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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Zur Beruhigung in der lvährungsfrage.

rate jetzt aus den" entwerteten Silber wieder neue Münzen mit Zwangskurs
zu prägen, ist für uns eine starke Zumutung. Deutschland hat seinen Haupt-
bestand an Silber, wenn auch mit einem Verlust von über vierzig Millionen
Mark, doch noch verhältnismäßig gut verkauft und sollte nun mit aber¬
maligem Verlust Einkäufe machen? Ob dadurch der Wert des Silbers einiger¬
maßen gehoben würde, ist sehr unsicher, was aber sicher durch eine Neuprägung
gesetzlicher Zahlmittel aus Silber eintritt, ist: das Verschwinden unsrer Gold¬
münzen, die natürlich eingeschmolzen oder im Auslande gegen das billigere
Silber zum Lösen der Schuldverpflichtungen umgetauscht werden würden. Die
Freigabe der Silberpräguug, sodaß jedermann sein Silber in der Münze prägen
lassen könnte, würde der Sache die Krone aufsetzen.

Da bei uns Silber einfach Waare ist, so kann uns sein Billigerwerden
gleichgiltig sein, vorausgesetzt, daß uus nicht durch eine Nebenwirkung andre
Länder mit ihren Produkten, namentlich mit Getreide, überschwemmen. Es
führt uns dies auf das zweite Hauptbedeuken der Vimetallisten gegen unsre
Goldwährung. Wenn wirklich ein Heruntergehen der Valuta auf die Dauer
die Ausfuhr eines Landes begünstigte und die Einfuhr erschwerte, so wäre nicht
etwa der Zustand der Silberwähruug, sondern folgerichtig der der Papier¬
währung das für uns zu erstrebende Ziel. Wie kommt es dann aber, daß
einerseits Österreich-Ungarn und Nußland uus uicht schon seit Jahrzehnten unter
der Herrschaft ihres entwerteten Papiergeldes die gefährlichste Konkurrenz in
der Getreideproduktion gemacht haben, und daß andrerseits auch die Landwirt¬
schaft der Länder mit Doppelwährung, besonders Frankreichs, dieselben Klage¬
lieder anstimme? Hier müssen andre Ursachen zugrunde liegen. Es wurde
schon oben erwähnt, daß der Staat auf die Dauer den Preis einer Waare uicht
festsetzen kaun. Wenn nun die Zahlungsmittel im Werte sinken, so steigen natur¬
gemäß die Preise aller Dinge, und wenn das auch nicht sofort gleichmäßig ge¬
schieht, da erfahrungsmäßig der Arbeitslohn langsamer folgt, so findet doch
sicher im Verlaufe der Zeit eine Ausgleichung statt. Es wäre sonderbar und
sehr zu beklagen, wenn der Arbeitslohn dauernd allein gedrückt bliebe. Jene
Länder aber produziren billiger als wir, begünstigt durch Boden, Klima und
eine bedürfnislose Arbeiterbevölkerung. Nehmen wir z. V. Indien, so wächst
dort der beste weiße Weizen, und die Arbeiter leben tagsüber von einer Hand¬
voll Reis; Kleidung, Wohnung, Heizung und sonstige Lebensbedürfnisse er¬
fordern in jenem warmen Klima sehr geringen Aufwand. Nun kommt noch
in den letzten zehn Jahren dazu die Erleichterung des Transports durch Eisen,
bahnen, Kanäle und Dampfschiffe, wodurch der Transport nicht nur beschleunigt,
sondern sein Risiko und seine Kosten ungemein vermindert werden. Wie die
Eisenbahnen die Rente des landwirtschaftlich benutzten Bodens in der Nähe einer
großen Stadt zu gunsten der Provinz heruntersetzen, indem sie das Angebot
der Produkte vermehren, die sonst auf der Achse herbeigeschafft werden müßten,


Zur Beruhigung in der lvährungsfrage.

rate jetzt aus den« entwerteten Silber wieder neue Münzen mit Zwangskurs
zu prägen, ist für uns eine starke Zumutung. Deutschland hat seinen Haupt-
bestand an Silber, wenn auch mit einem Verlust von über vierzig Millionen
Mark, doch noch verhältnismäßig gut verkauft und sollte nun mit aber¬
maligem Verlust Einkäufe machen? Ob dadurch der Wert des Silbers einiger¬
maßen gehoben würde, ist sehr unsicher, was aber sicher durch eine Neuprägung
gesetzlicher Zahlmittel aus Silber eintritt, ist: das Verschwinden unsrer Gold¬
münzen, die natürlich eingeschmolzen oder im Auslande gegen das billigere
Silber zum Lösen der Schuldverpflichtungen umgetauscht werden würden. Die
Freigabe der Silberpräguug, sodaß jedermann sein Silber in der Münze prägen
lassen könnte, würde der Sache die Krone aufsetzen.

