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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

eine Unsumme von Stolz in mir. Die Kollegen meiner Künstlerfahrten wissen
davon zu reden. Nie hat mir einer nur die Hand drücken dürfen, und auch
hier, in der niedrigsten Rolle, die mir je zufiel, bin ich die Medusa geblieben,
die so vielen ein freundliches Grüßen mit stacheligen Trotz vergalt. Aber vor
ihm im Staube mich zu demütigen, das wäre mir eine Wonne. Nehmt mich
auf der Stelle mit Euch fort! rief sie, indem sie ihren Kasseuschlüssel abzog
und ihn dem Lakaien aufdrängen wollte, Ihr werdet morgen abliefern, was ich
einnahm; jetzt wollen wir ganz Mantua nach Giuseppe Gonzaga durchsuchen
-- wo ist sein Ring? -- und wenn wir Giuseppe Gonzaga finden, da sagt
Ihr ihm, ich sei ein unverständiges Kind, und Ihr hättet mir zu Gefallen ganz
Mantua durchsucht; aber wir sagen ihm nicht, daß mein Herz mit mir durchgegangen
sei, nein, wir reden nur von dein Ringe, und daß ich den Ring aus den Klauen
des Schlingels Coka rettete, dem er aber verzeihen soll, denn ihn habe das
böse Beispiel der spitzbübischen Samariter vom rechten Wege abgeleitet, und
daß Giuseppe Gonzaga doch am Ende mich selbst, Giacinta o'Isel, in Verdacht
gehabt haben könne, und daß ich eher den Tod von Henkershand erleiden wollte,
als uuter der Wucht eines solchen Verdachtes schlafen zu gehen und wieder
aufzuwachen. .

Damit hüllte sie sich in ein zu ihrem Kostüme gehörendes schwarzes Flor-
tnch und schickte sich an, die Lichter aufzublasen.

Halt da! kam endlich Antonio Maria zu Worte. Du hast vergessen, daß
Vitaliano seine Späher auch nachts in allen Gassen Mantnas auf den
Beinen hat.

Mag er doch!

Gewiß, wir werden's nicht hindern, aber wünschte Giuseppe Gonzaga von
Vitaliano bemerkt zu werden, so Hütte er sich nicht in ein so tiefes Geheimnis
gehüllt. Was hat ihn nach Mantua gelockt? Ein Anschlag gegen den Herzog,
seinen Vetter? Ich weiß es uicht. Ein Liebesabenteuer?

Nie, nie! protestirte Giacinta, ich halte die Hand für ihn ins Feuer. Kaum
daß er mich eines Blickes würdigte. Er ist nicht wie die andern Männer
Hochfliegcnd mögen seine Pläne sein. Warum sollten sie nicht? Ihr selbst
hättet nicht bedeckten Hauptes vor ihm zu stehen gewagt, Signor Antonio
Maria. Warum sollte ihm nicht Euer engbrüstiger Francesco Platz machen?

?g,e.i, tAvi! zischelte der Lakai und sah sich erschrocken um. Geh schlafen,
es ist nahezu Morgen.

Ich werde kein Auge schließen, sagte Giacinta traurig; und wenn er nun
währenddessen abreist?

Die Thore sind ja gesperrt.

Aber der Ring, er muß ihn doch wieder erhalte". Wo habt Ihr seinen Ring?

Du selbst sollst ihm sein Eigentum wieder einhändigen. Doch zunächst muß
ich die Inschrift entziffern lassen. Vielleicht giebt sie uns Anhaltepunkte für


Um eine Perle.

eine Unsumme von Stolz in mir. Die Kollegen meiner Künstlerfahrten wissen
davon zu reden. Nie hat mir einer nur die Hand drücken dürfen, und auch
hier, in der niedrigsten Rolle, die mir je zufiel, bin ich die Medusa geblieben,
die so vielen ein freundliches Grüßen mit stacheligen Trotz vergalt. Aber vor
ihm im Staube mich zu demütigen, das wäre mir eine Wonne. Nehmt mich
auf der Stelle mit Euch fort! rief sie, indem sie ihren Kasseuschlüssel abzog
und ihn dem Lakaien aufdrängen wollte, Ihr werdet morgen abliefern, was ich
einnahm; jetzt wollen wir ganz Mantua nach Giuseppe Gonzaga durchsuchen
— wo ist sein Ring? — und wenn wir Giuseppe Gonzaga finden, da sagt
Ihr ihm, ich sei ein unverständiges Kind, und Ihr hättet mir zu Gefallen ganz
Mantua durchsucht; aber wir sagen ihm nicht, daß mein Herz mit mir durchgegangen
sei, nein, wir reden nur von dein Ringe, und daß ich den Ring aus den Klauen
des Schlingels Coka rettete, dem er aber verzeihen soll, denn ihn habe das
böse Beispiel der spitzbübischen Samariter vom rechten Wege abgeleitet, und
daß Giuseppe Gonzaga doch am Ende mich selbst, Giacinta o'Isel, in Verdacht
gehabt haben könne, und daß ich eher den Tod von Henkershand erleiden wollte,
als uuter der Wucht eines solchen Verdachtes schlafen zu gehen und wieder
aufzuwachen. .

