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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Odium cum 6i^nitats.

nisse reichen aus, um selbst über oft und rühmend genannte Namen uns öfter
als in Ausnahmefällen ein eignes Urteil bilden zu können. Meist müssen wir
uns bescheiden, die endgiltige Beurteilung derselben dem Besserwissen andrer zu
überlassen.

So verdämmert manche bedeutende Erscheinung hinter den wirbelnden
Staubwolken des unstät vorwärtsdringenden Weltverkehrs, und wo wir mit
Interesse Halt machen und uns mit einem Eindruck erfüllen könnten, der uns
zum Fortsetzen unsrer Wanderschaft neue Kräfte leihen würde, müssen wir meist,
von unsern Hintermännern gedrängt, hastig vorübereilen, oft genug wider Willen,
immer mit unerqnicktcm Gemüte, denn nichts verödet und verstimmt mehr als
die Leere einer uns gleichgiltigen Masse.

"Aber Tage der Zukunft sind der Zeugen weiseste," so vertröstet uns Vater
Pindar.

Derjenige, um deswillen durch die folgenden Zeilen unser Marsch auf
wenige Augenblicke unterbrochen werden soll, weilt noch unter uns, und die
Zeit, wo ein Biograph über ihn in erschöpfender Weise Rede zu stehen haben
wird, liegt hoffentlich noch fern. Hier handelt sich's nur erst, mit Hilfe einiger
von befreundeter Hand herrührenden Notizen, um ein warmes Wort des Dankes
und der Anerkennung, das auch in diesen Blättern einer höchst angespannten,
in ungewöhnlichem Grade verdienstvoll und segensreich gewesenen Thätigkeit ge¬
zollt werden soll, nachdem schwere Krankheit den rastlosen Arbeiter genötigt hat,
seine Hand vom Pfluge zurückzuziehen. Fügen wir gleich hinzu, daß sein Geist
nichts an seiner Frische und Spannkraft eingebüßt hat, und daß also seine
Feder, die so manche wissenschaftliche That fördern half, noch nicht in Pension
gegangen ist.

Friedrich Oskar Schwarze hieß der jetzige Wirkliche Geheimrat Dr. von
Schwarze, als er vor achtundsechzig Jahren in der Stadtkirche der guten Stadt
Löbau in der sächsischen Oberlausitz aus der Taufe gehoben worden war, nach¬
dem er am 30. September in derselben Stadt das Licht der Welt erblickt hatte.
Wie unlängst in der Biographie des preußischen Juristen Svarez von dem Ge¬
heimen Öberjustizrat Dr. Stölzel nachgewiesen worden ist, war der Vater des
Knaben, Dr. Friedrich Christoph Schwarze, nicht nur dem Klänge nach, sondern
in Wirklichkeit ein Verwandter jenes gefeierten Rechtskundigen Svarez, dem
Preußen sein allgemeines Landrecht verdankt, und dessen Großvater erst den
Namen Schwarze in Svarez umgewandelt hatte. Der Löbauer Dr. Schwarze
bekleidete aber kein juristisches Amt, er war Bezirksarzt. Als solcher muß er
eine verdienstliche Thätigkeit ausgeübt haben, denn als er, zum Hofrat ernannt,
nach Dresden übersiedelte, verliehen ihm die Löbauer aus Dankbarkeit das
Ehrenbürgerrecht ihrer Stadt.

Im Jahre 1826 bezog sein Söhnchen, der zehnjährige Friedrich Oskar,
das Gymnasium zum heiligen Kreuz, die sogenannte Kreuzschule, nachdem er


Odium cum 6i^nitats.

nisse reichen aus, um selbst über oft und rühmend genannte Namen uns öfter
als in Ausnahmefällen ein eignes Urteil bilden zu können. Meist müssen wir
uns bescheiden, die endgiltige Beurteilung derselben dem Besserwissen andrer zu
überlassen.

So verdämmert manche bedeutende Erscheinung hinter den wirbelnden
Staubwolken des unstät vorwärtsdringenden Weltverkehrs, und wo wir mit
Interesse Halt machen und uns mit einem Eindruck erfüllen könnten, der uns
zum Fortsetzen unsrer Wanderschaft neue Kräfte leihen würde, müssen wir meist,
von unsern Hintermännern gedrängt, hastig vorübereilen, oft genug wider Willen,
immer mit unerqnicktcm Gemüte, denn nichts verödet und verstimmt mehr als
die Leere einer uns gleichgiltigen Masse.

„Aber Tage der Zukunft sind der Zeugen weiseste," so vertröstet uns Vater
Pindar.

Derjenige, um deswillen durch die folgenden Zeilen unser Marsch auf
wenige Augenblicke unterbrochen werden soll, weilt noch unter uns, und die
Zeit, wo ein Biograph über ihn in erschöpfender Weise Rede zu stehen haben
wird, liegt hoffentlich noch fern. Hier handelt sich's nur erst, mit Hilfe einiger
von befreundeter Hand herrührenden Notizen, um ein warmes Wort des Dankes
und der Anerkennung, das auch in diesen Blättern einer höchst angespannten,
in ungewöhnlichem Grade verdienstvoll und segensreich gewesenen Thätigkeit ge¬
zollt werden soll, nachdem schwere Krankheit den rastlosen Arbeiter genötigt hat,
seine Hand vom Pfluge zurückzuziehen. Fügen wir gleich hinzu, daß sein Geist
nichts an seiner Frische und Spannkraft eingebüßt hat, und daß also seine
Feder, die so manche wissenschaftliche That fördern half, noch nicht in Pension
gegangen ist.

Friedrich Oskar Schwarze hieß der jetzige Wirkliche Geheimrat Dr. von
Schwarze, als er vor achtundsechzig Jahren in der Stadtkirche der guten Stadt
Löbau in der sächsischen Oberlausitz aus der Taufe gehoben worden war, nach¬
dem er am 30. September in derselben Stadt das Licht der Welt erblickt hatte.
Wie unlängst in der Biographie des preußischen Juristen Svarez von dem Ge¬
heimen Öberjustizrat Dr. Stölzel nachgewiesen worden ist, war der Vater des
Knaben, Dr. Friedrich Christoph Schwarze, nicht nur dem Klänge nach, sondern
in Wirklichkeit ein Verwandter jenes gefeierten Rechtskundigen Svarez, dem
Preußen sein allgemeines Landrecht verdankt, und dessen Großvater erst den
Namen Schwarze in Svarez umgewandelt hatte. Der Löbauer Dr. Schwarze
bekleidete aber kein juristisches Amt, er war Bezirksarzt. Als solcher muß er
eine verdienstliche Thätigkeit ausgeübt haben, denn als er, zum Hofrat ernannt,
nach Dresden übersiedelte, verliehen ihm die Löbauer aus Dankbarkeit das
Ehrenbürgerrecht ihrer Stadt.

Im Jahre 1826 bezog sein Söhnchen, der zehnjährige Friedrich Oskar,
das Gymnasium zum heiligen Kreuz, die sogenannte Kreuzschule, nachdem er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/199>, abgerufen am 22.07.2024.