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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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genjew wurde ihr getreuer Mitarbeiter, er schrieb den Text zu mehreren grö¬
ßeren Kompositionen der talentvollen Tvukünstlerin. Dieselben wurden fast aus¬
schließlich im Hause der Madame Viardvt an den berühmten musikalischen
Matineen und Soireen aufgeführt, die oft, wie L. Pietsch sagt, "ein Parquett
von Könige" und Fürsten" vereinigte". Gegen Ende der sechziger Jahre wurde
eine der Kompositionen der Frau Viardvt -- die Operette "Der letzte Zau¬
berer" -- am Weimarer Hoftheater zur Auffiihruug gebracht. Friedrich Liszt
hatte die Instrumentirung und Jnszeniruug besorgt, und mau hegte große Er¬
wartungen. "Ich sehe der Auffiihruug mit Ungeduld entgegen," schreibt Tur¬
genjew, der zum erstenmale als Librettist vor die Öffentlichkeit treten sollte, an
den Minister Miljutiu. "Wem? die Komposition Erfolg hat, kann sich für Ma¬
dame Viardvt eine neue glänzende Karriere eröffnen." Die Weimarer Auf¬
führung endete indessen mit einem Fiasko, und Frau Viardvt kehrte wieder
zur Romanze, Turgenjew zur Novelle zurück.

In den letzten fünfziger und den ersten sechziger Jahren hatte sich die bis
dahin kinderlose Familie Viardvt um drei reizende Sprößlinge -- Claudia, Paul
und Marianne -- vermehrt. Turgenjew spricht in seinen Briefen von diesen
Kindern der Fran Pauline Viardvt stets in Ausdrücken der Liebe und des
Entzückens. Im Jahre 1870 läßt er durch seinen Moskaner Freund Merslow
russische Eisenbahnaktien "für seine liebe Claudie Viardot" ankaufen, und als
Claudie sich Anfang 1874 verheiraten soll, verkauft Turgenjew eines seiner
Güter, Liubowscha, für 50 000 Rubel, die gleichfalls in Aktien auf den Namen
der Frau Viardot angelegt werden. "Ich schicke dir die Photographie meines
Lieblings Clandie," schreibt er am 5. Februar 1874 an seinen Freund Polonski.
"In zwei Wochen feiert sie ihre Hochzeit, ihr Zukünftiger heißt George Chamervt.
Obwohl er seines Glückes wert ist, muß man ihn doch um dasselbe beneiden."
Nach der Hochzeit schreibt er an Merslow: "Seit drei Tagen ist meine unver¬
gleichliche Didi verheiratet. Du kannst dir vorstellen, in was für Sorgen, in
welcher freudigen Aufregung ich mich die ganze Zeit hindurch befand. Die
beiden jungen Leute sind so glücklich, daß es wirklich belustigend ist, ihnen zu¬
zuschauen." Im Jahre 1875 giebt er in einem Briefe an Madame Miljutiu
seiner Stimmung in folgenden Worten Ausdruck: "Welche Lust, einen Tag wie
den andern gleichförmig hinschwinden zu sehen! Ich genieße diese Lust jetzt in
vollen Zügen: ich bin vom Podagra frei, und beim besten Wohlsein sind auch
all die Meinigen, nicht ausgeschlossen die neugeborne Tochter meiner lieben
Claudie. Was verlange ich noch mehr?"

Im Jahre 1875 läßt sich Turgenjew eine Villa in Bvugival bei Paris
bauen, wo auch die Familie Viardot sich während des Sommers aufzuhalten
Pflegt. Am 3. April 1881 verheiratet sich auch die jüngere Tochter der Frau
Viardot, Marianne, mit dem Komponisten und Pianisten Duvernois. Das Hans
des greisen Dichters ward nun nicht leer von liebenswürdigen jungen Güsteu.


genjew wurde ihr getreuer Mitarbeiter, er schrieb den Text zu mehreren grö¬
ßeren Kompositionen der talentvollen Tvukünstlerin. Dieselben wurden fast aus¬
schließlich im Hause der Madame Viardvt an den berühmten musikalischen
Matineen und Soireen aufgeführt, die oft, wie L. Pietsch sagt, „ein Parquett
von Könige» und Fürsten" vereinigte». Gegen Ende der sechziger Jahre wurde
eine der Kompositionen der Frau Viardvt — die Operette „Der letzte Zau¬
berer" — am Weimarer Hoftheater zur Auffiihruug gebracht. Friedrich Liszt
hatte die Instrumentirung und Jnszeniruug besorgt, und mau hegte große Er¬
wartungen. „Ich sehe der Auffiihruug mit Ungeduld entgegen," schreibt Tur¬
genjew, der zum erstenmale als Librettist vor die Öffentlichkeit treten sollte, an
den Minister Miljutiu. „Wem? die Komposition Erfolg hat, kann sich für Ma¬
dame Viardvt eine neue glänzende Karriere eröffnen." Die Weimarer Auf¬
führung endete indessen mit einem Fiasko, und Frau Viardvt kehrte wieder
zur Romanze, Turgenjew zur Novelle zurück.