Damit hüllte sie sich in ein zu ihrem Kostüme gehörendes schwarzes Flor-
tnch und schickte sich an, die Lichter aufzublasen.

Halt da! kam endlich Antonio Maria zu Worte. Du hast vergessen, daß
Vitaliano seine Späher auch nachts in allen Gassen Mantnas auf den
Beinen hat.

Mag er doch!

Gewiß, wir werden's nicht hindern, aber wünschte Giuseppe Gonzaga von
Vitaliano bemerkt zu werden, so Hütte er sich nicht in ein so tiefes Geheimnis
gehüllt. Was hat ihn nach Mantua gelockt? Ein Anschlag gegen den Herzog,
seinen Vetter? Ich weiß es uicht. Ein Liebesabenteuer?

Nie, nie! protestirte Giacinta, ich halte die Hand für ihn ins Feuer. Kaum
daß er mich eines Blickes würdigte. Er ist nicht wie die andern Männer
Hochfliegcnd mögen seine Pläne sein. Warum sollten sie nicht? Ihr selbst
hättet nicht bedeckten Hauptes vor ihm zu stehen gewagt, Signor Antonio
Maria. Warum sollte ihm nicht Euer engbrüstiger Francesco Platz machen?

?g,e.i, tAvi! zischelte der Lakai und sah sich erschrocken um. Geh schlafen,
es ist nahezu Morgen.

Ich werde kein Auge schließen, sagte Giacinta traurig; und wenn er nun
währenddessen abreist?

Die Thore sind ja gesperrt.

Aber der Ring, er muß ihn doch wieder erhalte». Wo habt Ihr seinen Ring?

Du selbst sollst ihm sein Eigentum wieder einhändigen. Doch zunächst muß
ich die Inschrift entziffern lassen. Vielleicht giebt sie uns Anhaltepunkte für


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[0215] Um eine Perle. eine Unsumme von Stolz in mir. Die Kollegen meiner Künstlerfahrten wissen davon zu reden. Nie hat mir einer nur die Hand drücken dürfen, und auch hier, in der niedrigsten Rolle, die mir je zufiel, bin ich die Medusa geblieben, die so vielen ein freundliches Grüßen mit stacheligen Trotz vergalt. Aber vor ihm im Staube mich zu demütigen, das wäre mir eine Wonne. Nehmt mich auf der Stelle mit Euch fort! rief sie, indem sie ihren Kasseuschlüssel abzog und ihn dem Lakaien aufdrängen wollte, Ihr werdet morgen abliefern, was ich einnahm; jetzt wollen wir ganz Mantua nach Giuseppe Gonzaga durchsuchen — wo ist sein Ring? — und wenn wir Giuseppe Gonzaga finden, da sagt Ihr ihm, ich sei ein unverständiges Kind, und Ihr hättet mir zu Gefallen ganz Mantua durchsucht; aber wir sagen ihm nicht, daß mein Herz mit mir durchgegangen sei, nein, wir reden nur von dein Ringe, und daß ich den Ring aus den Klauen des Schlingels Coka rettete, dem er aber verzeihen soll, denn ihn habe das böse Beispiel der spitzbübischen Samariter vom rechten Wege abgeleitet, und daß Giuseppe Gonzaga doch am Ende mich selbst, Giacinta o'Isel, in Verdacht gehabt haben könne, und daß ich eher den Tod von Henkershand erleiden wollte, als uuter der Wucht eines solchen Verdachtes schlafen zu gehen und wieder aufzuwachen. . Damit hüllte sie sich in ein zu ihrem Kostüme gehörendes schwarzes Flor- tnch und schickte sich an, die Lichter aufzublasen. Halt da! kam endlich Antonio Maria zu Worte. Du hast vergessen, daß Vitaliano seine Späher auch nachts in allen Gassen Mantnas auf den Beinen hat. Mag er doch! Gewiß, wir werden's nicht hindern, aber wünschte Giuseppe Gonzaga von Vitaliano bemerkt zu werden, so Hütte er sich nicht in ein so tiefes Geheimnis gehüllt. Was hat ihn nach Mantua gelockt? Ein Anschlag gegen den Herzog, seinen Vetter? Ich weiß es uicht. Ein Liebesabenteuer? Nie, nie! protestirte Giacinta, ich halte die Hand für ihn ins Feuer. Kaum daß er mich eines Blickes würdigte. Er ist nicht wie die andern Männer Hochfliegcnd mögen seine Pläne sein. Warum sollten sie nicht? Ihr selbst hättet nicht bedeckten Hauptes vor ihm zu stehen gewagt, Signor Antonio Maria. Warum sollte ihm nicht Euer engbrüstiger Francesco Platz machen? ?g,e.i, tAvi! zischelte der Lakai und sah sich erschrocken um. Geh schlafen, es ist nahezu Morgen. Ich werde kein Auge schließen, sagte Giacinta traurig; und wenn er nun währenddessen abreist? Die Thore sind ja gesperrt. Aber der Ring, er muß ihn doch wieder erhalte». Wo habt Ihr seinen Ring? Du selbst sollst ihm sein Eigentum wieder einhändigen. Doch zunächst muß ich die Inschrift entziffern lassen. Vielleicht giebt sie uns Anhaltepunkte für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/215>, abgerufen am 22.07.2024.