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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Das neue Königreich in Afrika.

Menschheit von epochemachender Wichtigkeit erblicken, da sie nicht durch das
Schwert, sondern durch die friedliche Arbeit von Reisenden mit Missions-- und
Handelszwecken, durch Abgesandte von Zcitungsbcsitzern, kluge Staatsmänner vor¬
bereitet worden ist. Der Doppeltitel "König von Spanien und beider Indien"
kostete Ströme von Blut, und die Reihe von Umwälzungen im Osten, aus der
zuletzt die Würde einer "Kaiserin von Hind" sich entwickelte, kam durchaus nicht
wohlfeiler zu stehen. Das Kongothal dagegen ist durch Mittel und Kräfte erobert
worden, wie sie bis jetzt auf dem Gebiete überseeischer Politik nicht üblich waren.
Die Mündung des großen afrikanischen Stromes wurde 1485, also gerade vor
vierhundert Jahren, von Diego Cam, einen zum Hofstaate Dom Jaos des
Zweiten von Portugal gehörigen Seeoffizier, entdeckt. Weiter flußaufwärts
blieben die Ufer des "Mocnsi Nsaddi," wie der Kongo in der Sprache der Ein-
gebornen heißt, bis tief in unser Jahrhundert hinein Geheimnis, da die 1816
von der englischen Regierung zu ihrer Erforschung ausgesandte Expedition fehl¬
schlug. 1866 brach der Missionär Livingstone zu seiner letzten großen Reise
auf, um nach der Wasserscheide zwischen dem Njassa- und Tanganjikasee zu
suchen, und im folgenden Jahre stieß er ans einen mächtigen, nach Westen
strömenden Fluß, der seine Quellen im Tschibalegcbirge im Lande Mcnnbwe hatte,
und in welchem er den obern Nil entdeckt zu haben meinte. Dieser Fluß hieß
bei den Bewohnern seiner Ufer Tschcimbesi, ergoß sich in den Bangweolvsee und
nahm, nachdem er denselben unter dem Namen Lnapula wieder verlassen, seinen
Lauf nach Norden, wo er in dein Moerosee verschwand, aber nur, um aus
demselben als Lualuba abermals weiter zu strömen. Zuletzt sah Livingstone den
jetzt schon sehr wasserreichen Fluß zu Ujangwe im Reiche Manjnema, welches
ungefähr 2090 Kilometer von der Quelle entfernt ist. Zur Vervollständigung
dieser Entdeckungen ging unter Stanleys Führung eine Expedition ab, die von"
IvlöMÄxb. in London und vom Aso ?prie ÜLi^Ja abgesandt wurde und
im November 1876 von der arabischen Stadt Njcmgwe aufbrach, um den Fluß bis
hinab zum Meere weiter zu untersuchen. Etwa zehn Monate später erreichte sie,
nachdem sie 2500 Kilometer zu Wasser und 213 Kilometer am Ufer zurückgelegt,
den Atlantischen Ozean und die Stelle, wo Diego Cam den Kongo entdeckt
hatte. Tschambesi, Luapula, Lualuba und Kongo waren, wie sich jetzt ergab, ein
und derselbe Strom. Es war eine Entdeckung von großer Tragweite. Das Ver¬
dienst, deren Ausbeutung für die zivilisirte Welt angebahnt zu haben, gebührt
dem Könige der Belgier, welcher dem Werke seinen persönlichen Einfluß zuwandte
und es mit seinen finanziellen Kräften unterstützte. Er setzte sich mit Stanley, zunächst
durch Kommissare, dann direkt, in Verbindung, das Komitee für das Studium
des obern Kongo trat unter seiner Ägide zusammen, Stanley ging auf Kosten
des Königs zum drittenmale nach Afrika, und es entstand die Internationale
Gesellschaft, welche durch Abschluß von Verträgen mit Häuptlingen des Kongo¬
beckens und durch Anlegung von Stationen und Verkehrswegen zu Wasser und


Das neue Königreich in Afrika.

