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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Fabrik- "ut Hausindustrie.

Stoffe sowie durch Belebung der einheimischen Rohstoffgewinnung u. a. in. glaubt
er tels Ziel erreichen zu können. Jeder, der das orientireude Buch aufmerksam
studirt, wird ihm fast in allem oder doch in der Hauptsache beistimmen können.
Grothc hält sich mit seinen Forderungen durchaus in den Grenzen des Mög¬
lichen. Teils sind es Maßregeln, welche sich in frühern Zeilen oder andern
Ländern bereits bewährt haben, die er befürwortet, teils motivirt er seine vor¬
geschlagenen Neuerungen so gut, daß man gern an ihre Durchführbarkeit glaubt.

Besonders bemerkenswert erscheint das über die Einführung von Klein¬
motoren gesagte, weil da wieder deutlich das Streben sich zeigt, die Fortschritte
der Technik in den Dienst der Industrie zu nehmen. Kein Gedanke unter all
den vielen zur Abhilfe der Fabrikmißstände laut gewordenen ist wohl so glücklich
wie der zur Einbürgerung von Kleinkraftmaschinen in der Werkstätte des Haus¬
arbeiters und Handwerkers. Läßt sich dieses Problem in befriedigender Weise
lösen, so dürfte viel gewonnen sein. Die Vorteile des kapitalkräftigen Maschinen¬
betriebes sind dann bis zu einem gewissen Grade den unvermöglichen Arbeitern
zugänglich gemacht, deren Hauptreichtum in ihrer Muskelkraft steckt, ohne daß
die Übeln Folgen, welche der Großindustrie leicht anhaften, mit übertragen
werden. Die Kleinmotoren bieten, wie Grothc ganz richtig sagt (S. XI.VI11,
"wohl eine bedeutende Produktivusmöglichkcit, aber auch die Möglichkeit, die
Produktion ohne erhebliche Verluste einzuschränken."

In der Weberei uun kommt es darauf an, ans dem Handwebftuhl einen
Webstuhl auszubilden, der als ein halb mechanischer oder ganz mechanischer Stuhl
dem Handwerker und dem Kleinbetrieb dienen kann. Dieser muß dann durch
eine billige und billig zu benutzende Kraftquelle in der Werkstatt des Kleiu-
meistcrs oder Vorarbeiters so erfolgreich in Bewegung gesetzt werden können,
wie seinesgleichen in der Großindustrie. Der Bandstuhl, der seit drei Jahr¬
hunderten unter fortgesetzter Verbesserung der Details angewandt wird, der
sowohl mit Kurbel dnrch den Arbeiter wie mit Motvrenbetrieb in Thätigkeit
gesetzt werden kann, ist ein Beispiel sür die Richtung, in welcher sich verbesserte
Webstuhlkoustrnktionen und dienstbar gemachte Kraftquellen mit einander ver¬
binden müssen.

Daß mit den Mitteln, die Grothe in Vorschlag bringt, wirklich etwas er¬
reicht werden kann, unterliegt keinem Zweifel. Man hat in dieser Hinsicht
anderweitig gute Erfahrungen mit den zur Hebung vou Hausindustrien ange¬
wandten Maßregeln erprobt; ihre Verallgemeinerung bietet daher für Erfolg
Garantie. Man denke z. B. an die blühende Strumpfwirkerei in Mitteldeutsch¬
land, in Apolda, Limbach, Chemnitz, Zeulenrvda, und an das völlige Darnieder¬
liegen desselben Gewerbes im Ansbachcr und Bayreuther Fürstentum, dessen
Entwicklungsgeschichte uns kürzlich erst von berufener Seite erzählt worden ist.*)


Georg Schanz, Zur Geschichte und Kvlmnsntwn in Franke". Ersannen, Dcichert, 1831.
Fabrik- »ut Hausindustrie.

Stoffe sowie durch Belebung der einheimischen Rohstoffgewinnung u. a. in. glaubt
er tels Ziel erreichen zu können. Jeder, der das orientireude Buch aufmerksam
studirt, wird ihm fast in allem oder doch in der Hauptsache beistimmen können.
Grothc hält sich mit seinen Forderungen durchaus in den Grenzen des Mög¬
lichen. Teils sind es Maßregeln, welche sich in frühern Zeilen oder andern
Ländern bereits bewährt haben, die er befürwortet, teils motivirt er seine vor¬
geschlagenen Neuerungen so gut, daß man gern an ihre Durchführbarkeit glaubt.

Besonders bemerkenswert erscheint das über die Einführung von Klein¬
motoren gesagte, weil da wieder deutlich das Streben sich zeigt, die Fortschritte
der Technik in den Dienst der Industrie zu nehmen. Kein Gedanke unter all
den vielen zur Abhilfe der Fabrikmißstände laut gewordenen ist wohl so glücklich
wie der zur Einbürgerung von Kleinkraftmaschinen in der Werkstätte des Haus¬
arbeiters und Handwerkers. Läßt sich dieses Problem in befriedigender Weise
lösen, so dürfte viel gewonnen sein. Die Vorteile des kapitalkräftigen Maschinen¬
betriebes sind dann bis zu einem gewissen Grade den unvermöglichen Arbeitern
zugänglich gemacht, deren Hauptreichtum in ihrer Muskelkraft steckt, ohne daß
die Übeln Folgen, welche der Großindustrie leicht anhaften, mit übertragen
werden. Die Kleinmotoren bieten, wie Grothc ganz richtig sagt (S. XI.VI11,
„wohl eine bedeutende Produktivusmöglichkcit, aber auch die Möglichkeit, die
Produktion ohne erhebliche Verluste einzuschränken."

