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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle,

und drückte sich auf die Seite. Der Lakai hatte bei der Erwähnung des vor¬
nehmen rotbärtigen Herrn hoch aufgehorcht. Als er endlich zu Worte kam und
nach dem Verbleiben des Kavaliers fragte, hieß es, der mttsfe freilich auch eine
üble Schmarre davongetragen haben, denn er sei wie tot umgestürzt, aber in
dem allgemeinen Gedränge sei nicht zu sehen gewesen, wo er unter Dach ge¬
kommen sein möge.

Der Lakai machte einige Bemerkungen über den schwierigen Stand der
herzoglichen Schweizergarde und wie jeder gute Unterthan die Pflicht habe,
ihrer Unbeliebtheit nach Möglichkeit entgegenzuarbeiten, worauf er sich empfahl
und langsam und nachdenklich seiner Wege gehend überlegte, wo sich etwa über
den Verbleib des Rotbärtigen näheres ermitteln ließ.

Er hielt große Stücke auf Ahnungen. Daß er heute Beppo zufällig zu
Gesicht bekommen werde, hatte ihm frühmorgens schon geahnt. Jetzt ahnte ihm,
der Kavalier werde Beppos Herr gewesen sein. Ich habe einen günstigen Tag,
redete er vor sich hin; mir ist, als sollte ich heute noch wichtigen Dingen ans
die Spur kommen.




Fünfzehntes Aapitel.

Unweit des zweiten durch Giulio Romano erbauten Hauses, des heutigen
Palazzo Colloredo gab es zu jener Zeit ein schmales Gäßchen, den Vicolo dei
Spadaji, zu Teutsch: das Schwcrtfegergäßchen. Die Nachbarschaft herrschaft¬
licher Wohnungen hatte dem unansehnlichen Gäßchen auch für solche Geschäfte
Wert gegeben, die nichts mit dem ehrbaren Gewerbe der Schwertfegerei zu
schaffen hatten, und unter dem Vorwande eines notwendigen Ganges zu Samuele
Purgo, dem bekanntesten Spadajo, spazierte mancher junge Mcmtncmcr Edel¬
mann in das auch selbst am Tage fast lichtlose Gäßchen mit goldgespickter Börse
hinein, um ohne einen Batzen in der Tasche wieder herauszukommen.

Die weiteren Erkundigungen des Lakaien ergaben, wie er erwartete, in Be¬
treff des rotbärtigen Kavaliers, mau habe ihn, da er bewußtlos gewesen, beim
Herantraben der herzogliche" Garde mir rasch nach dem Vicolo hineingeschafft,
sonst wäre er überritten worden.

In den Vicolo also verfügte sich Antonio Maria.

Ein Spielhaus, an dessen Thür er pochte, wurde ihm nicht geöffnet. Die
eben vorher noch glänzend hell gewesenen Fenster des obern Stockwerks waren
plötzlich dunkel geworden. Er hielt sich nicht auf und- ging drei Häuser weiter.
Hier glaubte man, ein Kunde begehre Einlaß und öffnete. Als man den ge¬
heimen Adjuukten Vitalianos erkannte, stand man dienstwillig Rede: der rot¬
bärtige Kavalier sei nach dem Bagno ti Vesta getragen worden, also ans Ende
des Vicolo, allerdings der stattlichsten Unterkunft, die in dem Schwcrtfeger¬
gäßchen zu finden war.


Um eine Perle,

und drückte sich auf die Seite. Der Lakai hatte bei der Erwähnung des vor¬
nehmen rotbärtigen Herrn hoch aufgehorcht. Als er endlich zu Worte kam und
nach dem Verbleiben des Kavaliers fragte, hieß es, der mttsfe freilich auch eine
üble Schmarre davongetragen haben, denn er sei wie tot umgestürzt, aber in
dem allgemeinen Gedränge sei nicht zu sehen gewesen, wo er unter Dach ge¬
kommen sein möge.

Der Lakai machte einige Bemerkungen über den schwierigen Stand der
herzoglichen Schweizergarde und wie jeder gute Unterthan die Pflicht habe,
ihrer Unbeliebtheit nach Möglichkeit entgegenzuarbeiten, worauf er sich empfahl
und langsam und nachdenklich seiner Wege gehend überlegte, wo sich etwa über
den Verbleib des Rotbärtigen näheres ermitteln ließ.

Er hielt große Stücke auf Ahnungen. Daß er heute Beppo zufällig zu
Gesicht bekommen werde, hatte ihm frühmorgens schon geahnt. Jetzt ahnte ihm,
der Kavalier werde Beppos Herr gewesen sein. Ich habe einen günstigen Tag,
redete er vor sich hin; mir ist, als sollte ich heute noch wichtigen Dingen ans
die Spur kommen.




Fünfzehntes Aapitel.

