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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Gstproußische Skizzen,

Inventar zu ihrem Werte bezahlt würden, so müsse der Grund und Boden
eigentlich so ungefähr in den Kauf gehen. Es mag dies Wohl nicht so buch¬
stäblich zu verstehen sein, aber etwas daran ist jedenfalls. Güter von mehreren
tausend Morgen, und zwar durchaus nicht geringer Bonnae, die mit allem In¬
ventar für 100 000 Thaler zu haben sein würden, sind in Ostpreußen nichts
seltenes.

Eigentlich alten Grundbesitz haben die Stürme der Franzosenzeit nur
wenig übriggelassen. Damals gingen, sowohl während wie vor und nach den
Befreiungskriegen, die großen Massen - Subhastationen vor sich, die Fürst
Bismarck gelegentlich der Getreidezolldebatte im Reichstage so drastisch geschildert
hat. Es braucht garnicht bestritten zu werden, daß v. Schön von einem nicht
ganz unberechtigten Prinzip ausging, wenn er systematisch daran arbeitete, den
alten eingebornen Landadel aus dem Besitze zu bringen, und wenn er daher
die ihm zur Verfügung gestellten Gelder nicht dazu verwendete, diese alten Fa¬
milien zu retten, sondern vielmehr dazu, die Güter in den Besitz ihrer In¬
spektoren und ähnlicher Leute zu bringen; er meinte nämlich, es müsse in den
landwirtschaftlichen Betrieb der Provinz frisches Blut hinein, und ganz gegen¬
standslos mag diese seine Ansicht wohl nicht gewesen sein. Aber man wird
sagen dürfen, daß dieser, in erster Linie doch durch seine Treue und Opfer¬
willigkeit nud durch den unerhörten Kriegsdruck zu gründe gerichtete Adel etwas
mehr Rücksicht verdient hätte. Auch ist schön durchaus nicht unparteiisch zu
Werke gegangen; einzelnen mit ihm befreundeten adelichen Familien hat er ge¬
holfen, und andrerseits hat er in Fällen, wo die Anklage schlechter Wirtschaft
und "großspuriger Lebensweise" entschieden nicht erhoben werden konnte, seine
Hilfe gleichwohl versagt. Maßgebend für ihn war eine tiefe Abneigung gegen
die adelicheu Großgrundbesitzer als Stand, und hierbei wieder spielten die liberali-
sirenden Tendenzen des weit über Gebühr gepriesenen Mannes eine große Rolle.
Nun, trotz allem ist einiges übriggeblieben, und gerade dieses ist zum Teil der¬
art, daß man sagen kann: so gut diese Träger alter Namen sich in die neue
Zeit gefunden haben und tüchtige Wirtschafter geworden sind, so gut würde
das Gleiche auch noch bei vielen andern der Fall gewesen sein, wenn man ihnen
Gelegenheit gegeben hätte. Daß es vielen schwer wurde, den Sprung aus der
alten extensiven Naturell- in die moderne Geldwirtschaft zu machen, ist noch
kein Beweis, daß diese" Leuten die Fähigkeit zu rationellen Wirtschaften gänz¬
lich abging. Billige Nachsicht wäre da wohl am Platze gewesen. Und es muß
wiederholt werden, daß diesem alt-ostpreußischen Grundadel ohne Zweifel große
Vorwürfe gemacht werden können, nicht aber der, nicht jederzeit mit Gut und
Blut für das Vaterland bereit gewesen zu sein. Außer den schou genannten
altadelichen Namen weist die Provinz an gräflichen Familien noch auf: die Stol-
berg, Schwerin, Schlieben, Keyserling, Canitz, Kalnein, Bülow von Dennewitz,
von der Trent, Klinkowström, sowie zwei von der Gröbensche Linien und eine von


Gstproußische Skizzen,

Inventar zu ihrem Werte bezahlt würden, so müsse der Grund und Boden
eigentlich so ungefähr in den Kauf gehen. Es mag dies Wohl nicht so buch¬
stäblich zu verstehen sein, aber etwas daran ist jedenfalls. Güter von mehreren
tausend Morgen, und zwar durchaus nicht geringer Bonnae, die mit allem In¬
ventar für 100 000 Thaler zu haben sein würden, sind in Ostpreußen nichts
seltenes.

