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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Notizen.

hältnismäßig sehr ausführliche Schilderung der Entwicklungszeit, die fast ein Drittel
des Buches beansprucht. Wie liebevoll sind diese Kapitel geschrieben, mit welcher
liebenswürdigen Frische entrollen sie uns ein Bild des Gymnasiasten, des Stu¬
denten, des werdenden Privatdozenten; immer das Persönliche mit dem sachlichen
verbindend und eben dadurch den Leser mit strikten Beweis überzeugend, daß jede
wissenschaftliche That Hettuers ein unmittelbarer Ausfluß seiner ganzen Persön¬
lichkeit war. Das stimmt wehmütig, weil solche Persönlichkeiten selten geworden
sind, Moderne Menschen gehen eben auch in ihren Büchern immer im Gesell-
schaftsanzug, vielleicht weil ihr Negligee zu sehr Negligee ist. Aber eben das
thut fo wohl, daß Stern in aller und jeder Beziehung seinem Helden nachem¬
pfinden kann und, in zarter Huldigung, in der Form seiner Biographie dem Wesen
des Helden entspricht. Besonders dankenswert ist es, daß uns wiederholt Hettuers
Briefe gegeben werden, durch die sich das Charakterbild wesentlich abrundet und
belebt. Aber das durste eben nur ein Biograph wagen, der sicher war, daß seine
eigne Darstellung dadurch nnr Bestätigung, keine Beeinträchtigung erfahren würde.

Zum Schluß noch eins. Es ist ja unleugbar, daß ein umfangreicheres Werk,
Hettner als Gelehrten in den Strömungen seiner Wissenschaft darstellend, noch un¬
gemein viel des Anregenden und Klärenden bringen würde. Hettners wissen¬
schaftliche Bedeutung ist groß genug, um einem solchen Werke den Wert einer
Geschichte der modernen Kunsttheorie zu geben, und keinen bessern Autor würde"
wir ihm wünschen können, als wiederum Stern, Und doch ist die kurzgefaßte
Form des vorliegenden "Lebensbildes" eine viel glücklichere Wahl, als es ein
ausführliches Werk gewesen wäre, Hettuers Verehrer freilich würden wohl auch
die Bewältigung eines .ausführlichen nicht gescheut haben; aber so zahlreich sie
sind, so ist doch im Interesse unsrer nationalen Bildung ein noch viel, mehr ver¬
breitetes Studium namentlich von Hettners literatnrgeschichtlichen Schriften dringend
zu wünschen. Und unser "Lebensbild" ist wie geschaffen dazu, abzuregen und
einzuführen. Vielleicht hat nicht bloß die Bedeutung des Buches an sich, fondern
auch dieser Nebengedanke Stern dazu veranlaßt, die. "Literaturgeschichte des acht¬
zehnten Jahrhunderts" besonders eingehend zu besprechen?

Und nur noch ein Wunsch, ein unbescheidener: Wir möchten unser Buch als
Einleitung zu einer von demselben Verfasser besorgten Gesamtausgabe Hetel^ers
gern zum zweitenmale erblicken. Bis das möglich ist, Wollen wir .es den Ge¬
bildeten der Nation ans Herz legen: es ist ein Denkmal, das ein edler Geist dein
geschiedenen andern weihte.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig, .
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Rcudnch-Leipzig.
Notizen.

hältnismäßig sehr ausführliche Schilderung der Entwicklungszeit, die fast ein Drittel
des Buches beansprucht. Wie liebevoll sind diese Kapitel geschrieben, mit welcher
liebenswürdigen Frische entrollen sie uns ein Bild des Gymnasiasten, des Stu¬
denten, des werdenden Privatdozenten; immer das Persönliche mit dem sachlichen
verbindend und eben dadurch den Leser mit strikten Beweis überzeugend, daß jede
wissenschaftliche That Hettuers ein unmittelbarer Ausfluß seiner ganzen Persön¬
lichkeit war. Das stimmt wehmütig, weil solche Persönlichkeiten selten geworden
sind, Moderne Menschen gehen eben auch in ihren Büchern immer im Gesell-
schaftsanzug, vielleicht weil ihr Negligee zu sehr Negligee ist. Aber eben das
thut fo wohl, daß Stern in aller und jeder Beziehung seinem Helden nachem¬
pfinden kann und, in zarter Huldigung, in der Form seiner Biographie dem Wesen
des Helden entspricht. Besonders dankenswert ist es, daß uns wiederholt Hettuers
Briefe gegeben werden, durch die sich das Charakterbild wesentlich abrundet und
belebt. Aber das durste eben nur ein Biograph wagen, der sicher war, daß seine
eigne Darstellung dadurch nnr Bestätigung, keine Beeinträchtigung erfahren würde.

Zum Schluß noch eins. Es ist ja unleugbar, daß ein umfangreicheres Werk,
Hettner als Gelehrten in den Strömungen seiner Wissenschaft darstellend, noch un¬
gemein viel des Anregenden und Klärenden bringen würde. Hettners wissen¬
schaftliche Bedeutung ist groß genug, um einem solchen Werke den Wert einer
Geschichte der modernen Kunsttheorie zu geben, und keinen bessern Autor würde»
wir ihm wünschen können, als wiederum Stern, Und doch ist die kurzgefaßte
Form des vorliegenden „Lebensbildes" eine viel glücklichere Wahl, als es ein
ausführliches Werk gewesen wäre, Hettuers Verehrer freilich würden wohl auch
die Bewältigung eines .ausführlichen nicht gescheut haben; aber so zahlreich sie
sind, so ist doch im Interesse unsrer nationalen Bildung ein noch viel, mehr ver¬
breitetes Studium namentlich von Hettners literatnrgeschichtlichen Schriften dringend
zu wünschen. Und unser „Lebensbild" ist wie geschaffen dazu, abzuregen und
einzuführen. Vielleicht hat nicht bloß die Bedeutung des Buches an sich, fondern
auch dieser Nebengedanke Stern dazu veranlaßt, die. „Literaturgeschichte des acht¬
zehnten Jahrhunderts" besonders eingehend zu besprechen?

Und nur noch ein Wunsch, ein unbescheidener: Wir möchten unser Buch als
Einleitung zu einer von demselben Verfasser besorgten Gesamtausgabe Hetel^ers
gern zum zweitenmale erblicken. Bis das möglich ist, Wollen wir .es den Ge¬
bildeten der Nation ans Herz legen: es ist ein Denkmal, das ein edler Geist dein
geschiedenen andern weihte.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig, .
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Rcudnch-Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/68>, abgerufen am 22.07.2024.