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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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der Erwägung weichen, daß die durch die Verschiedenartigkeit des materiellen
bürgerlichen Rechts bewirkte verschiedenartige Behandlung der Erbschaft und
ihres Überganges an andre eine einheitliche Regelung der Steuer für das ganze
Reich vorläufig unthunlich mache. Mit der in hoffentlich nicht zu ferner Zeit
zu erwartenden Einführung eines neuen bürgerlichen Gesetzbuches wird dieser
Grund wegfallen, und dann steht dem Übergange der Steuer auf das Reich
nichts mehr im Wege. Preußen wird dann hoffentlich seinen Antrag wieder
aufnehmen und dadurch nicht nur dem Reiche eine reiche Einnahmequelle
eröffnen, sondern auch durch die Übertragung der Erbschaftssteuer auf das
Reich dieser Steuer den ihrem Wesen entsprechenden Charakter eines Erbrechts
des Staates als der Gesamtheit aller wirtschaftlich Urd...enden an dem Nachlasse
des Einzelnen geben. Denn das wirtschaftliche Gebiet, in welchen: der deutsche
Rcichsaugehörige arbeitet, ist naturgemäß das Reich, wie das ja auch in der
immermehr zunehmenden Häufung der wirtschaftlichen Obliegenheiten des Staates
auf das Reich seinen klaren Ausdruck findet. Deshalb muß dem Reiche, nicht
dem Einzelstaate, der ihm gebührende Anteil werden an dem, was die Arbeit
des Einzelnen an wirtschaftlichen Gütern erworben hat und was sich bei dem
Tode des Einzelnen als dessen Nachlaß darstellt.

Mag dieses Ziel nun aber früher oder später erreicht werden, jedenfalls
kann schon heute von einem System der deutschen Erbschafts- und Schenkungs-
fteuern geredet werden. Denn wenn auch, wie gesagt, die Gesetzgebung in dieser
Materie heute noch in den Händen der Einzelstaaten ruht, so find doch die jetzt
in allen größeren deutschen Staaten erlassenen Gesetze einem Vorbilde nach¬
gebildet worden und deshalb in der Hauptsache sowohl diesem Vorbilde als auch
untereinander ähnlich. Das Vorbild ist das preußische Gesetz vom 30. Mai 1873,
betreffend die Erbschaftssteuer. Ihm folgten Sachsen mit dem Gesetz vom
13. November 1876 über die Erbschaftssteuer, mit den Nachtraggcsetzen vom
3. Juni 1879 und vom 9. März 1880, Baiern mit dem Gesetz vom 18. Angust 1879
über die Erbschaftssteuer, Würtemberg mit dem vom 24. März 1881, betreffend
die Erbschafts- und Schenlüngsfteuer, Hessen mit dem vom 30. August 1884,
die Erbschafts- und Schenlüngsfteuer betreffend. Auch Baden hat dnrch das
Finanzgesetz vom 18. März 1880 die Besteuerung der Erbschaften wesentlich
geändert.

Ehe wir auf die Einzelbestimmungen dieser Gesetze eingehen, soll auf ein
Charakteristikum der preußischen Gesetzgebung hingewiesen werden, das ver-
schiedne andre Gesetze ebenfalls aufgenommen haben. Das preußische sowie
das würtenbergische und das hessische Gesetz verbinden mit der Erbschaftssteuer
eine Steuer auf Vermögensübergcinge durch Schenkung uuter Lebenden. Der
Zweck der Einführung dieser Steuer und ihre Verbindung mit der Erbschafts¬
steuer ist ausgesprochenermaßen der der Sicherung der letztgenannten Steuer,
da es bei der Bevölkerung ein immer allgemeinerer Gebrauch zu werden droht,


der Erwägung weichen, daß die durch die Verschiedenartigkeit des materiellen
bürgerlichen Rechts bewirkte verschiedenartige Behandlung der Erbschaft und
ihres Überganges an andre eine einheitliche Regelung der Steuer für das ganze
Reich vorläufig unthunlich mache. Mit der in hoffentlich nicht zu ferner Zeit
zu erwartenden Einführung eines neuen bürgerlichen Gesetzbuches wird dieser
Grund wegfallen, und dann steht dem Übergange der Steuer auf das Reich
nichts mehr im Wege. Preußen wird dann hoffentlich seinen Antrag wieder
aufnehmen und dadurch nicht nur dem Reiche eine reiche Einnahmequelle
eröffnen, sondern auch durch die Übertragung der Erbschaftssteuer auf das
Reich dieser Steuer den ihrem Wesen entsprechenden Charakter eines Erbrechts
des Staates als der Gesamtheit aller wirtschaftlich Urd...enden an dem Nachlasse
des Einzelnen geben. Denn das wirtschaftliche Gebiet, in welchen: der deutsche
Rcichsaugehörige arbeitet, ist naturgemäß das Reich, wie das ja auch in der
immermehr zunehmenden Häufung der wirtschaftlichen Obliegenheiten des Staates
auf das Reich seinen klaren Ausdruck findet. Deshalb muß dem Reiche, nicht
dem Einzelstaate, der ihm gebührende Anteil werden an dem, was die Arbeit
des Einzelnen an wirtschaftlichen Gütern erworben hat und was sich bei dem
Tode des Einzelnen als dessen Nachlaß darstellt.

Mag dieses Ziel nun aber früher oder später erreicht werden, jedenfalls
kann schon heute von einem System der deutschen Erbschafts- und Schenkungs-
fteuern geredet werden. Denn wenn auch, wie gesagt, die Gesetzgebung in dieser
Materie heute noch in den Händen der Einzelstaaten ruht, so find doch die jetzt
in allen größeren deutschen Staaten erlassenen Gesetze einem Vorbilde nach¬
gebildet worden und deshalb in der Hauptsache sowohl diesem Vorbilde als auch
untereinander ähnlich. Das Vorbild ist das preußische Gesetz vom 30. Mai 1873,
betreffend die Erbschaftssteuer. Ihm folgten Sachsen mit dem Gesetz vom
13. November 1876 über die Erbschaftssteuer, mit den Nachtraggcsetzen vom
3. Juni 1879 und vom 9. März 1880, Baiern mit dem Gesetz vom 18. Angust 1879
über die Erbschaftssteuer, Würtemberg mit dem vom 24. März 1881, betreffend
die Erbschafts- und Schenlüngsfteuer, Hessen mit dem vom 30. August 1884,
die Erbschafts- und Schenlüngsfteuer betreffend. Auch Baden hat dnrch das
Finanzgesetz vom 18. März 1880 die Besteuerung der Erbschaften wesentlich
geändert.

Ehe wir auf die Einzelbestimmungen dieser Gesetze eingehen, soll auf ein
Charakteristikum der preußischen Gesetzgebung hingewiesen werden, das ver-
schiedne andre Gesetze ebenfalls aufgenommen haben. Das preußische sowie
das würtenbergische und das hessische Gesetz verbinden mit der Erbschaftssteuer
eine Steuer auf Vermögensübergcinge durch Schenkung uuter Lebenden. Der
Zweck der Einführung dieser Steuer und ihre Verbindung mit der Erbschafts¬
steuer ist ausgesprochenermaßen der der Sicherung der letztgenannten Steuer,
da es bei der Bevölkerung ein immer allgemeinerer Gebrauch zu werden droht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/17>, abgerufen am 22.07.2024.