Menschheit von epochemachender Wichtigkeit erblicken, da sie nicht durch das
Schwert, sondern durch die friedliche Arbeit von Reisenden mit Missions-- und
Handelszwecken, durch Abgesandte von Zcitungsbcsitzern, kluge Staatsmänner vor¬
bereitet worden ist. Der Doppeltitel „König von Spanien und beider Indien"
kostete Ströme von Blut, und die Reihe von Umwälzungen im Osten, aus der
zuletzt die Würde einer „Kaiserin von Hind" sich entwickelte, kam durchaus nicht
wohlfeiler zu stehen. Das Kongothal dagegen ist durch Mittel und Kräfte erobert
worden, wie sie bis jetzt auf dem Gebiete überseeischer Politik nicht üblich waren.
Die Mündung des großen afrikanischen Stromes wurde 1485, also gerade vor
vierhundert Jahren, von Diego Cam, einen zum Hofstaate Dom Jaos des
Zweiten von Portugal gehörigen Seeoffizier, entdeckt. Weiter flußaufwärts
blieben die Ufer des „Mocnsi Nsaddi," wie der Kongo in der Sprache der Ein-
gebornen heißt, bis tief in unser Jahrhundert hinein Geheimnis, da die 1816
von der englischen Regierung zu ihrer Erforschung ausgesandte Expedition fehl¬
schlug. 1866 brach der Missionär Livingstone zu seiner letzten großen Reise
auf, um nach der Wasserscheide zwischen dem Njassa- und Tanganjikasee zu
suchen, und im folgenden Jahre stieß er ans einen mächtigen, nach Westen
strömenden Fluß, der seine Quellen im Tschibalegcbirge im Lande Mcnnbwe hatte,
und in welchem er den obern Nil entdeckt zu haben meinte. Dieser Fluß hieß
bei den Bewohnern seiner Ufer Tschcimbesi, ergoß sich in den Bangweolvsee und
nahm, nachdem er denselben unter dem Namen Lnapula wieder verlassen, seinen
Lauf nach Norden, wo er in dein Moerosee verschwand, aber nur, um aus
demselben als Lualuba abermals weiter zu strömen. Zuletzt sah Livingstone den
jetzt schon sehr wasserreichen Fluß zu Ujangwe im Reiche Manjnema, welches
ungefähr 2090 Kilometer von der Quelle entfernt ist. Zur Vervollständigung
dieser Entdeckungen ging unter Stanleys Führung eine Expedition ab, die von«
IvlöMÄxb. in London und vom Aso ?prie ÜLi^Ja abgesandt wurde und
im November 1876 von der arabischen Stadt Njcmgwe aufbrach, um den Fluß bis
hinab zum Meere weiter zu untersuchen. Etwa zehn Monate später erreichte sie,
nachdem sie 2500 Kilometer zu Wasser und 213 Kilometer am Ufer zurückgelegt,
den Atlantischen Ozean und die Stelle, wo Diego Cam den Kongo entdeckt
hatte. Tschambesi, Luapula, Lualuba und Kongo waren, wie sich jetzt ergab, ein
und derselbe Strom. Es war eine Entdeckung von großer Tragweite. Das Ver¬
dienst, deren Ausbeutung für die zivilisirte Welt angebahnt zu haben, gebührt
dem Könige der Belgier, welcher dem Werke seinen persönlichen Einfluß zuwandte
und es mit seinen finanziellen Kräften unterstützte. Er setzte sich mit Stanley, zunächst
durch Kommissare, dann direkt, in Verbindung, das Komitee für das Studium
des obern Kongo trat unter seiner Ägide zusammen, Stanley ging auf Kosten
des Königs zum drittenmale nach Afrika, und es entstand die Internationale
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beckens und durch Anlegung von Stationen und Verkehrswegen zu Wasser und