Unweit des zweiten durch Giulio Romano erbauten Hauses, des heutigen
Palazzo Colloredo gab es zu jener Zeit ein schmales Gäßchen, den Vicolo dei
Spadaji, zu Teutsch: das Schwcrtfegergäßchen. Die Nachbarschaft herrschaft¬
licher Wohnungen hatte dem unansehnlichen Gäßchen auch für solche Geschäfte
Wert gegeben, die nichts mit dem ehrbaren Gewerbe der Schwertfegerei zu
schaffen hatten, und unter dem Vorwande eines notwendigen Ganges zu Samuele
Purgo, dem bekanntesten Spadajo, spazierte mancher junge Mcmtncmcr Edel¬
mann in das auch selbst am Tage fast lichtlose Gäßchen mit goldgespickter Börse
hinein, um ohne einen Batzen in der Tasche wieder herauszukommen.

Die weiteren Erkundigungen des Lakaien ergaben, wie er erwartete, in Be¬
treff des rotbärtigen Kavaliers, mau habe ihn, da er bewußtlos gewesen, beim
Herantraben der herzogliche» Garde mir rasch nach dem Vicolo hineingeschafft,
sonst wäre er überritten worden.

In den Vicolo also verfügte sich Antonio Maria.

Ein Spielhaus, an dessen Thür er pochte, wurde ihm nicht geöffnet. Die
eben vorher noch glänzend hell gewesenen Fenster des obern Stockwerks waren
plötzlich dunkel geworden. Er hielt sich nicht auf und- ging drei Häuser weiter.
Hier glaubte man, ein Kunde begehre Einlaß und öffnete. Als man den ge¬
heimen Adjuukten Vitalianos erkannte, stand man dienstwillig Rede: der rot¬
bärtige Kavalier sei nach dem Bagno ti Vesta getragen worden, also ans Ende
des Vicolo, allerdings der stattlichsten Unterkunft, die in dem Schwcrtfeger¬
gäßchen zu finden war.


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[0153] Um eine Perle, und drückte sich auf die Seite. Der Lakai hatte bei der Erwähnung des vor¬ nehmen rotbärtigen Herrn hoch aufgehorcht. Als er endlich zu Worte kam und nach dem Verbleiben des Kavaliers fragte, hieß es, der mttsfe freilich auch eine üble Schmarre davongetragen haben, denn er sei wie tot umgestürzt, aber in dem allgemeinen Gedränge sei nicht zu sehen gewesen, wo er unter Dach ge¬ kommen sein möge. Der Lakai machte einige Bemerkungen über den schwierigen Stand der herzoglichen Schweizergarde und wie jeder gute Unterthan die Pflicht habe, ihrer Unbeliebtheit nach Möglichkeit entgegenzuarbeiten, worauf er sich empfahl und langsam und nachdenklich seiner Wege gehend überlegte, wo sich etwa über den Verbleib des Rotbärtigen näheres ermitteln ließ. Er hielt große Stücke auf Ahnungen. Daß er heute Beppo zufällig zu Gesicht bekommen werde, hatte ihm frühmorgens schon geahnt. Jetzt ahnte ihm, der Kavalier werde Beppos Herr gewesen sein. Ich habe einen günstigen Tag, redete er vor sich hin; mir ist, als sollte ich heute noch wichtigen Dingen ans die Spur kommen. Fünfzehntes Aapitel. Unweit des zweiten durch Giulio Romano erbauten Hauses, des heutigen Palazzo Colloredo gab es zu jener Zeit ein schmales Gäßchen, den Vicolo dei Spadaji, zu Teutsch: das Schwcrtfegergäßchen. Die Nachbarschaft herrschaft¬ licher Wohnungen hatte dem unansehnlichen Gäßchen auch für solche Geschäfte Wert gegeben, die nichts mit dem ehrbaren Gewerbe der Schwertfegerei zu schaffen hatten, und unter dem Vorwande eines notwendigen Ganges zu Samuele Purgo, dem bekanntesten Spadajo, spazierte mancher junge Mcmtncmcr Edel¬ mann in das auch selbst am Tage fast lichtlose Gäßchen mit goldgespickter Börse hinein, um ohne einen Batzen in der Tasche wieder herauszukommen. Die weiteren Erkundigungen des Lakaien ergaben, wie er erwartete, in Be¬ treff des rotbärtigen Kavaliers, mau habe ihn, da er bewußtlos gewesen, beim Herantraben der herzogliche» Garde mir rasch nach dem Vicolo hineingeschafft, sonst wäre er überritten worden. In den Vicolo also verfügte sich Antonio Maria. Ein Spielhaus, an dessen Thür er pochte, wurde ihm nicht geöffnet. Die eben vorher noch glänzend hell gewesenen Fenster des obern Stockwerks waren plötzlich dunkel geworden. Er hielt sich nicht auf und- ging drei Häuser weiter. Hier glaubte man, ein Kunde begehre Einlaß und öffnete. Als man den ge¬ heimen Adjuukten Vitalianos erkannte, stand man dienstwillig Rede: der rot¬ bärtige Kavalier sei nach dem Bagno ti Vesta getragen worden, also ans Ende des Vicolo, allerdings der stattlichsten Unterkunft, die in dem Schwcrtfeger¬ gäßchen zu finden war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/153>, abgerufen am 22.07.2024.