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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Herren Mörder.

s ist noch in jedermanns Erinnerung, wie vor kurzer Zeit Frau
Clovis Hugues vom Schwurgerichte in Paris freigesprochen
wurde, obgleich sie selbst eingeräumt hatte, daß sie den Agenten
Morin, gegen den sie einen Prozeß wegen Verleumdung vor den
Pariser Gerichten führte, nach einem vereitelten Termine ini
Justizpalaste durch Revolverschüsse niedergestreckt habe, die den Tod des Ver¬
letzten herbeiführten. Die deshalb der vorsätzlichen, mit Überlegung ausgeführten
Tötung angeklagte Dame war ihrer Freisprechung durch die Geschwornen so
sicher, daß sie vor der Sitzung ihre Kleider und Toilettengegenstände im
Gefängnis in ein Paket verpackte, um dieses alsbald nach der Aburteilung mit
sich nach Hause nehmen zu können. Die Sitzung selbst glich einer Boulevard-
Theatervorstellung, es wurde gelärmt, geschrieen, Frauen saßen auf den Knieen
der Advokaten, der Vorsitzende war von Zuschauern so umdrängt, daß er sich
vorbeugen mußte, um das Urteil zu verlesen, die Verkündigung des Urteils rief
einen wahren Beifallssturm hervor, und die Freigesprochene wurde von dem
Publikum im Triumph aus dem Sitzungssaale geführt. Die Revolverhändler
von Paris machten in den folgenden Tagen glänzende Geschäfte, indem eine
große Zahl von Damen sich für den Gebrauchsfall in ähnlicher Lage mit der
üblichen Waffe versah.

Im März dieses Jahres wurde eine andre Dame, Frau Francey in
Tonnerre, vor das Schwurgericht in Auxerre (Departement Aonne) gestellt, weil
sie den städtischen Baumeister Brisebard am 21. Dezember vorigen Jahres in
ihrer Wohnung mit einem Revolver erschossen hatte. Die Angeklagte räumte
die That ebenfalls ein, machte aber geltend, der Getötete sei in Abwesenheit
ihres Gatten bei ihr eingedrungen, habe ihr unziemliche Anträge gestellt und


Grenzbaten II. 1885, 42


Die Herren Mörder.

s ist noch in jedermanns Erinnerung, wie vor kurzer Zeit Frau
Clovis Hugues vom Schwurgerichte in Paris freigesprochen
wurde, obgleich sie selbst eingeräumt hatte, daß sie den Agenten
Morin, gegen den sie einen Prozeß wegen Verleumdung vor den
Pariser Gerichten führte, nach einem vereitelten Termine ini
Justizpalaste durch Revolverschüsse niedergestreckt habe, die den Tod des Ver¬
letzten herbeiführten. Die deshalb der vorsätzlichen, mit Überlegung ausgeführten
Tötung angeklagte Dame war ihrer Freisprechung durch die Geschwornen so
sicher, daß sie vor der Sitzung ihre Kleider und Toilettengegenstände im
Gefängnis in ein Paket verpackte, um dieses alsbald nach der Aburteilung mit
sich nach Hause nehmen zu können. Die Sitzung selbst glich einer Boulevard-
Theatervorstellung, es wurde gelärmt, geschrieen, Frauen saßen auf den Knieen
der Advokaten, der Vorsitzende war von Zuschauern so umdrängt, daß er sich
vorbeugen mußte, um das Urteil zu verlesen, die Verkündigung des Urteils rief
einen wahren Beifallssturm hervor, und die Freigesprochene wurde von dem
Publikum im Triumph aus dem Sitzungssaale geführt. Die Revolverhändler
von Paris machten in den folgenden Tagen glänzende Geschäfte, indem eine
große Zahl von Damen sich für den Gebrauchsfall in ähnlicher Lage mit der
üblichen Waffe versah.

Im März dieses Jahres wurde eine andre Dame, Frau Francey in
Tonnerre, vor das Schwurgericht in Auxerre (Departement Aonne) gestellt, weil
sie den städtischen Baumeister Brisebard am 21. Dezember vorigen Jahres in
ihrer Wohnung mit einem Revolver erschossen hatte. Die Angeklagte räumte
die That ebenfalls ein, machte aber geltend, der Getötete sei in Abwesenheit
ihres Gatten bei ihr eingedrungen, habe ihr unziemliche Anträge gestellt und


Grenzbaten II. 1885, 42
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[0334] [Abbildung] Die Herren Mörder. s ist noch in jedermanns Erinnerung, wie vor kurzer Zeit Frau Clovis Hugues vom Schwurgerichte in Paris freigesprochen wurde, obgleich sie selbst eingeräumt hatte, daß sie den Agenten Morin, gegen den sie einen Prozeß wegen Verleumdung vor den Pariser Gerichten führte, nach einem vereitelten Termine ini Justizpalaste durch Revolverschüsse niedergestreckt habe, die den Tod des Ver¬ letzten herbeiführten. Die deshalb der vorsätzlichen, mit Überlegung ausgeführten Tötung angeklagte Dame war ihrer Freisprechung durch die Geschwornen so sicher, daß sie vor der Sitzung ihre Kleider und Toilettengegenstände im Gefängnis in ein Paket verpackte, um dieses alsbald nach der Aburteilung mit sich nach Hause nehmen zu können. Die Sitzung selbst glich einer Boulevard- Theatervorstellung, es wurde gelärmt, geschrieen, Frauen saßen auf den Knieen der Advokaten, der Vorsitzende war von Zuschauern so umdrängt, daß er sich vorbeugen mußte, um das Urteil zu verlesen, die Verkündigung des Urteils rief einen wahren Beifallssturm hervor, und die Freigesprochene wurde von dem Publikum im Triumph aus dem Sitzungssaale geführt. Die Revolverhändler von Paris machten in den folgenden Tagen glänzende Geschäfte, indem eine große Zahl von Damen sich für den Gebrauchsfall in ähnlicher Lage mit der üblichen Waffe versah. Im März dieses Jahres wurde eine andre Dame, Frau Francey in Tonnerre, vor das Schwurgericht in Auxerre (Departement Aonne) gestellt, weil sie den städtischen Baumeister Brisebard am 21. Dezember vorigen Jahres in ihrer Wohnung mit einem Revolver erschossen hatte. Die Angeklagte räumte die That ebenfalls ein, machte aber geltend, der Getötete sei in Abwesenheit ihres Gatten bei ihr eingedrungen, habe ihr unziemliche Anträge gestellt und Grenzbaten II. 1885, 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/334>, abgerufen am 22.07.2024.