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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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geben und hat es mehr in seiner Hand, dieselbe einzuschränken, wenn er zu weit
gegangen zu sein glaubt.

Es verbinden sich also technische und wirtschaftliche Ursachen, um die Ma¬
schine nicht völlig triumphiren zu lassen. Sie bewirkt, abgesehen von den
Händen, die zu ihrer Bedienung erforderlich sind, auch sonst nicht, daß mau
der Handarbeit ganz entraten kann. Wenn dies in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika scheinbar der Fall ist, so darf nicht übersehen werden, daß diese an
tüchtigen Arbeitskräften stets Mangel gelitten haben. Der Überfluß an solchen,
der in der alten Welt zu einer Manufakturperiode führte, war in der neuen
nie vorhanden und daher machte sich dort die Maschinenarbeit geltend.

Der Segen der Maschine, der nach Ansicht vieler Volkswirte in der
Kürzung und Vereinfachung der Arbeit besteht, die den Fähigkeiten der Arbeiter
besser angepaßt, sowie darin, daß denselben mehr Zeit zur Erlangung größerer
geistiger und sittlicher Bildung geboten werden kaun, zeigt sich durchaus nicht
immer. Über ihre Bedeutung gerade in der Weberei als mauchesterlichen Gro߬
betrieb sagt Grvthe sehr drastisch (S. 298): "Wir können ganz und gar nicht
zugeben, daß die Maschinen die Arbeit kürzen und vereinfachen, vielmehr hat
die mechanische Weberei die Arbeit komplizirter gemacht und an sich nicht ge¬
kürzt; ... sie hat den gelernten Weber ausgetrieben und den ungelernten
Menschen an seine Stelle gesetzt, indem sie dem Arbeiter erklärte, er brauche
seine gewerbliche Instruktion nicht verbessern, seine geistige und sittliche Bildung
nicht vergrößern -- sondern hier sei Reduktion der Fähigkeiten am Orte. Der
Weber gewann nur mehr Zeit zu hungern, und das Erforderlichwerdcn neuer
Arbeit zur Herstellung der Kraftstnhle reichte im entferntesten nicht aus, die
ausgewiesenen Weber zu beschäftigen."

Nach alle diesem kann man sich der Überzeugung nicht verschließen, der
Grothe mit großer Entschiedenheit Raum giebt, daß die Erhaltung und Hebung
der Handwebcrei möglich und geboten sei. Und zwar in dem durchaus ver¬
söhnlichen Sinne einer harmonischen Nebeneinanderstellung des Handwebstuhls
und des mechanischen Webstuhls. Es kann einem nicht beikommen wollen, wie
jenen englischen Arbeitern, welche die Kraftmebslühle, die ihnen ihre Beschäftigung
raubten, gewaltsam zertrümmerten, der Beseitigung derselben das Wort zu
reden, um den hungernden Webern allen zu helfen. Wohl aber läßt sich darau
denken, die Haus- und Handwerkswcber so auszurüsten, daß sie in den Stand
gesetzt werden, die Konkurrenz mit dem Maschinenstuhle erfolgreicher aufnehmen
zu können.

Wie das geschehen kann, setzt der Verfasser eingehend auseinander. Durch
Begründung von Fachschulen und Eröffnung von Lehrwerkstätten, durch Ver¬
besserung der Webstuhlkonstrnktivnen, durch Schananstalten und Ämter zur Veri¬
fikation von Maß und Gewicht, durch Exportbegünstignngen, die für den Absatz
Sorge tragen sollen, durch Anbahnung wohlfeilen Bezuges überseeischer Roh-


geben und hat es mehr in seiner Hand, dieselbe einzuschränken, wenn er zu weit
gegangen zu sein glaubt.

Es verbinden sich also technische und wirtschaftliche Ursachen, um die Ma¬
schine nicht völlig triumphiren zu lassen. Sie bewirkt, abgesehen von den
Händen, die zu ihrer Bedienung erforderlich sind, auch sonst nicht, daß mau
der Handarbeit ganz entraten kann. Wenn dies in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika scheinbar der Fall ist, so darf nicht übersehen werden, daß diese an
tüchtigen Arbeitskräften stets Mangel gelitten haben. Der Überfluß an solchen,
der in der alten Welt zu einer Manufakturperiode führte, war in der neuen
nie vorhanden und daher machte sich dort die Maschinenarbeit geltend.

Der Segen der Maschine, der nach Ansicht vieler Volkswirte in der
Kürzung und Vereinfachung der Arbeit besteht, die den Fähigkeiten der Arbeiter
besser angepaßt, sowie darin, daß denselben mehr Zeit zur Erlangung größerer
geistiger und sittlicher Bildung geboten werden kaun, zeigt sich durchaus nicht
immer. Über ihre Bedeutung gerade in der Weberei als mauchesterlichen Gro߬
betrieb sagt Grvthe sehr drastisch (S. 298): „Wir können ganz und gar nicht
zugeben, daß die Maschinen die Arbeit kürzen und vereinfachen, vielmehr hat
die mechanische Weberei die Arbeit komplizirter gemacht und an sich nicht ge¬
kürzt; ... sie hat den gelernten Weber ausgetrieben und den ungelernten
Menschen an seine Stelle gesetzt, indem sie dem Arbeiter erklärte, er brauche
seine gewerbliche Instruktion nicht verbessern, seine geistige und sittliche Bildung
nicht vergrößern — sondern hier sei Reduktion der Fähigkeiten am Orte. Der
Weber gewann nur mehr Zeit zu hungern, und das Erforderlichwerdcn neuer
Arbeit zur Herstellung der Kraftstnhle reichte im entferntesten nicht aus, die
ausgewiesenen Weber zu beschäftigen."

Nach alle diesem kann man sich der Überzeugung nicht verschließen, der
Grothe mit großer Entschiedenheit Raum giebt, daß die Erhaltung und Hebung
der Handwebcrei möglich und geboten sei. Und zwar in dem durchaus ver¬
söhnlichen Sinne einer harmonischen Nebeneinanderstellung des Handwebstuhls
und des mechanischen Webstuhls. Es kann einem nicht beikommen wollen, wie
jenen englischen Arbeitern, welche die Kraftmebslühle, die ihnen ihre Beschäftigung
raubten, gewaltsam zertrümmerten, der Beseitigung derselben das Wort zu
reden, um den hungernden Webern allen zu helfen. Wohl aber läßt sich darau
denken, die Haus- und Handwerkswcber so auszurüsten, daß sie in den Stand
gesetzt werden, die Konkurrenz mit dem Maschinenstuhle erfolgreicher aufnehmen
zu können.

Wie das geschehen kann, setzt der Verfasser eingehend auseinander. Durch
Begründung von Fachschulen und Eröffnung von Lehrwerkstätten, durch Ver¬
besserung der Webstuhlkonstrnktivnen, durch Schananstalten und Ämter zur Veri¬
fikation von Maß und Gewicht, durch Exportbegünstignngen, die für den Absatz
Sorge tragen sollen, durch Anbahnung wohlfeilen Bezuges überseeischer Roh-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/196>, abgerufen am 22.07.2024.