Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Um eine perle. Serivano, als er eben die Feder neu eintauchte, um den Namen in Fraktur- Gebt her, stotterte Florida, der die Schrift vor den Augen schwamm. Er reichte dem Fräulein mit einer um Entschuldigung bittenden Hand¬ Aber vor Aufregung verspritzte sie nur den Tinteninhalt der Feder über schreibet statt meiner, rief sie. Auf dieses beschmutzte und schier unleserliehe Blatt? lehnte der Serivano Und er zerriß das Geschriebene, um gleich ein neues Papier aus seiner Setzt Euch, bat er; ich überteure Euch nicht. Mir war der erste große Es warm zum Niedersitzen nur die in der Mittagssonne glühenden Treppen¬ Mitleidig schüttelte der Alte den Kopf und schielte über seine Brille seit¬ Ja, mit dem Übereilen und dem Verschreiben! fuhr er langsam fort, indem Florida war mit ihren Gedanken weit weg. Laßt Euch Zeit, wiederholte Ihr seid die Herzensgüte in Person, dankte der alte Schreiber und hielt Während er darauf ohne weitem Unfall seine Kunst walten ließ, griff er Um eine perle. Serivano, als er eben die Feder neu eintauchte, um den Namen in Fraktur- Gebt her, stotterte Florida, der die Schrift vor den Augen schwamm. Er reichte dem Fräulein mit einer um Entschuldigung bittenden Hand¬ Aber vor Aufregung verspritzte sie nur den Tinteninhalt der Feder über schreibet statt meiner, rief sie. Auf dieses beschmutzte und schier unleserliehe Blatt? lehnte der Serivano Und er zerriß das Geschriebene, um gleich ein neues Papier aus seiner Setzt Euch, bat er; ich überteure Euch nicht. Mir war der erste große Es warm zum Niedersitzen nur die in der Mittagssonne glühenden Treppen¬ Mitleidig schüttelte der Alte den Kopf und schielte über seine Brille seit¬ Ja, mit dem Übereilen und dem Verschreiben! fuhr er langsam fort, indem Florida war mit ihren Gedanken weit weg. Laßt Euch Zeit, wiederholte Ihr seid die Herzensgüte in Person, dankte der alte Schreiber und hielt Während er darauf ohne weitem Unfall seine Kunst walten ließ, griff er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195772"/> <fw type="header" place="top"> Um eine perle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1324" prev="#ID_1323"> Serivano, als er eben die Feder neu eintauchte, um den Namen in Fraktur-<lb/> schrift darunterzusetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1325"> Gebt her, stotterte Florida, der die Schrift vor den Augen schwamm.</p><lb/> <p xml:id="ID_1326"> Er reichte dem Fräulein mit einer um Entschuldigung bittenden Hand¬<lb/> bewegung die tropfende Gänsefeder, und sie versuchte zu schreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1327"> Aber vor Aufregung verspritzte sie nur den Tinteninhalt der Feder über<lb/> das ganze Papier.</p><lb/> <p xml:id="ID_1328"> schreibet statt meiner, rief sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1329"> Auf dieses beschmutzte und schier unleserliehe Blatt? lehnte der Serivano<lb/> mit amtswürdigem Kopfschütteln ab; unmöglich, Signora!</p><lb/> <p xml:id="ID_1330"> Und er zerriß das Geschriebene, um gleich ein neues Papier aus seiner<lb/> ledernen Schreibunterlage hervorzuziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1331"> Setzt Euch, bat er; ich überteure Euch nicht. 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Umso-<lb/> besser, Signora, stimmte er bei; in meinen Jahren läßt man sich nicht gern<lb/> übereilen; es passirt einem sonst zu leicht, daß man sich verschreibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1334"> Ja, mit dem Übereilen und dem Verschreiben! fuhr er langsam fort, indem<lb/> er uach dem zerrissenen Konzepte den Widerruf in schonen Haar- und Schatten¬<lb/> strichen von neuem zu Papier zu bringen begann; es ist wahr, in der Jugend<lb/> geht einem nichts rasch genug, aber mit dein Hasten läuft denn anch gar manches<lb/> junge Blut dem Teufel in den Nachen. Habe ich Recht oder Unrecht, beste<lb/> Signora? Ihr verzeiht, unterbrach er sich und sah sich nach einem frischen<lb/> Bogen Papier um, aber die Gänse haben jetzt Federn, die weit leichter kleckse»,<lb/> als dies noch vor zehn, zwanzig Jahren der Fall war; ich muß wahrhaftig<lb/> noch einmal von neuem anfangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1335"> Florida war mit ihren Gedanken weit weg. 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Um eine perle.
