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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Wenden und der Panslciwismus.

Obwohl min der Name jenes sächsischen Geistlichen, der als der Leiter
der wendischen Bewegung bezeichnet wurde, nicht genannt worden war, so konnte
doch für jemand, der nur einigermaßen mit den Verhältnissen vertraut ist,
kein Zweifel sein, daß Pastor Jmmisch in Göda bei Bautzen gemeint war.
Zwar hatten manche unter dem angegriffenen Geistlichen den katholischen Pfarrer
Homil in Bautzen, einen vielseitig unterrichteten und unter den Wenden be¬
liebten Mann, vermutet; da aber ausdrücklich gesagt worden war, daß sich der
Einfluß des Leiters der wendischen Bewegung bis weit in die preußische Lausitz
hinein bemerkbar mache, so war hierdurch die Möglichkeit, daß Homil gemeint
sei, von vornherein ausgeschlossen, während gerade Pastor Jmmisch in mehr¬
facher Hinsicht auf die Verhältnisse der Wenden auch in der preußischen Lausitz
einen maßgebenden Einfluß ausgeübt hatte.

Es ist bekannt, welches Aufsehen damals jener Aufsatz hervorrief und wie
er die Nunde dnrch die politischen Zeitungen Deutschlands machte; weniger
bekannt ist wohl, daß er in einzelnen die geistlichen Angelegenheiten der Wenden
betreffenden Fragen sogar nicht ohne Einfluß auf die Entschließungen der preu¬
ßischen Regierung gewesen ist. Zwar war der Artikel bald ans der ganzen
Linie von den Blättern aller politischen Färbungen in Bausch und Bogen, im
großen und ganzen unzweideutig widerrufen worden, nachdem auch vonseiten
der preußische" Negicrnngskrcise der Loyalität der wendischen Bevölkerung alle
Anerkennung zuteil geworden war. Aber trotz aller Dementi, welche der Artikel
in der Presse gefunden hatte, äußerte er doch seinen schädlichen, infizircndeu
Einfluß weiter, weil er eben zunächst nur im großen und ganzen als unwahr
bezeichnet, aber nicht in den Einzelheiten seines verdächtigenden Lügengewebes
aufgedeckt und widerlegt worden war. Dabei fehlte es nicht an neuen, grund-
nnd sinnlosen Verdächtigungen. Erst vor Pfingsten 1884 erschien wieder in
einem Berliner Blatte ein unheimlicher Artikel, in welchem von der immer noch,
mir versteckter als früher, betriebenen Agitation unter den Wenden ein Bild
entworfen wird: wie aus Sachsen, speziell aus Bautzen kommende gefährliche
wendische Emissäre im Interesse des Panslawismus das Gebiet der nieder-
lansitzcr Wenden durchziehen, die es vermeiden, in Gasthäusern zu übernachten,
und von panslawistisch gesinnten Geistlichen und Lehrern mit offenen Armen
aufgenommen werden.

Gegen alle diese früheren und neueren Verdächtigungen hat sich Pastor
Jmmisch in einer ausführlichen Verteidigungsschrift gewandt,") in welcher alle
Einzelheiten jener Anklagen beleuchtet und widerlegt und so der Angriff auf



Deutsche Antwort eines sächsischen Wenden. Der Panslawismus, unter
den sächsischen Wenden mit russischem Gelde betrieben und zu deu Wenden in Preußen hin¬
übergetragen, beleuchtet von Pastor H, Jmmisch in Göda. Leipzig, in Kommission der
I. C. Hinrichsschen Buchhandlung. 1884.
Die Wenden und der Panslciwismus.

Obwohl min der Name jenes sächsischen Geistlichen, der als der Leiter
der wendischen Bewegung bezeichnet wurde, nicht genannt worden war, so konnte
doch für jemand, der nur einigermaßen mit den Verhältnissen vertraut ist,
kein Zweifel sein, daß Pastor Jmmisch in Göda bei Bautzen gemeint war.
Zwar hatten manche unter dem angegriffenen Geistlichen den katholischen Pfarrer
Homil in Bautzen, einen vielseitig unterrichteten und unter den Wenden be¬
liebten Mann, vermutet; da aber ausdrücklich gesagt worden war, daß sich der
Einfluß des Leiters der wendischen Bewegung bis weit in die preußische Lausitz
hinein bemerkbar mache, so war hierdurch die Möglichkeit, daß Homil gemeint
sei, von vornherein ausgeschlossen, während gerade Pastor Jmmisch in mehr¬
facher Hinsicht auf die Verhältnisse der Wenden auch in der preußischen Lausitz
einen maßgebenden Einfluß ausgeübt hatte.

