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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

Mit Vergnügen, Eeeellenza, stotterte sie.

Ein paarmal schielte sie, während sie den Heimweg fortsetzte, nach ihm, der
mit ihr Schritt hielt, und nach dem unheimlichen Gegenstande, den die Falten
seines Mantels nur dann ganz verdeckten, wenn ihnen Leute begegneten. Nach
manchem Stoßgebete, das ihr aber keine Erleichterung verschaffte, bog sie end¬
lich in das Zodiaco-Gäßchen ein.

Er kannte es. Nacht für Nacht hatte er es in der letzten Zeit durch¬
messen; jedes Fenster war Gegenstand seiner Studien gewesen.

Du wirst mich jetzt ohne Aufsehen zu deiner Herrin führen, sagte Giuseppe
Gonzaga.

Ohne Aufsehen, Altezzci?

Ohne Aufsehen.

Sie wies, bleich vor Angst, auf den großen Eisenring hin, der am Thore
hing und den man ertönen lassen müsse, wenn man sich Einlaß verschaffen wolle.

Giuseppe Gonzaga lüftete seinen Mantel, nahm seinen Degen in die Rechte
und wiederholte: Ohne Aufsehen.

Ihre Miene sollte besagen, sie wisse nicht, was er meine, aber ihre zitternde
Hand singerte gleichzeitig schon zwischen den Schlüsseln des mit dem Gebetbuch
an ihrem Gürtel hängenden Schlüsselbundes.

Als sie den Schlüssel zu dem Seitenpförtchen gefunden hatte, durch welches
Giuseppe sie schon mehrmals hatte verschwinden sehen, blickte er, wie um sich
des himmlischen Beistandes zu versichern, zu der schmalen Sichel des eben
hinter einem Balkon des Palastes sich verbergenden ersten Mondviertels empor
und folgte ihr dann gesenkten Hauptes durch das lautlos von ihr geöffnete
Pförtchen in einen Flügel des großen, aber fast menschenleeren Gebändes.




Achtzehntes Aapitel.

Giuseppe hatte eine Blendlaterne unter dem Mantel verborgen gehabt.
Er leuchtete vorsichtig umher und deutete daun fragend auf ein schmales
Treppchen im Hintergründe des dumpfig riechende", eisigkalteu Ganges, in
welchem er und seine zähneklappernde Begleiterin sich befanden. Es war, wenn
die Frage den Weg zu Floridas im zweiten Stock gelegenen Gemächern betraf,
das richtige. Enfcmia stellte sich aber, als verstehe sie nicht, wohin er wolle,
und Giuseppe mußte erst wiederum durch eine nicht mißzudentende Drohgeberde
sie dahin bringen, ihre Führerollc ohne weitere Winkelzüge anzutreten.

Der Palazzo Passcrino hatte Zeiten gekannt, wo Leben, Pracht und Fülle
von den Kellerräumen bis nnter den Dachfirst das ganze Gebäude durchdrangen.
Wie Giuseppe Gonzaga leisen Trittes, von der zitternden Friaulerin gefolgt,
jetzt trcppan stieg, war es ihm, als hätte er der aus einem fremden Körper


Grenzboten II. 1885. 34
Um eine Perle.

Mit Vergnügen, Eeeellenza, stotterte sie.

Ein paarmal schielte sie, während sie den Heimweg fortsetzte, nach ihm, der
mit ihr Schritt hielt, und nach dem unheimlichen Gegenstande, den die Falten
seines Mantels nur dann ganz verdeckten, wenn ihnen Leute begegneten. Nach
manchem Stoßgebete, das ihr aber keine Erleichterung verschaffte, bog sie end¬
lich in das Zodiaco-Gäßchen ein.

Er kannte es. Nacht für Nacht hatte er es in der letzten Zeit durch¬
messen; jedes Fenster war Gegenstand seiner Studien gewesen.

Du wirst mich jetzt ohne Aufsehen zu deiner Herrin führen, sagte Giuseppe
Gonzaga.

Ohne Aufsehen, Altezzci?

Ohne Aufsehen.

Sie wies, bleich vor Angst, auf den großen Eisenring hin, der am Thore
hing und den man ertönen lassen müsse, wenn man sich Einlaß verschaffen wolle.

Giuseppe Gonzaga lüftete seinen Mantel, nahm seinen Degen in die Rechte
und wiederholte: Ohne Aufsehen.

Ihre Miene sollte besagen, sie wisse nicht, was er meine, aber ihre zitternde
Hand singerte gleichzeitig schon zwischen den Schlüsseln des mit dem Gebetbuch
an ihrem Gürtel hängenden Schlüsselbundes.