Da bei uns Silber einfach Waare ist, so kann uns sein Billigerwerden
gleichgiltig sein, vorausgesetzt, daß uus nicht durch eine Nebenwirkung andre
Länder mit ihren Produkten, namentlich mit Getreide, überschwemmen. Es
führt uns dies auf das zweite Hauptbedeuken der Vimetallisten gegen unsre
Goldwährung. Wenn wirklich ein Heruntergehen der Valuta auf die Dauer
die Ausfuhr eines Landes begünstigte und die Einfuhr erschwerte, so wäre nicht
etwa der Zustand der Silberwähruug, sondern folgerichtig der der Papier¬
währung das für uns zu erstrebende Ziel. Wie kommt es dann aber, daß
einerseits Österreich-Ungarn und Nußland uus uicht schon seit Jahrzehnten unter
der Herrschaft ihres entwerteten Papiergeldes die gefährlichste Konkurrenz in
der Getreideproduktion gemacht haben, und daß andrerseits auch die Landwirt¬
schaft der Länder mit Doppelwährung, besonders Frankreichs, dieselben Klage¬
lieder anstimme? Hier müssen andre Ursachen zugrunde liegen. Es wurde
schon oben erwähnt, daß der Staat auf die Dauer den Preis einer Waare uicht
festsetzen kaun. Wenn nun die Zahlungsmittel im Werte sinken, so steigen natur¬
gemäß die Preise aller Dinge, und wenn das auch nicht sofort gleichmäßig ge¬
schieht, da erfahrungsmäßig der Arbeitslohn langsamer folgt, so findet doch
sicher im Verlaufe der Zeit eine Ausgleichung statt. Es wäre sonderbar und
sehr zu beklagen, wenn der Arbeitslohn dauernd allein gedrückt bliebe. Jene
Länder aber produziren billiger als wir, begünstigt durch Boden, Klima und
eine bedürfnislose Arbeiterbevölkerung. Nehmen wir z. V. Indien, so wächst
dort der beste weiße Weizen, und die Arbeiter leben tagsüber von einer Hand¬
voll Reis; Kleidung, Wohnung, Heizung und sonstige Lebensbedürfnisse er¬
fordern in jenem warmen Klima sehr geringen Aufwand. Nun kommt noch
in den letzten zehn Jahren dazu die Erleichterung des Transports durch Eisen,
bahnen, Kanäle und Dampfschiffe, wodurch der Transport nicht nur beschleunigt,
sondern sein Risiko und seine Kosten ungemein vermindert werden. Wie die
Eisenbahnen die Rente des landwirtschaftlich benutzten Bodens in der Nähe einer
großen Stadt zu gunsten der Provinz heruntersetzen, indem sie das Angebot
der Produkte vermehren, die sonst auf der Achse herbeigeschafft werden müßten,


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[0460] Zur Beruhigung in der lvährungsfrage. rate jetzt aus den« entwerteten Silber wieder neue Münzen mit Zwangskurs zu prägen, ist für uns eine starke Zumutung. Deutschland hat seinen Haupt- bestand an Silber, wenn auch mit einem Verlust von über vierzig Millionen Mark, doch noch verhältnismäßig gut verkauft und sollte nun mit aber¬ maligem Verlust Einkäufe machen? Ob dadurch der Wert des Silbers einiger¬ maßen gehoben würde, ist sehr unsicher, was aber sicher durch eine Neuprägung gesetzlicher Zahlmittel aus Silber eintritt, ist: das Verschwinden unsrer Gold¬ münzen, die natürlich eingeschmolzen oder im Auslande gegen das billigere Silber zum Lösen der Schuldverpflichtungen umgetauscht werden würden. Die Freigabe der Silberpräguug, sodaß jedermann sein Silber in der Münze prägen lassen könnte, würde der Sache die Krone aufsetzen. Da bei uns Silber einfach Waare ist, so kann uns sein Billigerwerden gleichgiltig sein, vorausgesetzt, daß uus nicht durch eine Nebenwirkung andre Länder mit ihren Produkten, namentlich mit Getreide, überschwemmen. Es führt uns dies auf das zweite Hauptbedeuken der Vimetallisten gegen unsre Goldwährung. Wenn wirklich ein Heruntergehen der Valuta auf die Dauer die Ausfuhr eines Landes begünstigte und die Einfuhr erschwerte, so wäre nicht etwa der Zustand der Silberwähruug, sondern folgerichtig der der Papier¬ währung das für uns zu erstrebende Ziel. Wie kommt es dann aber, daß einerseits Österreich-Ungarn und Nußland uus uicht schon seit Jahrzehnten unter der Herrschaft ihres entwerteten Papiergeldes die gefährlichste Konkurrenz in der Getreideproduktion gemacht haben, und daß andrerseits auch die Landwirt¬ schaft der Länder mit Doppelwährung, besonders Frankreichs, dieselben Klage¬ lieder anstimme? Hier müssen andre Ursachen zugrunde liegen. Es wurde schon oben erwähnt, daß der Staat auf die Dauer den Preis einer Waare uicht festsetzen kaun. Wenn nun die Zahlungsmittel im Werte sinken, so steigen natur¬ gemäß die Preise aller Dinge, und wenn das auch nicht sofort gleichmäßig ge¬ schieht, da erfahrungsmäßig der Arbeitslohn langsamer folgt, so findet doch sicher im Verlaufe der Zeit eine Ausgleichung statt. Es wäre sonderbar und sehr zu beklagen, wenn der Arbeitslohn dauernd allein gedrückt bliebe. Jene Länder aber produziren billiger als wir, begünstigt durch Boden, Klima und eine bedürfnislose Arbeiterbevölkerung. Nehmen wir z. V. Indien, so wächst dort der beste weiße Weizen, und die Arbeiter leben tagsüber von einer Hand¬ voll Reis; Kleidung, Wohnung, Heizung und sonstige Lebensbedürfnisse er¬ fordern in jenem warmen Klima sehr geringen Aufwand. Nun kommt noch in den letzten zehn Jahren dazu die Erleichterung des Transports durch Eisen, bahnen, Kanäle und Dampfschiffe, wodurch der Transport nicht nur beschleunigt, sondern sein Risiko und seine Kosten ungemein vermindert werden. Wie die Eisenbahnen die Rente des landwirtschaftlich benutzten Bodens in der Nähe einer großen Stadt zu gunsten der Provinz heruntersetzen, indem sie das Angebot der Produkte vermehren, die sonst auf der Achse herbeigeschafft werden müßten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/460>, abgerufen am 22.07.2024.