Serivano, als er eben die Feder neu eintauchte, um den Namen in Fraktur-
schrift darunterzusetzen.
Gebt her, stotterte Florida, der die Schrift vor den Augen schwamm.
Er reichte dem Fräulein mit einer um Entschuldigung bittenden Hand¬
bewegung die tropfende Gänsefeder, und sie versuchte zu schreiben.
Aber vor Aufregung verspritzte sie nur den Tinteninhalt der Feder über
das ganze Papier.
schreibet statt meiner, rief sie.
Auf dieses beschmutzte und schier unleserliehe Blatt? lehnte der Serivano
mit amtswürdigem Kopfschütteln ab; unmöglich, Signora!
Und er zerriß das Geschriebene, um gleich ein neues Papier aus seiner
ledernen Schreibunterlage hervorzuziehen.
Setzt Euch, bat er; ich überteure Euch nicht. Mir war der erste große
Anfangsbuchstabe ohnehin schlecht geraten. Setzt Euch. Dem Schaden ist bald
abgeholfen.
Es warm zum Niedersitzen nur die in der Mittagssonne glühenden Treppen¬
stufen des alten Palazzo Berlotti zur Hand. Aber Florida setzte sich. Laßt
Euch Zeit, Vater, sagte sie und stützte die Ellbogen ans die Kniee und das
Gesicht in die Hände.
Mitleidig schüttelte der Alte den Kopf und schielte über seine Brille seit¬
wärts nach der wunderlich in ihrem Tempo wechselnden Kundin hinüber. Umso-
besser, Signora, stimmte er bei; in meinen Jahren läßt man sich nicht gern
übereilen; es passirt einem sonst zu leicht, daß man sich verschreibt.
Ja, mit dem Übereilen und dem Verschreiben! fuhr er langsam fort, indem
er uach dem zerrissenen Konzepte den Widerruf in schonen Haar- und Schatten¬
strichen von neuem zu Papier zu bringen begann; es ist wahr, in der Jugend
geht einem nichts rasch genug, aber mit dein Hasten läuft denn anch gar manches
junge Blut dem Teufel in den Nachen. Habe ich Recht oder Unrecht, beste
Signora? Ihr verzeiht, unterbrach er sich und sah sich nach einem frischen
Bogen Papier um, aber die Gänse haben jetzt Federn, die weit leichter kleckse»,
als dies noch vor zehn, zwanzig Jahren der Fall war; ich muß wahrhaftig
noch einmal von neuem anfangen.
Florida war mit ihren Gedanken weit weg. Laßt Euch Zeit, wiederholte
sie nur.
Ihr seid die Herzensgüte in Person, dankte der alte Schreiber und hielt
eine neue Feder, um ihren Spalt zu prüfen, gegen den Tag, zog sie dann be¬
friedigt durch den Mund, tauchte sie ein und begann, indem er sich den Text
des Diktats leise vorsprach, noch einmal: Signor Andrea . . .
Während er darauf ohne weitem Unfall seine Kunst walten ließ, griff er
mit allerlei Zwischenreden wieder auf die Jugend und ihre Übereilungen zurück
und wußte ohne Mühe den Übergang zu dem gewöhnlichen Thema seiner Unter-
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