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[0391] Das neue Königreich in Afrika. Menschheit von epochemachender Wichtigkeit erblicken, da sie nicht durch das Schwert, sondern durch die friedliche Arbeit von Reisenden mit Missions-- und Handelszwecken, durch Abgesandte von Zcitungsbcsitzern, kluge Staatsmänner vor¬ bereitet worden ist. Der Doppeltitel „König von Spanien und beider Indien" kostete Ströme von Blut, und die Reihe von Umwälzungen im Osten, aus der zuletzt die Würde einer „Kaiserin von Hind" sich entwickelte, kam durchaus nicht wohlfeiler zu stehen. Das Kongothal dagegen ist durch Mittel und Kräfte erobert worden, wie sie bis jetzt auf dem Gebiete überseeischer Politik nicht üblich waren. Die Mündung des großen afrikanischen Stromes wurde 1485, also gerade vor vierhundert Jahren, von Diego Cam, einen zum Hofstaate Dom Jaos des Zweiten von Portugal gehörigen Seeoffizier, entdeckt. Weiter flußaufwärts blieben die Ufer des „Mocnsi Nsaddi," wie der Kongo in der Sprache der Ein- gebornen heißt, bis tief in unser Jahrhundert hinein Geheimnis, da die 1816 von der englischen Regierung zu ihrer Erforschung ausgesandte Expedition fehl¬ schlug. 1866 brach der Missionär Livingstone zu seiner letzten großen Reise auf, um nach der Wasserscheide zwischen dem Njassa- und Tanganjikasee zu suchen, und im folgenden Jahre stieß er ans einen mächtigen, nach Westen strömenden Fluß, der seine Quellen im Tschibalegcbirge im Lande Mcnnbwe hatte, und in welchem er den obern Nil entdeckt zu haben meinte. Dieser Fluß hieß bei den Bewohnern seiner Ufer Tschcimbesi, ergoß sich in den Bangweolvsee und nahm, nachdem er denselben unter dem Namen Lnapula wieder verlassen, seinen Lauf nach Norden, wo er in dein Moerosee verschwand, aber nur, um aus demselben als Lualuba abermals weiter zu strömen. Zuletzt sah Livingstone den jetzt schon sehr wasserreichen Fluß zu Ujangwe im Reiche Manjnema, welches ungefähr 2090 Kilometer von der Quelle entfernt ist. Zur Vervollständigung dieser Entdeckungen ging unter Stanleys Führung eine Expedition ab, die von« IvlöMÄxb. in London und vom Aso ?prie ÜLi^Ja abgesandt wurde und im November 1876 von der arabischen Stadt Njcmgwe aufbrach, um den Fluß bis hinab zum Meere weiter zu untersuchen. Etwa zehn Monate später erreichte sie, nachdem sie 2500 Kilometer zu Wasser und 213 Kilometer am Ufer zurückgelegt, den Atlantischen Ozean und die Stelle, wo Diego Cam den Kongo entdeckt hatte. Tschambesi, Luapula, Lualuba und Kongo waren, wie sich jetzt ergab, ein und derselbe Strom. Es war eine Entdeckung von großer Tragweite. Das Ver¬ dienst, deren Ausbeutung für die zivilisirte Welt angebahnt zu haben, gebührt dem Könige der Belgier, welcher dem Werke seinen persönlichen Einfluß zuwandte und es mit seinen finanziellen Kräften unterstützte. Er setzte sich mit Stanley, zunächst durch Kommissare, dann direkt, in Verbindung, das Komitee für das Studium des obern Kongo trat unter seiner Ägide zusammen, Stanley ging auf Kosten des Königs zum drittenmale nach Afrika, und es entstand die Internationale Gesellschaft, welche durch Abschluß von Verträgen mit Häuptlingen des Kongo¬ beckens und durch Anlegung von Stationen und Verkehrswegen zu Wasser und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/391>, abgerufen am 22.07.2024.