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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Englands Mittel zur Verteidigung Indiens.

und haben in ihren Offizierkorps einige Engländer. Außerdem aber halten
die 147 einheimischen Fürsten fast sämtlich von England unabhängige Heere,
die zusammen über 300000 Mann aller Waffen zählen, aber von sehr Ver¬
schiednem militärischen Werte sind. Indes haben sie zum Teil Hinterlader,
auch fehlt es ihnen nicht an Artillerie, namentlich nicht an Positionsgcschützen,
und es giebt in den betreffenden Staaten viele kleine Festungen, sowie Geschütz-
gießcreien, Gcwehrfabriken und Pulvcrmühlen. Für die am besten organisirten
Truppen dieser Art gelten die des Holkar von Indore und die des sembla
von Gwalior; von den letzteren bemerkte die 'Ilm>Z8 einmal, sie seien "den
Sipoys weit überlegen." Kann daraus unter Umständen Gefahr entstehen, so
kommt dazu noch, daß die einheimischen Fürsten über sehr bedeutende finanzielle
Kräfte gebiete", und so hat Lord Dusferin, der jetzige Vizekönig, bei der Ab¬
reise auf seinen Posten den Auftrag mitgenommen, eine Ordnung der Dinge
anzubahnen, welche ihnen die Befugnis ans den Händen nehmen würde, eigne,
von Englands Befehlen unabhängige Armeen zu halten.

Bei der Verteilung der Negicrungstruppeu über das Land war an die
Aufrechthaltung der Ordnung im Innern, an den Schutz der Grenzen und an
die Erhaltung der Gesundheit der aus Europa gekommenen Soldaten zu denken,
welchen das Klima in den Ebenen sehr gefährlich ist. So garnisonirt die Mehr¬
zahl der englischen und der indischen Infanterie in gewöhnlichen Zeiten in den
Hauptstädten des Ganges- und des Judusthales (Pendschab), und dasselbe gilt
von der Kavallerie, wogegen die Artillerie sich gleichmäßig über das Land ver¬
teilt. Da an der Ostgrenze bisher kein feindlicher Einfall drohte, so befinden
sich dort nur eingeborne Truppen, und zwar in geringer Stärke. Dagegen
standen schon vor Jahren an der nordwestlichen Grenze, gegen Afghanistan,
sowie an der westlichen, gegen Beludschistan, immer besondre Streitkräfte in
Kriegsbereitschaft, hier das Sind- und dort das Pendschabkorps, und nenerdings
sind auch andre Truppen in diese Gegenden vorgeschoben worden, wo sie in
der Nähe der Eisenbahnen aufgestellt sind. Letztere sind in den letzten Jahren
eifrig gefördert worden und bilden ein zusammenhängendes Netz, dessen Haupt¬
knotenpunkt Bombay ist, wo die von England eintreffenden Transporte haupt¬
sächlich ausgeschifft werdeu. Die europäische" Regimenter liegen für gewöhnlich
meist i" Kasernen, die Sipoys sind in lagerartig eingerichteten Baracken (Bun¬
galows) untergebracht. Für jene bestehen in den Vorbergen des Himalaya und
seiner Nebenketten in gesunder Luft Stationen für Kranke und Genesende. So¬
wohl für die europäischen als für die indischen Truppen der Regierung hat
man Übungslager errichtet.

Fragen wir, wie es mit der Macht der Engländer gegenüber ihren in¬
dischen Unterthanen steht, so ist die Antwort hierauf nicht leicht mit Sicherheit
zu geben. Die Negierung hat sich in den letzten Jahrzehnten mit gutem Er¬
folge bemüht, die materielle und geistige Kultur des Landes zu heben. Der


Englands Mittel zur Verteidigung Indiens.

und haben in ihren Offizierkorps einige Engländer. Außerdem aber halten
die 147 einheimischen Fürsten fast sämtlich von England unabhängige Heere,
die zusammen über 300000 Mann aller Waffen zählen, aber von sehr Ver¬
schiednem militärischen Werte sind. Indes haben sie zum Teil Hinterlader,
auch fehlt es ihnen nicht an Artillerie, namentlich nicht an Positionsgcschützen,
und es giebt in den betreffenden Staaten viele kleine Festungen, sowie Geschütz-
gießcreien, Gcwehrfabriken und Pulvcrmühlen. Für die am besten organisirten
Truppen dieser Art gelten die des Holkar von Indore und die des sembla
von Gwalior; von den letzteren bemerkte die 'Ilm>Z8 einmal, sie seien „den
Sipoys weit überlegen." Kann daraus unter Umständen Gefahr entstehen, so
kommt dazu noch, daß die einheimischen Fürsten über sehr bedeutende finanzielle
Kräfte gebiete», und so hat Lord Dusferin, der jetzige Vizekönig, bei der Ab¬
reise auf seinen Posten den Auftrag mitgenommen, eine Ordnung der Dinge
anzubahnen, welche ihnen die Befugnis ans den Händen nehmen würde, eigne,
von Englands Befehlen unabhängige Armeen zu halten.

