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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Zur Beruhigung in der Mährungsfrcige.

markte ließ aber einen Übergang zur Doppel- oder zur Goldwährung wünschens¬
wert erscheinen, und, da die französische Kriegskosteneutschädigung uns eine
ausreichende Menge Gold brachte, so konnte mit Recht bei der allseitig geforderten
einheitlichen Mnnzrcform die Goldwährung angestrebt werden. Ganz vollständig
ist dieselbe noch nicht ins Leben getreten, weil man nach dem Münzgesetz den
Silberthalern bis zu ihrer völligen Einziehung noch die gesetzliche Zahlkraft
beließ. Die neuausgcprägten Fünfmark-, Zweimark-, Einmark-, Fünfzigpfennig-
und Zwanzigpfennigstücke sind dagegen als Scheidemünze geringhaltiger aus¬
geprägt worden. Durch das Fallen des Silberprcises (von 1 :15 auf 1:18)
konnte aber das Silber, soweit es nicht zur Scheidemünze Verwendung fand,
nur mit großem Verlust verkauft werden, weshalb seit Mai 1879 die Thaler¬
einziehung und die Silberverkäufe von der Neichsregiernng eingestellt wurden.
Von den ursprünglich vorhandenen 1200 Millionen Mark in Silberthalern sind
noch 300 bis 400 Millionen Mark im Umlauf geblieben. Diese geringe Menge,
im Vergleich zu den noch zirkulirenden Goldmünzen von 1500 bis 1700 Millionen
Mark (es sind etwa zwei Milliarden Mark in Gold ausgeprägt worden), kann
letztere entschieden nicht aus dem Umlauf verdrängen und bildet in Krisen anch
keine Gefahr, weil der Silberwert des Thalers immer noch ungefähr 2 Mark
50 Pf, beträgt. Ein wohlbegründeter Ruhm Preußens ist es, die Papiergcldaus-
gabe stets so beschränkt ausgeübt zu haben, daß eher das Bedürfnis nach Papiergeld
unbefriedigt blieb, als daß ein Sinken seines Kurses dauernd hätte stattfinden können.

Wie schädlich eine unmäßige Ausgabe von Papiergeld mit Zwangskurs
ist, sieht man an den Nachbarstaaten: Rußland, Österreich und selbst Italien,
Der Silberrubel Rußlands hatte einen Wert von 3,22 Mark, ist aber durch
den Papierrubel vollständig ans dem Verkehr gekommen, und letzterer ist im Werte
auf 2,08 Mark gesunken. Durch das Sinken der Valuta sind sämtliche Gläubiger
um die Differenz ärmer geworden. Desgleichen ist der österreichische Silber-
guldcn und der Theresienthaler aus dem Jnlandsverlehre Österreichs durch den
Papiergulden ganz verdrängt, und letzterer hat nicht mehr den Kurs von
2 Mark, sondern nur von 1,66 Mark, vom weitern Heruntergehen der Valuta
ganz abgesehen.

Wer in Italien reist, staunt nicht nur über die unbequemer Kupfermünzen
von der Größe und Schwere eines Einmark- und Zweimarkstückes, welche
5 oder 10 Ceutesimi (8 Pf.) gelten, sondern noch viel mehr über die Papier¬
läppchen von 1 und 2 Liren (Franks Ä 80 Pf.), von denen 500 Millionen
kursiren, welche ausschließlich als Zahlungsmittel dienen und deren man für
100 Mark nicht 125, sondern 145 an jeder Bank einwechseln kann. Es ist
dabei gleich, ob man 100 Mark in Gold oder einen Hundertmarkschein giebt,
der Kredit Deutschlands steht im Auslande anf der höchsten Stufe. Diese
Staate" möchte" gerne ihre Valuta wiederherstellen und beneiden uns um
unser schönes Goldgelb nud um das wohlgeordnete Münzwesen überhaupt.


