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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Ausdrucksmittel der Bankunst.

rcichgestalteten Fassaden beinahe wie Entwürfe zu einem Luxusbau, bei dem
es sich vornehmlich um den Ausdruck einer festlichen Stimmung handelt.
Von dem Gebäude, in welchem das Reichsgericht seinen Sitz nimmt, wird
man vor allen? den Eindruck eines imposanten und strengen Ernstes er¬
warten. Soll es mit dem Reichstagsgebäude in Vergleich gebracht werden
-- eine Anzahl jener Entwürfe gab dazu besondern Anlaß --, so wird es nur
berechtigt erscheinen, wenn dieses den größeren Reichtum an glänzenden und
majestätischen Formen vor jenem voraushat; denn das Parlamentshans soll in
seiner monumentalen Erscheinung zunächst und vor allem ans die Größe und
Machtstellung des Reiches hindeute", dessen Vertreter sich in ihm versammeln.
Eine so reiche Formcnentfaltung, wie sie hier der Natur der Aufgabe entspricht,
würde mit der Bestimmung des Neichsgerichtsgebäudes nicht im Einklang stehen;
jeder Anschein des Pomphaften würde als scharfer Widerspruch gegen den Zweck
desselben empfunden werden. Als Sitz des obersten Nechtstribnnals erheischt
das Gebände den Ausdruck des Imposanten und Hoheitvvllen; zugleich aber
wird es als angemessen und dem Charakter des deutschen Richterstandes, den
Formen, in denen er seinen Beruf ausübt, als besonders entsprechend erscheinen,
wenn in dem Stil des Gebäudes eine ernste und strenge Einfachheit vorherrscht.
Das Imposante und Mächtige ist im künstlerischen Ausdruck mit einer solchen
Einfachheit wohl vereinbar.

Der mit dem ersten Preise gekrönte Entwurf hat vonseiten der Kritik sehr
starke Anfechtungen erfahren. Die praktischen Vorzüge des Grundrisses läßt
man gelten, aber die künstlerische Gestaltung des Äußern ist vielfach, namentlich
in jenem Grenzbvtenartikel als zu nüchtern, zu kahl bezeichnet worden, und
allerdings, die imposante Wirkung, die man nach dem Charakter der Aufgabe
verlangen muß, der große monumentale Zug fehlt dem EntWurfe. Gleichwohl
wird mau sagen können, daß dem Projekt in der allgemeinen künstlerischen
Tendenz, die sich auch in dem von den Urhebern gewählten Motto Lsvsrus an¬
kündigte, in der Richtung auf das Strenge, Ernste und Einfache eine richtigere
Auffassung der Aufgabe zugrunde liegt als manchem andern jener Entwürfe,
der den priimiirten an Glanz der künstlerischen Erfindung entschieden übertrifft.
Daß die Architektur in ihrer Formensprache sür den Ausdruck einer ernsten und
strengen Größe, wie er hier gefordert war, sehr wirkungsvolle Mittel besitzt,
braucht nicht besonders betont zu werden. Bis in die Einzelheiten des Baues
vermag sie diesen Ausdruck charakteristisch festzuhalten. Wie sie z. B. das Portal
eines weltlich heitern Palastes, das gewissermaßen zum Eintritt festlich einladen
soll, im Unterschied von dem einer Kirche charakteristisch zu gestalten imstande
ist, so würde sie auch dein Portal des Reichsgerichtsgebäudes eine künstlerische
Form geben können, die durch die Art der Verhältnisse, durch einfache, aber mäch¬
tige Profilirung der umschließenden Teile, durch Verbindung mit kraftvollen, straff
geformten Säulen, dem ernsten Charakter des ganzen Baues entsprechen würde.


Die Ausdrucksmittel der Bankunst.

rcichgestalteten Fassaden beinahe wie Entwürfe zu einem Luxusbau, bei dem
es sich vornehmlich um den Ausdruck einer festlichen Stimmung handelt.
Von dem Gebäude, in welchem das Reichsgericht seinen Sitz nimmt, wird
man vor allen? den Eindruck eines imposanten und strengen Ernstes er¬
warten. Soll es mit dem Reichstagsgebäude in Vergleich gebracht werden
— eine Anzahl jener Entwürfe gab dazu besondern Anlaß —, so wird es nur
berechtigt erscheinen, wenn dieses den größeren Reichtum an glänzenden und
majestätischen Formen vor jenem voraushat; denn das Parlamentshans soll in
seiner monumentalen Erscheinung zunächst und vor allem ans die Größe und
Machtstellung des Reiches hindeute», dessen Vertreter sich in ihm versammeln.
Eine so reiche Formcnentfaltung, wie sie hier der Natur der Aufgabe entspricht,
würde mit der Bestimmung des Neichsgerichtsgebäudes nicht im Einklang stehen;
jeder Anschein des Pomphaften würde als scharfer Widerspruch gegen den Zweck
desselben empfunden werden. Als Sitz des obersten Nechtstribnnals erheischt
das Gebände den Ausdruck des Imposanten und Hoheitvvllen; zugleich aber
wird es als angemessen und dem Charakter des deutschen Richterstandes, den
Formen, in denen er seinen Beruf ausübt, als besonders entsprechend erscheinen,
wenn in dem Stil des Gebäudes eine ernste und strenge Einfachheit vorherrscht.
Das Imposante und Mächtige ist im künstlerischen Ausdruck mit einer solchen
Einfachheit wohl vereinbar.