Bei der Verteilung der Negicrungstruppeu über das Land war an die
Aufrechthaltung der Ordnung im Innern, an den Schutz der Grenzen und an
die Erhaltung der Gesundheit der aus Europa gekommenen Soldaten zu denken,
welchen das Klima in den Ebenen sehr gefährlich ist. So garnisonirt die Mehr¬
zahl der englischen und der indischen Infanterie in gewöhnlichen Zeiten in den
Hauptstädten des Ganges- und des Judusthales (Pendschab), und dasselbe gilt
von der Kavallerie, wogegen die Artillerie sich gleichmäßig über das Land ver¬
teilt. Da an der Ostgrenze bisher kein feindlicher Einfall drohte, so befinden
sich dort nur eingeborne Truppen, und zwar in geringer Stärke. Dagegen
standen schon vor Jahren an der nordwestlichen Grenze, gegen Afghanistan,
sowie an der westlichen, gegen Beludschistan, immer besondre Streitkräfte in
Kriegsbereitschaft, hier das Sind- und dort das Pendschabkorps, und nenerdings
sind auch andre Truppen in diese Gegenden vorgeschoben worden, wo sie in
der Nähe der Eisenbahnen aufgestellt sind. Letztere sind in den letzten Jahren
eifrig gefördert worden und bilden ein zusammenhängendes Netz, dessen Haupt¬
knotenpunkt Bombay ist, wo die von England eintreffenden Transporte haupt¬
sächlich ausgeschifft werdeu. Die europäische» Regimenter liegen für gewöhnlich
meist i» Kasernen, die Sipoys sind in lagerartig eingerichteten Baracken (Bun¬
galows) untergebracht. Für jene bestehen in den Vorbergen des Himalaya und
seiner Nebenketten in gesunder Luft Stationen für Kranke und Genesende. So¬
wohl für die europäischen als für die indischen Truppen der Regierung hat
man Übungslager errichtet.

Fragen wir, wie es mit der Macht der Engländer gegenüber ihren in¬
dischen Unterthanen steht, so ist die Antwort hierauf nicht leicht mit Sicherheit
zu geben. Die Negierung hat sich in den letzten Jahrzehnten mit gutem Er¬
folge bemüht, die materielle und geistige Kultur des Landes zu heben. Der


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[0172] Englands Mittel zur Verteidigung Indiens. und haben in ihren Offizierkorps einige Engländer. Außerdem aber halten die 147 einheimischen Fürsten fast sämtlich von England unabhängige Heere, die zusammen über 300000 Mann aller Waffen zählen, aber von sehr Ver¬ schiednem militärischen Werte sind. Indes haben sie zum Teil Hinterlader, auch fehlt es ihnen nicht an Artillerie, namentlich nicht an Positionsgcschützen, und es giebt in den betreffenden Staaten viele kleine Festungen, sowie Geschütz- gießcreien, Gcwehrfabriken und Pulvcrmühlen. Für die am besten organisirten Truppen dieser Art gelten die des Holkar von Indore und die des sembla von Gwalior; von den letzteren bemerkte die 'Ilm>Z8 einmal, sie seien „den Sipoys weit überlegen." Kann daraus unter Umständen Gefahr entstehen, so kommt dazu noch, daß die einheimischen Fürsten über sehr bedeutende finanzielle Kräfte gebiete», und so hat Lord Dusferin, der jetzige Vizekönig, bei der Ab¬ reise auf seinen Posten den Auftrag mitgenommen, eine Ordnung der Dinge anzubahnen, welche ihnen die Befugnis ans den Händen nehmen würde, eigne, von Englands Befehlen unabhängige Armeen zu halten. Bei der Verteilung der Negicrungstruppeu über das Land war an die Aufrechthaltung der Ordnung im Innern, an den Schutz der Grenzen und an die Erhaltung der Gesundheit der aus Europa gekommenen Soldaten zu denken, welchen das Klima in den Ebenen sehr gefährlich ist. So garnisonirt die Mehr¬ zahl der englischen und der indischen Infanterie in gewöhnlichen Zeiten in den Hauptstädten des Ganges- und des Judusthales (Pendschab), und dasselbe gilt von der Kavallerie, wogegen die Artillerie sich gleichmäßig über das Land ver¬ teilt. Da an der Ostgrenze bisher kein feindlicher Einfall drohte, so befinden sich dort nur eingeborne Truppen, und zwar in geringer Stärke. Dagegen standen schon vor Jahren an der nordwestlichen Grenze, gegen Afghanistan, sowie an der westlichen, gegen Beludschistan, immer besondre Streitkräfte in Kriegsbereitschaft, hier das Sind- und dort das Pendschabkorps, und nenerdings sind auch andre Truppen in diese Gegenden vorgeschoben worden, wo sie in der Nähe der Eisenbahnen aufgestellt sind. Letztere sind in den letzten Jahren eifrig gefördert worden und bilden ein zusammenhängendes Netz, dessen Haupt¬ knotenpunkt Bombay ist, wo die von England eintreffenden Transporte haupt¬ sächlich ausgeschifft werdeu. Die europäische» Regimenter liegen für gewöhnlich meist i» Kasernen, die Sipoys sind in lagerartig eingerichteten Baracken (Bun¬ galows) untergebracht. Für jene bestehen in den Vorbergen des Himalaya und seiner Nebenketten in gesunder Luft Stationen für Kranke und Genesende. So¬ wohl für die europäischen als für die indischen Truppen der Regierung hat man Übungslager errichtet. Fragen wir, wie es mit der Macht der Engländer gegenüber ihren in¬ dischen Unterthanen steht, so ist die Antwort hierauf nicht leicht mit Sicherheit zu geben. Die Negierung hat sich in den letzten Jahrzehnten mit gutem Er¬ folge bemüht, die materielle und geistige Kultur des Landes zu heben. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/172>, abgerufen am 22.07.2024.