bleibst dabei? Elender Schacher!

Euer Gnaden, bestand Beppo auf seinem Kopf, ich kann nicht anders. Ein
Herr, der seinen schon dem Trunk ergebner Diener zuruft: Vertrinke für dies


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[0053] Um eine Perle. gemacht; geh zu deiner Eminenz zurück; wir sind für Zeit und Ewigkeit ge¬ schieden. Immer sollen die Diener großer Herren an den tollen Streichen dieser großen Herren schuld sein, sagte Beppo. Geh, geh! Wären die großen Herren nicht, wie sie eben sind, so wären auch ihre Diener nicht, wie sie eben sind. Mag sein. Geh aber, geh. Man schilt immer, wir dienten nur um unsers Vorteils willen, Anhäng¬ lichkeit habe seit der Sündflut nicht mehr bestanden. Ich bin ein Beweis vom Gegenteil. Ihr jagt mich wie einen kranken Hund aus dem Hause. Und ich bettle aus Anhänglichkeit: Nehmt Euer Geschenk wieder zurück, gnädiger Herr, und behaltet mich in Euerm Dienst. Du hast die Grauschimmel noch nicht vertrunken? spottete Giuseppe; so thue es heute Abend und ertränke deine Anhänglichkeit an mich in dem besten Weine, den der Cappellowirt auf Flaschen liegen hat. Hier, er warf ihm seine Börse zu, und nun kein Wort mehr. Aber Beppo war so leicht nicht abzuweisen. Die Börse seines Herrn hatte sich immer als eine ergiebige Fundgrube bewährt. War er nur erst wieder die rechte Hand des leichtsinnigen Giuseppe Gonzaga, so konnte er auch wie bisher von Zeit zu Zeit in die Börse desselben hineingreifen. Überdies hatte er aber in der That Anhänglichkeit und er war Willens, ehe er seinen letzten Trumpf — die bewußte Neuigkeit — ausspielte, seinen Herrn womöglich erst gründlich in den Harnisch zu bringen, da hinterdrein sich weit bester mit ihm reden ließ. Gnädiger Herr, sagte er daher, indem er die ihm zugeworfene Börse auf den Tisch legte — der Auftritt spielte in dem sogenannten roten Schlosse der Veroneser Gonzagas, zunächst der Piazza Signori —, jetzt, aber Ihr habt Euch nicht als Christ gegen mich benommen. Das nimm zurück, Schurke, fuhr Giuseppe auf. Wie könnte ich das? Auf der Stelle, oder du fliegst durch dieses Fenster auf die Gasse. Meinetwegen, Euer Gnaden! sagte Beppo mit verstockter Miene. Ich habe mehr als einmal für Euch meinen Hals riskirt. Die Leute draußen mögen sehen, auf welche Art große Herren danken. Giuseppe geriet außer sich. Ich habe also nicht als Christ gegen dich gehandelt? rief er, blaß vor Wut, nicht als Christ sagtest du, nicht als Christ? Das waren meine Worte. Und du bleibst dabei? Elender Schacher! Euer Gnaden, bestand Beppo auf seinem Kopf, ich kann nicht anders. Ein Herr, der seinen schon dem Trunk ergebner Diener zuruft: Vertrinke für dies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/53>, abgerufen am 22.07.2024.