Als sie den Schlüssel zu dem Seitenpförtchen gefunden hatte, durch welches
Giuseppe sie schon mehrmals hatte verschwinden sehen, blickte er, wie um sich
des himmlischen Beistandes zu versichern, zu der schmalen Sichel des eben
hinter einem Balkon des Palastes sich verbergenden ersten Mondviertels empor
und folgte ihr dann gesenkten Hauptes durch das lautlos von ihr geöffnete
Pförtchen in einen Flügel des großen, aber fast menschenleeren Gebändes.




Achtzehntes Aapitel.

Giuseppe hatte eine Blendlaterne unter dem Mantel verborgen gehabt.
Er leuchtete vorsichtig umher und deutete daun fragend auf ein schmales
Treppchen im Hintergründe des dumpfig riechende», eisigkalteu Ganges, in
welchem er und seine zähneklappernde Begleiterin sich befanden. Es war, wenn
die Frage den Weg zu Floridas im zweiten Stock gelegenen Gemächern betraf,
das richtige. Enfcmia stellte sich aber, als verstehe sie nicht, wohin er wolle,
und Giuseppe mußte erst wiederum durch eine nicht mißzudentende Drohgeberde
sie dahin bringen, ihre Führerollc ohne weitere Winkelzüge anzutreten.

Der Palazzo Passcrino hatte Zeiten gekannt, wo Leben, Pracht und Fülle
von den Kellerräumen bis nnter den Dachfirst das ganze Gebäude durchdrangen.
Wie Giuseppe Gonzaga leisen Trittes, von der zitternden Friaulerin gefolgt,
jetzt trcppan stieg, war es ihm, als hätte er der aus einem fremden Körper


Grenzboten II. 1885. 34
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[0270] Um eine Perle. Mit Vergnügen, Eeeellenza, stotterte sie. Ein paarmal schielte sie, während sie den Heimweg fortsetzte, nach ihm, der mit ihr Schritt hielt, und nach dem unheimlichen Gegenstande, den die Falten seines Mantels nur dann ganz verdeckten, wenn ihnen Leute begegneten. Nach manchem Stoßgebete, das ihr aber keine Erleichterung verschaffte, bog sie end¬ lich in das Zodiaco-Gäßchen ein. Er kannte es. Nacht für Nacht hatte er es in der letzten Zeit durch¬ messen; jedes Fenster war Gegenstand seiner Studien gewesen. Du wirst mich jetzt ohne Aufsehen zu deiner Herrin führen, sagte Giuseppe Gonzaga. Ohne Aufsehen, Altezzci? Ohne Aufsehen. Sie wies, bleich vor Angst, auf den großen Eisenring hin, der am Thore hing und den man ertönen lassen müsse, wenn man sich Einlaß verschaffen wolle. Giuseppe Gonzaga lüftete seinen Mantel, nahm seinen Degen in die Rechte und wiederholte: Ohne Aufsehen. Ihre Miene sollte besagen, sie wisse nicht, was er meine, aber ihre zitternde Hand singerte gleichzeitig schon zwischen den Schlüsseln des mit dem Gebetbuch an ihrem Gürtel hängenden Schlüsselbundes. Als sie den Schlüssel zu dem Seitenpförtchen gefunden hatte, durch welches Giuseppe sie schon mehrmals hatte verschwinden sehen, blickte er, wie um sich des himmlischen Beistandes zu versichern, zu der schmalen Sichel des eben hinter einem Balkon des Palastes sich verbergenden ersten Mondviertels empor und folgte ihr dann gesenkten Hauptes durch das lautlos von ihr geöffnete Pförtchen in einen Flügel des großen, aber fast menschenleeren Gebändes. Achtzehntes Aapitel. Giuseppe hatte eine Blendlaterne unter dem Mantel verborgen gehabt. Er leuchtete vorsichtig umher und deutete daun fragend auf ein schmales Treppchen im Hintergründe des dumpfig riechende», eisigkalteu Ganges, in welchem er und seine zähneklappernde Begleiterin sich befanden. Es war, wenn die Frage den Weg zu Floridas im zweiten Stock gelegenen Gemächern betraf, das richtige. Enfcmia stellte sich aber, als verstehe sie nicht, wohin er wolle, und Giuseppe mußte erst wiederum durch eine nicht mißzudentende Drohgeberde sie dahin bringen, ihre Führerollc ohne weitere Winkelzüge anzutreten. Der Palazzo Passcrino hatte Zeiten gekannt, wo Leben, Pracht und Fülle von den Kellerräumen bis nnter den Dachfirst das ganze Gebäude durchdrangen. Wie Giuseppe Gonzaga leisen Trittes, von der zitternden Friaulerin gefolgt, jetzt trcppan stieg, war es ihm, als hätte er der aus einem fremden Körper Grenzboten II. 1885. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/270>, abgerufen am 22.07.2024.