Es ist bekannt, welches Aufsehen damals jener Aufsatz hervorrief und wie
er die Nunde dnrch die politischen Zeitungen Deutschlands machte; weniger
bekannt ist wohl, daß er in einzelnen die geistlichen Angelegenheiten der Wenden
betreffenden Fragen sogar nicht ohne Einfluß auf die Entschließungen der preu¬
ßischen Regierung gewesen ist. Zwar war der Artikel bald ans der ganzen
Linie von den Blättern aller politischen Färbungen in Bausch und Bogen, im
großen und ganzen unzweideutig widerrufen worden, nachdem auch vonseiten
der preußische» Negicrnngskrcise der Loyalität der wendischen Bevölkerung alle
Anerkennung zuteil geworden war. Aber trotz aller Dementi, welche der Artikel
in der Presse gefunden hatte, äußerte er doch seinen schädlichen, infizircndeu
Einfluß weiter, weil er eben zunächst nur im großen und ganzen als unwahr
bezeichnet, aber nicht in den Einzelheiten seines verdächtigenden Lügengewebes
aufgedeckt und widerlegt worden war. Dabei fehlte es nicht an neuen, grund-
nnd sinnlosen Verdächtigungen. Erst vor Pfingsten 1884 erschien wieder in
einem Berliner Blatte ein unheimlicher Artikel, in welchem von der immer noch,
mir versteckter als früher, betriebenen Agitation unter den Wenden ein Bild
entworfen wird: wie aus Sachsen, speziell aus Bautzen kommende gefährliche
wendische Emissäre im Interesse des Panslawismus das Gebiet der nieder-
lansitzcr Wenden durchziehen, die es vermeiden, in Gasthäusern zu übernachten,
und von panslawistisch gesinnten Geistlichen und Lehrern mit offenen Armen
aufgenommen werden.

Gegen alle diese früheren und neueren Verdächtigungen hat sich Pastor
Jmmisch in einer ausführlichen Verteidigungsschrift gewandt,") in welcher alle
Einzelheiten jener Anklagen beleuchtet und widerlegt und so der Angriff auf



Deutsche Antwort eines sächsischen Wenden. Der Panslawismus, unter
den sächsischen Wenden mit russischem Gelde betrieben und zu deu Wenden in Preußen hin¬
übergetragen, beleuchtet von Pastor H, Jmmisch in Göda. Leipzig, in Kommission der
I. C. Hinrichsschen Buchhandlung. 1884.
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[0181] Die Wenden und der Panslciwismus. Obwohl min der Name jenes sächsischen Geistlichen, der als der Leiter der wendischen Bewegung bezeichnet wurde, nicht genannt worden war, so konnte doch für jemand, der nur einigermaßen mit den Verhältnissen vertraut ist, kein Zweifel sein, daß Pastor Jmmisch in Göda bei Bautzen gemeint war. Zwar hatten manche unter dem angegriffenen Geistlichen den katholischen Pfarrer Homil in Bautzen, einen vielseitig unterrichteten und unter den Wenden be¬ liebten Mann, vermutet; da aber ausdrücklich gesagt worden war, daß sich der Einfluß des Leiters der wendischen Bewegung bis weit in die preußische Lausitz hinein bemerkbar mache, so war hierdurch die Möglichkeit, daß Homil gemeint sei, von vornherein ausgeschlossen, während gerade Pastor Jmmisch in mehr¬ facher Hinsicht auf die Verhältnisse der Wenden auch in der preußischen Lausitz einen maßgebenden Einfluß ausgeübt hatte. Es ist bekannt, welches Aufsehen damals jener Aufsatz hervorrief und wie er die Nunde dnrch die politischen Zeitungen Deutschlands machte; weniger bekannt ist wohl, daß er in einzelnen die geistlichen Angelegenheiten der Wenden betreffenden Fragen sogar nicht ohne Einfluß auf die Entschließungen der preu¬ ßischen Regierung gewesen ist. Zwar war der Artikel bald ans der ganzen Linie von den Blättern aller politischen Färbungen in Bausch und Bogen, im großen und ganzen unzweideutig widerrufen worden, nachdem auch vonseiten der preußische» Negicrnngskrcise der Loyalität der wendischen Bevölkerung alle Anerkennung zuteil geworden war. Aber trotz aller Dementi, welche der Artikel in der Presse gefunden hatte, äußerte er doch seinen schädlichen, infizircndeu Einfluß weiter, weil er eben zunächst nur im großen und ganzen als unwahr bezeichnet, aber nicht in den Einzelheiten seines verdächtigenden Lügengewebes aufgedeckt und widerlegt worden war. Dabei fehlte es nicht an neuen, grund- nnd sinnlosen Verdächtigungen. Erst vor Pfingsten 1884 erschien wieder in einem Berliner Blatte ein unheimlicher Artikel, in welchem von der immer noch, mir versteckter als früher, betriebenen Agitation unter den Wenden ein Bild entworfen wird: wie aus Sachsen, speziell aus Bautzen kommende gefährliche wendische Emissäre im Interesse des Panslawismus das Gebiet der nieder- lansitzcr Wenden durchziehen, die es vermeiden, in Gasthäusern zu übernachten, und von panslawistisch gesinnten Geistlichen und Lehrern mit offenen Armen aufgenommen werden. Gegen alle diese früheren und neueren Verdächtigungen hat sich Pastor Jmmisch in einer ausführlichen Verteidigungsschrift gewandt,") in welcher alle Einzelheiten jener Anklagen beleuchtet und widerlegt und so der Angriff auf Deutsche Antwort eines sächsischen Wenden. Der Panslawismus, unter den sächsischen Wenden mit russischem Gelde betrieben und zu deu Wenden in Preußen hin¬ übergetragen, beleuchtet von Pastor H, Jmmisch in Göda. Leipzig, in Kommission der I. C. Hinrichsschen Buchhandlung. 1884.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/181>, abgerufen am 22.07.2024.