In der Weberei uun kommt es darauf an, ans dem Handwebftuhl einen
Webstuhl auszubilden, der als ein halb mechanischer oder ganz mechanischer Stuhl
dem Handwerker und dem Kleinbetrieb dienen kann. Dieser muß dann durch
eine billige und billig zu benutzende Kraftquelle in der Werkstatt des Kleiu-
meistcrs oder Vorarbeiters so erfolgreich in Bewegung gesetzt werden können,
wie seinesgleichen in der Großindustrie. Der Bandstuhl, der seit drei Jahr¬
hunderten unter fortgesetzter Verbesserung der Details angewandt wird, der
sowohl mit Kurbel dnrch den Arbeiter wie mit Motvrenbetrieb in Thätigkeit
gesetzt werden kann, ist ein Beispiel sür die Richtung, in welcher sich verbesserte
Webstuhlkoustrnktionen und dienstbar gemachte Kraftquellen mit einander ver¬
binden müssen.

Daß mit den Mitteln, die Grothe in Vorschlag bringt, wirklich etwas er¬
reicht werden kann, unterliegt keinem Zweifel. Man hat in dieser Hinsicht
anderweitig gute Erfahrungen mit den zur Hebung vou Hausindustrien ange¬
wandten Maßregeln erprobt; ihre Verallgemeinerung bietet daher für Erfolg
Garantie. Man denke z. B. an die blühende Strumpfwirkerei in Mitteldeutsch¬
land, in Apolda, Limbach, Chemnitz, Zeulenrvda, und an das völlige Darnieder¬
liegen desselben Gewerbes im Ansbachcr und Bayreuther Fürstentum, dessen
Entwicklungsgeschichte uns kürzlich erst von berufener Seite erzählt worden ist.*)


Georg Schanz, Zur Geschichte und Kvlmnsntwn in Franke». Ersannen, Dcichert, 1831.
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[0197] Fabrik- »ut Hausindustrie. Stoffe sowie durch Belebung der einheimischen Rohstoffgewinnung u. a. in. glaubt er tels Ziel erreichen zu können. Jeder, der das orientireude Buch aufmerksam studirt, wird ihm fast in allem oder doch in der Hauptsache beistimmen können. Grothc hält sich mit seinen Forderungen durchaus in den Grenzen des Mög¬ lichen. Teils sind es Maßregeln, welche sich in frühern Zeilen oder andern Ländern bereits bewährt haben, die er befürwortet, teils motivirt er seine vor¬ geschlagenen Neuerungen so gut, daß man gern an ihre Durchführbarkeit glaubt. Besonders bemerkenswert erscheint das über die Einführung von Klein¬ motoren gesagte, weil da wieder deutlich das Streben sich zeigt, die Fortschritte der Technik in den Dienst der Industrie zu nehmen. Kein Gedanke unter all den vielen zur Abhilfe der Fabrikmißstände laut gewordenen ist wohl so glücklich wie der zur Einbürgerung von Kleinkraftmaschinen in der Werkstätte des Haus¬ arbeiters und Handwerkers. Läßt sich dieses Problem in befriedigender Weise lösen, so dürfte viel gewonnen sein. Die Vorteile des kapitalkräftigen Maschinen¬ betriebes sind dann bis zu einem gewissen Grade den unvermöglichen Arbeitern zugänglich gemacht, deren Hauptreichtum in ihrer Muskelkraft steckt, ohne daß die Übeln Folgen, welche der Großindustrie leicht anhaften, mit übertragen werden. Die Kleinmotoren bieten, wie Grothc ganz richtig sagt (S. XI.VI11, „wohl eine bedeutende Produktivusmöglichkcit, aber auch die Möglichkeit, die Produktion ohne erhebliche Verluste einzuschränken." In der Weberei uun kommt es darauf an, ans dem Handwebftuhl einen Webstuhl auszubilden, der als ein halb mechanischer oder ganz mechanischer Stuhl dem Handwerker und dem Kleinbetrieb dienen kann. Dieser muß dann durch eine billige und billig zu benutzende Kraftquelle in der Werkstatt des Kleiu- meistcrs oder Vorarbeiters so erfolgreich in Bewegung gesetzt werden können, wie seinesgleichen in der Großindustrie. Der Bandstuhl, der seit drei Jahr¬ hunderten unter fortgesetzter Verbesserung der Details angewandt wird, der sowohl mit Kurbel dnrch den Arbeiter wie mit Motvrenbetrieb in Thätigkeit gesetzt werden kann, ist ein Beispiel sür die Richtung, in welcher sich verbesserte Webstuhlkoustrnktionen und dienstbar gemachte Kraftquellen mit einander ver¬ binden müssen. Daß mit den Mitteln, die Grothe in Vorschlag bringt, wirklich etwas er¬ reicht werden kann, unterliegt keinem Zweifel. Man hat in dieser Hinsicht anderweitig gute Erfahrungen mit den zur Hebung vou Hausindustrien ange¬ wandten Maßregeln erprobt; ihre Verallgemeinerung bietet daher für Erfolg Garantie. Man denke z. B. an die blühende Strumpfwirkerei in Mitteldeutsch¬ land, in Apolda, Limbach, Chemnitz, Zeulenrvda, und an das völlige Darnieder¬ liegen desselben Gewerbes im Ansbachcr und Bayreuther Fürstentum, dessen Entwicklungsgeschichte uns kürzlich erst von berufener Seite erzählt worden ist.*) Georg Schanz, Zur Geschichte und Kvlmnsntwn in Franke». Ersannen, Dcichert, 1831.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/197>, abgerufen am 22.07.2024.