Der mit dem ersten Preise gekrönte Entwurf hat vonseiten der Kritik sehr
starke Anfechtungen erfahren. Die praktischen Vorzüge des Grundrisses läßt
man gelten, aber die künstlerische Gestaltung des Äußern ist vielfach, namentlich
in jenem Grenzbvtenartikel als zu nüchtern, zu kahl bezeichnet worden, und
allerdings, die imposante Wirkung, die man nach dem Charakter der Aufgabe
verlangen muß, der große monumentale Zug fehlt dem EntWurfe. Gleichwohl
wird mau sagen können, daß dem Projekt in der allgemeinen künstlerischen
Tendenz, die sich auch in dem von den Urhebern gewählten Motto Lsvsrus an¬
kündigte, in der Richtung auf das Strenge, Ernste und Einfache eine richtigere
Auffassung der Aufgabe zugrunde liegt als manchem andern jener Entwürfe,
der den priimiirten an Glanz der künstlerischen Erfindung entschieden übertrifft.
Daß die Architektur in ihrer Formensprache sür den Ausdruck einer ernsten und
strengen Größe, wie er hier gefordert war, sehr wirkungsvolle Mittel besitzt,
braucht nicht besonders betont zu werden. Bis in die Einzelheiten des Baues
vermag sie diesen Ausdruck charakteristisch festzuhalten. Wie sie z. B. das Portal
eines weltlich heitern Palastes, das gewissermaßen zum Eintritt festlich einladen
soll, im Unterschied von dem einer Kirche charakteristisch zu gestalten imstande
ist, so würde sie auch dein Portal des Reichsgerichtsgebäudes eine künstlerische
Form geben können, die durch die Art der Verhältnisse, durch einfache, aber mäch¬
tige Profilirung der umschließenden Teile, durch Verbindung mit kraftvollen, straff
geformten Säulen, dem ernsten Charakter des ganzen Baues entsprechen würde.


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[0371] Die Ausdrucksmittel der Bankunst. rcichgestalteten Fassaden beinahe wie Entwürfe zu einem Luxusbau, bei dem es sich vornehmlich um den Ausdruck einer festlichen Stimmung handelt. Von dem Gebäude, in welchem das Reichsgericht seinen Sitz nimmt, wird man vor allen? den Eindruck eines imposanten und strengen Ernstes er¬ warten. Soll es mit dem Reichstagsgebäude in Vergleich gebracht werden — eine Anzahl jener Entwürfe gab dazu besondern Anlaß —, so wird es nur berechtigt erscheinen, wenn dieses den größeren Reichtum an glänzenden und majestätischen Formen vor jenem voraushat; denn das Parlamentshans soll in seiner monumentalen Erscheinung zunächst und vor allem ans die Größe und Machtstellung des Reiches hindeute», dessen Vertreter sich in ihm versammeln. Eine so reiche Formcnentfaltung, wie sie hier der Natur der Aufgabe entspricht, würde mit der Bestimmung des Neichsgerichtsgebäudes nicht im Einklang stehen; jeder Anschein des Pomphaften würde als scharfer Widerspruch gegen den Zweck desselben empfunden werden. Als Sitz des obersten Nechtstribnnals erheischt das Gebände den Ausdruck des Imposanten und Hoheitvvllen; zugleich aber wird es als angemessen und dem Charakter des deutschen Richterstandes, den Formen, in denen er seinen Beruf ausübt, als besonders entsprechend erscheinen, wenn in dem Stil des Gebäudes eine ernste und strenge Einfachheit vorherrscht. Das Imposante und Mächtige ist im künstlerischen Ausdruck mit einer solchen Einfachheit wohl vereinbar. Der mit dem ersten Preise gekrönte Entwurf hat vonseiten der Kritik sehr starke Anfechtungen erfahren. Die praktischen Vorzüge des Grundrisses läßt man gelten, aber die künstlerische Gestaltung des Äußern ist vielfach, namentlich in jenem Grenzbvtenartikel als zu nüchtern, zu kahl bezeichnet worden, und allerdings, die imposante Wirkung, die man nach dem Charakter der Aufgabe verlangen muß, der große monumentale Zug fehlt dem EntWurfe. Gleichwohl wird mau sagen können, daß dem Projekt in der allgemeinen künstlerischen Tendenz, die sich auch in dem von den Urhebern gewählten Motto Lsvsrus an¬ kündigte, in der Richtung auf das Strenge, Ernste und Einfache eine richtigere Auffassung der Aufgabe zugrunde liegt als manchem andern jener Entwürfe, der den priimiirten an Glanz der künstlerischen Erfindung entschieden übertrifft. Daß die Architektur in ihrer Formensprache sür den Ausdruck einer ernsten und strengen Größe, wie er hier gefordert war, sehr wirkungsvolle Mittel besitzt, braucht nicht besonders betont zu werden. Bis in die Einzelheiten des Baues vermag sie diesen Ausdruck charakteristisch festzuhalten. Wie sie z. B. das Portal eines weltlich heitern Palastes, das gewissermaßen zum Eintritt festlich einladen soll, im Unterschied von dem einer Kirche charakteristisch zu gestalten imstande ist, so würde sie auch dein Portal des Reichsgerichtsgebäudes eine künstlerische Form geben können, die durch die Art der Verhältnisse, durch einfache, aber mäch¬ tige Profilirung der umschließenden Teile, durch Verbindung mit kraftvollen, straff geformten Säulen, dem ernsten Charakter des ganzen Baues entsprechen würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/371>, abgerufen am 22.07.2024.