GrmzbotmII. 1885. S7
Zur Beruhigung in der Mährungsfrcige.

markte ließ aber einen Übergang zur Doppel- oder zur Goldwährung wünschens¬
wert erscheinen, und, da die französische Kriegskosteneutschädigung uns eine
ausreichende Menge Gold brachte, so konnte mit Recht bei der allseitig geforderten
einheitlichen Mnnzrcform die Goldwährung angestrebt werden. Ganz vollständig
ist dieselbe noch nicht ins Leben getreten, weil man nach dem Münzgesetz den
Silberthalern bis zu ihrer völligen Einziehung noch die gesetzliche Zahlkraft
beließ. Die neuausgcprägten Fünfmark-, Zweimark-, Einmark-, Fünfzigpfennig-
und Zwanzigpfennigstücke sind dagegen als Scheidemünze geringhaltiger aus¬
geprägt worden. Durch das Fallen des Silberprcises (von 1 :15 auf 1:18)
konnte aber das Silber, soweit es nicht zur Scheidemünze Verwendung fand,
nur mit großem Verlust verkauft werden, weshalb seit Mai 1879 die Thaler¬
einziehung und die Silberverkäufe von der Neichsregiernng eingestellt wurden.
Von den ursprünglich vorhandenen 1200 Millionen Mark in Silberthalern sind
noch 300 bis 400 Millionen Mark im Umlauf geblieben. Diese geringe Menge,
im Vergleich zu den noch zirkulirenden Goldmünzen von 1500 bis 1700 Millionen
Mark (es sind etwa zwei Milliarden Mark in Gold ausgeprägt worden), kann
letztere entschieden nicht aus dem Umlauf verdrängen und bildet in Krisen anch
keine Gefahr, weil der Silberwert des Thalers immer noch ungefähr 2 Mark
50 Pf, beträgt. Ein wohlbegründeter Ruhm Preußens ist es, die Papiergcldaus-
gabe stets so beschränkt ausgeübt zu haben, daß eher das Bedürfnis nach Papiergeld
unbefriedigt blieb, als daß ein Sinken seines Kurses dauernd hätte stattfinden können.

Wie schädlich eine unmäßige Ausgabe von Papiergeld mit Zwangskurs
ist, sieht man an den Nachbarstaaten: Rußland, Österreich und selbst Italien,
Der Silberrubel Rußlands hatte einen Wert von 3,22 Mark, ist aber durch
den Papierrubel vollständig ans dem Verkehr gekommen, und letzterer ist im Werte
auf 2,08 Mark gesunken. Durch das Sinken der Valuta sind sämtliche Gläubiger
um die Differenz ärmer geworden. Desgleichen ist der österreichische Silber-
guldcn und der Theresienthaler aus dem Jnlandsverlehre Österreichs durch den
Papiergulden ganz verdrängt, und letzterer hat nicht mehr den Kurs von
2 Mark, sondern nur von 1,66 Mark, vom weitern Heruntergehen der Valuta
ganz abgesehen.

Wer in Italien reist, staunt nicht nur über die unbequemer Kupfermünzen
von der Größe und Schwere eines Einmark- und Zweimarkstückes, welche
5 oder 10 Ceutesimi (8 Pf.) gelten, sondern noch viel mehr über die Papier¬
läppchen von 1 und 2 Liren (Franks Ä 80 Pf.), von denen 500 Millionen
kursiren, welche ausschließlich als Zahlungsmittel dienen und deren man für
100 Mark nicht 125, sondern 145 an jeder Bank einwechseln kann. Es ist
dabei gleich, ob man 100 Mark in Gold oder einen Hundertmarkschein giebt,
der Kredit Deutschlands steht im Auslande anf der höchsten Stufe. Diese
Staate» möchte» gerne ihre Valuta wiederherstellen und beneiden uns um
unser schönes Goldgelb nud um das wohlgeordnete Münzwesen überhaupt.