Eigentlich alten Grundbesitz haben die Stürme der Franzosenzeit nur
wenig übriggelassen. Damals gingen, sowohl während wie vor und nach den
Befreiungskriegen, die großen Massen - Subhastationen vor sich, die Fürst
Bismarck gelegentlich der Getreidezolldebatte im Reichstage so drastisch geschildert
hat. Es braucht garnicht bestritten zu werden, daß v. Schön von einem nicht
ganz unberechtigten Prinzip ausging, wenn er systematisch daran arbeitete, den
alten eingebornen Landadel aus dem Besitze zu bringen, und wenn er daher
die ihm zur Verfügung gestellten Gelder nicht dazu verwendete, diese alten Fa¬
milien zu retten, sondern vielmehr dazu, die Güter in den Besitz ihrer In¬
spektoren und ähnlicher Leute zu bringen; er meinte nämlich, es müsse in den
landwirtschaftlichen Betrieb der Provinz frisches Blut hinein, und ganz gegen¬
standslos mag diese seine Ansicht wohl nicht gewesen sein. Aber man wird
sagen dürfen, daß dieser, in erster Linie doch durch seine Treue und Opfer¬
willigkeit nud durch den unerhörten Kriegsdruck zu gründe gerichtete Adel etwas
mehr Rücksicht verdient hätte. Auch ist schön durchaus nicht unparteiisch zu
Werke gegangen; einzelnen mit ihm befreundeten adelichen Familien hat er ge¬
holfen, und andrerseits hat er in Fällen, wo die Anklage schlechter Wirtschaft
und „großspuriger Lebensweise" entschieden nicht erhoben werden konnte, seine
Hilfe gleichwohl versagt. Maßgebend für ihn war eine tiefe Abneigung gegen
die adelicheu Großgrundbesitzer als Stand, und hierbei wieder spielten die liberali-
sirenden Tendenzen des weit über Gebühr gepriesenen Mannes eine große Rolle.
Nun, trotz allem ist einiges übriggeblieben, und gerade dieses ist zum Teil der¬
art, daß man sagen kann: so gut diese Träger alter Namen sich in die neue
Zeit gefunden haben und tüchtige Wirtschafter geworden sind, so gut würde
das Gleiche auch noch bei vielen andern der Fall gewesen sein, wenn man ihnen
Gelegenheit gegeben hätte. Daß es vielen schwer wurde, den Sprung aus der
alten extensiven Naturell- in die moderne Geldwirtschaft zu machen, ist noch
kein Beweis, daß diese» Leuten die Fähigkeit zu rationellen Wirtschaften gänz¬
lich abging. Billige Nachsicht wäre da wohl am Platze gewesen. Und es muß
wiederholt werden, daß diesem alt-ostpreußischen Grundadel ohne Zweifel große
Vorwürfe gemacht werden können, nicht aber der, nicht jederzeit mit Gut und
Blut für das Vaterland bereit gewesen zu sein. Außer den schou genannten
altadelichen Namen weist die Provinz an gräflichen Familien noch auf: die Stol-
berg, Schwerin, Schlieben, Keyserling, Canitz, Kalnein, Bülow von Dennewitz,
von der Trent, Klinkowström, sowie zwei von der Gröbensche Linien und eine von


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[0347] Gstproußische Skizzen, Inventar zu ihrem Werte bezahlt würden, so müsse der Grund und Boden eigentlich so ungefähr in den Kauf gehen. Es mag dies Wohl nicht so buch¬ stäblich zu verstehen sein, aber etwas daran ist jedenfalls. Güter von mehreren tausend Morgen, und zwar durchaus nicht geringer Bonnae, die mit allem In¬ ventar für 100 000 Thaler zu haben sein würden, sind in Ostpreußen nichts seltenes. Eigentlich alten Grundbesitz haben die Stürme der Franzosenzeit nur wenig übriggelassen. Damals gingen, sowohl während wie vor und nach den Befreiungskriegen, die großen Massen - Subhastationen vor sich, die Fürst Bismarck gelegentlich der Getreidezolldebatte im Reichstage so drastisch geschildert hat. Es braucht garnicht bestritten zu werden, daß v. Schön von einem nicht ganz unberechtigten Prinzip ausging, wenn er systematisch daran arbeitete, den alten eingebornen Landadel aus dem Besitze zu bringen, und wenn er daher die ihm zur Verfügung gestellten Gelder nicht dazu verwendete, diese alten Fa¬ milien zu retten, sondern vielmehr dazu, die Güter in den Besitz ihrer In¬ spektoren und ähnlicher Leute zu bringen; er meinte nämlich, es müsse in den landwirtschaftlichen Betrieb der Provinz frisches Blut hinein, und ganz gegen¬ standslos mag diese seine Ansicht wohl nicht gewesen sein. Aber man wird sagen dürfen, daß dieser, in erster Linie doch durch seine Treue und Opfer¬ willigkeit nud durch den unerhörten Kriegsdruck zu gründe gerichtete Adel etwas mehr Rücksicht verdient hätte. Auch ist schön durchaus nicht unparteiisch zu Werke gegangen; einzelnen mit ihm befreundeten adelichen Familien hat er ge¬ holfen, und andrerseits hat er in Fällen, wo die Anklage schlechter Wirtschaft und „großspuriger Lebensweise" entschieden nicht erhoben werden konnte, seine Hilfe gleichwohl versagt. Maßgebend für ihn war eine tiefe Abneigung gegen die adelicheu Großgrundbesitzer als Stand, und hierbei wieder spielten die liberali- sirenden Tendenzen des weit über Gebühr gepriesenen Mannes eine große Rolle. Nun, trotz allem ist einiges übriggeblieben, und gerade dieses ist zum Teil der¬ art, daß man sagen kann: so gut diese Träger alter Namen sich in die neue Zeit gefunden haben und tüchtige Wirtschafter geworden sind, so gut würde das Gleiche auch noch bei vielen andern der Fall gewesen sein, wenn man ihnen Gelegenheit gegeben hätte. Daß es vielen schwer wurde, den Sprung aus der alten extensiven Naturell- in die moderne Geldwirtschaft zu machen, ist noch kein Beweis, daß diese» Leuten die Fähigkeit zu rationellen Wirtschaften gänz¬ lich abging. Billige Nachsicht wäre da wohl am Platze gewesen. Und es muß wiederholt werden, daß diesem alt-ostpreußischen Grundadel ohne Zweifel große Vorwürfe gemacht werden können, nicht aber der, nicht jederzeit mit Gut und Blut für das Vaterland bereit gewesen zu sein. Außer den schou genannten altadelichen Namen weist die Provinz an gräflichen Familien noch auf: die Stol- berg, Schwerin, Schlieben, Keyserling, Canitz, Kalnein, Bülow von Dennewitz, von der Trent, Klinkowström, sowie zwei von der Gröbensche Linien und eine von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/347>, abgerufen am 22.07.2024.