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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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weil die verzehrende Glut scheitelrechter Sonnenstrahlen dort keine Pflanzen¬
decke dulde. Die Sahara hatte diese Theorie scheinbar bestätigt. Ptolemäos
hatte die Lehre wiederholt, und es hatte sich infolgedessen der Astronomie die
Vorstellung aufgedrängt, daß die Sonne, wenn sie in der Gegend des Äquators
verweile, der Erde sich beträchtlich nähere. Diese Ansichten waren der Entdeckung
hinderlich, zumal da mau den Glauben hegte, daß über den Wendekreis hinaus
das Meer an Tiefe verliere und an Salzgehalt so zunehme, daß die träge
Masse vou Fahrzeugen nicht mehr zerteilt werden könne. Allen diesen Aber¬
glauben hat nun in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts der portugiesische
Prinz Heinrich, mit dem Beinamen "der Seefahrer," durch seine Entdeckungen
im Atlantischen Ozean zerstört.

Im fünfzehnten Jahrhundert erregte eine eigentümliche Erscheinung in
Europa allgemeine Sorge und Verwunderung: das Edelmetall entschwand, und
es trat infolgedessen ein allgemeines Sinken der europäischen Marktwaaren ein.
Man wußte längst, daß das Geld nach Osten auswanderte für die indischen
Waaren, Gewürze, Edelsteine, Perlen u. s. w., die durch den ägyptisch-arabischen
Zwischenhandel oft den dreifachen, ja den fünffachen Wert wie an Ort und
Stelle hatten. Es wurde geradezu ein uationalvkonomisches Problem für
Europa, die indischen Waaren ohne den Zwischenhandel direkt zu erhalten, und
dieses Problem hat Heinrich der Seefahrer angefangen zu lösen.

Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen die portugiesischen Entdeckungen
an der Westküste von Afrika zu verfolgen. Wenn wir. von der Höhe unsrer
Zeit, wo der ganze Erdkreis vor den Augen jedes Schülers ausgebreitet liegt,
wo Elektrizität und Dampf die Länder verbinden, auf jene Unternehmungen
zurückblicken, so können wir uns kaum die Art vou Schifffahrt vorstellen, welche
fast zwanzig Jahre gebrauchte, vom Jahre 1415--1434, um das Knp Bogador
zu umfahren. Die portugiesischen Schiffe machten immer vor diesem Kap Halt,
weil sie, die sich immer an der Küste hielten, hier ein sechs Meilen vorsprin¬
gendes Riff nicht zu umsegeln wagten. Erst ein Sturm, der zwei Schiffe vou
der Küste abtrieb, enthüllte die Thatsache, daß mau auch auf dem offenen Meere
zu fahren vermöchte. Im Jahre 1445 gelangte man endlich über den unbe¬
wohnten Gürtel der Sahara hinaus bis zu einem Vorgebirge, welches den
Namen des "Grünen" erhielt, eine Bezeichnung, welche die Irrlehre von der
Unbewohnbarkeit der tropischen Regionen widerlegen sollte. Nun wurden die
Entdeckungen immer einträglicher, indem man schon Produkte holte, wie sie
heute noch aus Afrika kommen, freilich auch Meuschen raubte, die als gute
Beute augesehen wurden.*) Der Handel trieb die Entdeckungen weiter und



Peschel führt S. S2 seines oben zitirten Werkes aus dem Jahre 1444 folgende
Äußerung eines gleichzeitigen Schriftstellers an, die an Naivität nichts zu wünschen übrig
läßt: "Endlich gefiel es Gott, dem Belohner guter Thaten, für die uinunichsncheu, in seinein

weil die verzehrende Glut scheitelrechter Sonnenstrahlen dort keine Pflanzen¬
decke dulde. Die Sahara hatte diese Theorie scheinbar bestätigt. Ptolemäos
hatte die Lehre wiederholt, und es hatte sich infolgedessen der Astronomie die
Vorstellung aufgedrängt, daß die Sonne, wenn sie in der Gegend des Äquators
verweile, der Erde sich beträchtlich nähere. Diese Ansichten waren der Entdeckung
hinderlich, zumal da mau den Glauben hegte, daß über den Wendekreis hinaus
das Meer an Tiefe verliere und an Salzgehalt so zunehme, daß die träge
Masse vou Fahrzeugen nicht mehr zerteilt werden könne. Allen diesen Aber¬
glauben hat nun in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts der portugiesische
Prinz Heinrich, mit dem Beinamen „der Seefahrer," durch seine Entdeckungen
im Atlantischen Ozean zerstört.

Im fünfzehnten Jahrhundert erregte eine eigentümliche Erscheinung in
Europa allgemeine Sorge und Verwunderung: das Edelmetall entschwand, und
es trat infolgedessen ein allgemeines Sinken der europäischen Marktwaaren ein.
Man wußte längst, daß das Geld nach Osten auswanderte für die indischen
Waaren, Gewürze, Edelsteine, Perlen u. s. w., die durch den ägyptisch-arabischen
Zwischenhandel oft den dreifachen, ja den fünffachen Wert wie an Ort und
Stelle hatten. Es wurde geradezu ein uationalvkonomisches Problem für
Europa, die indischen Waaren ohne den Zwischenhandel direkt zu erhalten, und
dieses Problem hat Heinrich der Seefahrer angefangen zu lösen.

Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen die portugiesischen Entdeckungen
an der Westküste von Afrika zu verfolgen. Wenn wir. von der Höhe unsrer
Zeit, wo der ganze Erdkreis vor den Augen jedes Schülers ausgebreitet liegt,
wo Elektrizität und Dampf die Länder verbinden, auf jene Unternehmungen
zurückblicken, so können wir uns kaum die Art vou Schifffahrt vorstellen, welche
fast zwanzig Jahre gebrauchte, vom Jahre 1415—1434, um das Knp Bogador
zu umfahren. Die portugiesischen Schiffe machten immer vor diesem Kap Halt,
weil sie, die sich immer an der Küste hielten, hier ein sechs Meilen vorsprin¬
gendes Riff nicht zu umsegeln wagten. Erst ein Sturm, der zwei Schiffe vou
der Küste abtrieb, enthüllte die Thatsache, daß mau auch auf dem offenen Meere
zu fahren vermöchte. Im Jahre 1445 gelangte man endlich über den unbe¬
wohnten Gürtel der Sahara hinaus bis zu einem Vorgebirge, welches den
Namen des „Grünen" erhielt, eine Bezeichnung, welche die Irrlehre von der
Unbewohnbarkeit der tropischen Regionen widerlegen sollte. Nun wurden die
Entdeckungen immer einträglicher, indem man schon Produkte holte, wie sie
heute noch aus Afrika kommen, freilich auch Meuschen raubte, die als gute
Beute augesehen wurden.*) Der Handel trieb die Entdeckungen weiter und



Peschel führt S. S2 seines oben zitirten Werkes aus dem Jahre 1444 folgende
Äußerung eines gleichzeitigen Schriftstellers an, die an Naivität nichts zu wünschen übrig
läßt: „Endlich gefiel es Gott, dem Belohner guter Thaten, für die uinunichsncheu, in seinein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/231>, abgerufen am 22.07.2024.