GrmzbotmII. 1885. S7
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[0454] Zur Beruhigung in der Mährungsfrcige. markte ließ aber einen Übergang zur Doppel- oder zur Goldwährung wünschens¬ wert erscheinen, und, da die französische Kriegskosteneutschädigung uns eine ausreichende Menge Gold brachte, so konnte mit Recht bei der allseitig geforderten einheitlichen Mnnzrcform die Goldwährung angestrebt werden. Ganz vollständig ist dieselbe noch nicht ins Leben getreten, weil man nach dem Münzgesetz den Silberthalern bis zu ihrer völligen Einziehung noch die gesetzliche Zahlkraft beließ. Die neuausgcprägten Fünfmark-, Zweimark-, Einmark-, Fünfzigpfennig- und Zwanzigpfennigstücke sind dagegen als Scheidemünze geringhaltiger aus¬ geprägt worden. Durch das Fallen des Silberprcises (von 1 :15 auf 1:18) konnte aber das Silber, soweit es nicht zur Scheidemünze Verwendung fand, nur mit großem Verlust verkauft werden, weshalb seit Mai 1879 die Thaler¬ einziehung und die Silberverkäufe von der Neichsregiernng eingestellt wurden. Von den ursprünglich vorhandenen 1200 Millionen Mark in Silberthalern sind noch 300 bis 400 Millionen Mark im Umlauf geblieben. Diese geringe Menge, im Vergleich zu den noch zirkulirenden Goldmünzen von 1500 bis 1700 Millionen Mark (es sind etwa zwei Milliarden Mark in Gold ausgeprägt worden), kann letztere entschieden nicht aus dem Umlauf verdrängen und bildet in Krisen anch keine Gefahr, weil der Silberwert des Thalers immer noch ungefähr 2 Mark 50 Pf, beträgt. Ein wohlbegründeter Ruhm Preußens ist es, die Papiergcldaus- gabe stets so beschränkt ausgeübt zu haben, daß eher das Bedürfnis nach Papiergeld unbefriedigt blieb, als daß ein Sinken seines Kurses dauernd hätte stattfinden können. Wie schädlich eine unmäßige Ausgabe von Papiergeld mit Zwangskurs ist, sieht man an den Nachbarstaaten: Rußland, Österreich und selbst Italien, Der Silberrubel Rußlands hatte einen Wert von 3,22 Mark, ist aber durch den Papierrubel vollständig ans dem Verkehr gekommen, und letzterer ist im Werte auf 2,08 Mark gesunken. Durch das Sinken der Valuta sind sämtliche Gläubiger um die Differenz ärmer geworden. Desgleichen ist der österreichische Silber- guldcn und der Theresienthaler aus dem Jnlandsverlehre Österreichs durch den Papiergulden ganz verdrängt, und letzterer hat nicht mehr den Kurs von 2 Mark, sondern nur von 1,66 Mark, vom weitern Heruntergehen der Valuta ganz abgesehen. Wer in Italien reist, staunt nicht nur über die unbequemer Kupfermünzen von der Größe und Schwere eines Einmark- und Zweimarkstückes, welche 5 oder 10 Ceutesimi (8 Pf.) gelten, sondern noch viel mehr über die Papier¬ läppchen von 1 und 2 Liren (Franks Ä 80 Pf.), von denen 500 Millionen kursiren, welche ausschließlich als Zahlungsmittel dienen und deren man für 100 Mark nicht 125, sondern 145 an jeder Bank einwechseln kann. Es ist dabei gleich, ob man 100 Mark in Gold oder einen Hundertmarkschein giebt, der Kredit Deutschlands steht im Auslande anf der höchsten Stufe. Diese Staate» möchte» gerne ihre Valuta wiederherstellen und beneiden uns um unser schönes Goldgelb nud um das wohlgeordnete Münzwesen überhaupt. GrmzbotmII. 1885. S7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/454>, abgerufen am 22.07.2024.