In den letzten fünfziger und den ersten sechziger Jahren hatte sich die bis
dahin kinderlose Familie Viardvt um drei reizende Sprößlinge — Claudia, Paul
und Marianne — vermehrt. Turgenjew spricht in seinen Briefen von diesen
Kindern der Fran Pauline Viardvt stets in Ausdrücken der Liebe und des
Entzückens. Im Jahre 1870 läßt er durch seinen Moskaner Freund Merslow
russische Eisenbahnaktien „für seine liebe Claudie Viardot" ankaufen, und als
Claudie sich Anfang 1874 verheiraten soll, verkauft Turgenjew eines seiner
Güter, Liubowscha, für 50 000 Rubel, die gleichfalls in Aktien auf den Namen
der Frau Viardot angelegt werden. „Ich schicke dir die Photographie meines
Lieblings Clandie," schreibt er am 5. Februar 1874 an seinen Freund Polonski.
„In zwei Wochen feiert sie ihre Hochzeit, ihr Zukünftiger heißt George Chamervt.
Obwohl er seines Glückes wert ist, muß man ihn doch um dasselbe beneiden."
Nach der Hochzeit schreibt er an Merslow: „Seit drei Tagen ist meine unver¬
gleichliche Didi verheiratet. Du kannst dir vorstellen, in was für Sorgen, in
welcher freudigen Aufregung ich mich die ganze Zeit hindurch befand. Die
beiden jungen Leute sind so glücklich, daß es wirklich belustigend ist, ihnen zu¬
zuschauen." Im Jahre 1875 giebt er in einem Briefe an Madame Miljutiu
seiner Stimmung in folgenden Worten Ausdruck: „Welche Lust, einen Tag wie
den andern gleichförmig hinschwinden zu sehen! Ich genieße diese Lust jetzt in
vollen Zügen: ich bin vom Podagra frei, und beim besten Wohlsein sind auch
all die Meinigen, nicht ausgeschlossen die neugeborne Tochter meiner lieben
Claudie. Was verlange ich noch mehr?"

Im Jahre 1875 läßt sich Turgenjew eine Villa in Bvugival bei Paris
bauen, wo auch die Familie Viardot sich während des Sommers aufzuhalten
Pflegt. Am 3. April 1881 verheiratet sich auch die jüngere Tochter der Frau
Viardot, Marianne, mit dem Komponisten und Pianisten Duvernois. Das Hans
des greisen Dichters ward nun nicht leer von liebenswürdigen jungen Güsteu.


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[0355] genjew wurde ihr getreuer Mitarbeiter, er schrieb den Text zu mehreren grö¬ ßeren Kompositionen der talentvollen Tvukünstlerin. Dieselben wurden fast aus¬ schließlich im Hause der Madame Viardvt an den berühmten musikalischen Matineen und Soireen aufgeführt, die oft, wie L. Pietsch sagt, „ein Parquett von Könige» und Fürsten" vereinigte». Gegen Ende der sechziger Jahre wurde eine der Kompositionen der Frau Viardvt — die Operette „Der letzte Zau¬ berer" — am Weimarer Hoftheater zur Auffiihruug gebracht. Friedrich Liszt hatte die Instrumentirung und Jnszeniruug besorgt, und mau hegte große Er¬ wartungen. „Ich sehe der Auffiihruug mit Ungeduld entgegen," schreibt Tur¬ genjew, der zum erstenmale als Librettist vor die Öffentlichkeit treten sollte, an den Minister Miljutiu. „Wem? die Komposition Erfolg hat, kann sich für Ma¬ dame Viardvt eine neue glänzende Karriere eröffnen." Die Weimarer Auf¬ führung endete indessen mit einem Fiasko, und Frau Viardvt kehrte wieder zur Romanze, Turgenjew zur Novelle zurück. In den letzten fünfziger und den ersten sechziger Jahren hatte sich die bis dahin kinderlose Familie Viardvt um drei reizende Sprößlinge — Claudia, Paul und Marianne — vermehrt. Turgenjew spricht in seinen Briefen von diesen Kindern der Fran Pauline Viardvt stets in Ausdrücken der Liebe und des Entzückens. Im Jahre 1870 läßt er durch seinen Moskaner Freund Merslow russische Eisenbahnaktien „für seine liebe Claudie Viardot" ankaufen, und als Claudie sich Anfang 1874 verheiraten soll, verkauft Turgenjew eines seiner Güter, Liubowscha, für 50 000 Rubel, die gleichfalls in Aktien auf den Namen der Frau Viardot angelegt werden. „Ich schicke dir die Photographie meines Lieblings Clandie," schreibt er am 5. Februar 1874 an seinen Freund Polonski. „In zwei Wochen feiert sie ihre Hochzeit, ihr Zukünftiger heißt George Chamervt. Obwohl er seines Glückes wert ist, muß man ihn doch um dasselbe beneiden." Nach der Hochzeit schreibt er an Merslow: „Seit drei Tagen ist meine unver¬ gleichliche Didi verheiratet. Du kannst dir vorstellen, in was für Sorgen, in welcher freudigen Aufregung ich mich die ganze Zeit hindurch befand. Die beiden jungen Leute sind so glücklich, daß es wirklich belustigend ist, ihnen zu¬ zuschauen." Im Jahre 1875 giebt er in einem Briefe an Madame Miljutiu seiner Stimmung in folgenden Worten Ausdruck: „Welche Lust, einen Tag wie den andern gleichförmig hinschwinden zu sehen! Ich genieße diese Lust jetzt in vollen Zügen: ich bin vom Podagra frei, und beim besten Wohlsein sind auch all die Meinigen, nicht ausgeschlossen die neugeborne Tochter meiner lieben Claudie. Was verlange ich noch mehr?" Im Jahre 1875 läßt sich Turgenjew eine Villa in Bvugival bei Paris bauen, wo auch die Familie Viardot sich während des Sommers aufzuhalten Pflegt. Am 3. April 1881 verheiratet sich auch die jüngere Tochter der Frau Viardot, Marianne, mit dem Komponisten und Pianisten Duvernois. Das Hans des greisen Dichters ward nun nicht leer von liebenswürdigen jungen Güsteu.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/355>, abgerufen am 22.07.2024.