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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Karl Gottlieb Svarez.

Karl Göttlich Svarez -- so schreibt er sich, nicht wie man jetzt gewöhn¬
lich ihn nennt, Suarez -- wurde am 27. Februar 1746 zu Schweidnitz als
Sohn des dort ansässigen Ratsherrn und Advokaten Gottfried Svarez geboren.
Wir werden belehrt, daß der uns so spanisch klingende Name nur die ver¬
dorbene Latinisiruug des guten deutschen Namens "Schwarz" ist, und daß
die Voreltern des Mannes wahrscheinlich aus Vorpommern nach Schlesien ge¬
wandert waren. Seine Jugendzeit fiel in die schlimmen Jahre der schlesischen
Kriege, unter welchen auch seine Eltern schwer zu leiden hatten. Schon nach
vollendetem sechzehnten Jahre bezog der frühreife junge Mann die Universität
Frankfurt. Dort übte vor allen der Rechtslehrer Darjcs Einfluß auf ihn aus.
Wer kennt heute noch Darjes? Wir erfahren aber, daß es die Anschauungen
dieses Mannes sind, welche in den später von Svarez geschaffenen Gcsctzwerken
vielfach wiederklingen. Nach seiner Rückkehr in die schlesische Heimat lenkte Svarez
bald die Aufmerksamkeit des damaligen schlesischen Justizministers Carmer auf
sich. Dieser zog ihn, den zweiundzwanzigjührigen jungen Mann, an sich heran;
und nnn sehen wir ihn fast ein ganzes Menschenalter hindurch an der Seite
Carmcrs, gleichsam als dessen rechte Hand, in rastloser Thätigkeit fortarbeiten.
Freilich waren es anfangs keineswegs juristische Aufgaben, die ihm gestellt
wurden. Wir erblicken Svarez, den wir uns immer nur als den hervorragen¬
den Juristen denken, zunächst äußerst thätig bei Neugestaltung des Kreditwesens
in Schlesien, desgleichen des dortigen Schulwesens. Jahre hindurch waren dies
die Gegenstände, welche ihn beschäftigten. Indessen plante Carmer schon damals
eine Umgestaltung der Justiz, und zwar vor allem des bürgerlichen Verfahrens.
König Friedrichs Geist umfaßte auch diesen Gegenstand des öffentlichen Wohls
mit lebhaftem Interesse. Angeregt durch gewisse praktische Erfahrungen, war
bei Carmer der Gedanke lebendig geworden, daß die ganze Grundlage des da¬
maligen, allerdings jämmerlichen Prozesses, nämlich die Verhandlungsmaxime,
aufzugeben und die Offizialmaxime, eine freie selbstthätige Ermittlung der Wahr¬
heit durch den Richter, an die Stelle zu setzen sei. Bereits im Jahre 1774
hatte Carmer einen Entwurf in diesem Sinne angefertigt, ihn von Svarez
näher ausarbeiten lassen und denselben (1775) dem Könige vorgelegt. Der
damalige Großkanzler von Fürst vertrat aber gegenteilige Ansichten. Carmer
wurde nach Berlin berufen, wohin Svarez ihn begleitete. Eine in Gegenwart
des Königs zwischen Carmer und Fürst abgehaltene Konferenz führte vorerst
zu keinem Siege Carmers, und er kehrte nach Breslau zurück. Da trat im
Jahre 1779 der bekannte Arnoldsche Prozeß ein, dessen Entscheidung den
bittersten Zorn des großen Königs über die Handhabung der Justiz hervorrief.
Der Großkanzler Fürst ward entlassen, und Carmer trat an seine Stelle. Sehr
bald folgte ihm Svarez als erster Rat nach Berlin. Beide bezogen das näm¬
liche Haus als Dienstwohnung. Nun vollzog der König am 14. April 1780
eine auf die Justizreform bezügliche ausführliche Ordre im Sinne Carmers.


Karl Gottlieb Svarez.

Karl Göttlich Svarez — so schreibt er sich, nicht wie man jetzt gewöhn¬
lich ihn nennt, Suarez — wurde am 27. Februar 1746 zu Schweidnitz als
Sohn des dort ansässigen Ratsherrn und Advokaten Gottfried Svarez geboren.
Wir werden belehrt, daß der uns so spanisch klingende Name nur die ver¬
dorbene Latinisiruug des guten deutschen Namens „Schwarz" ist, und daß
die Voreltern des Mannes wahrscheinlich aus Vorpommern nach Schlesien ge¬
wandert waren. Seine Jugendzeit fiel in die schlimmen Jahre der schlesischen
Kriege, unter welchen auch seine Eltern schwer zu leiden hatten. Schon nach
vollendetem sechzehnten Jahre bezog der frühreife junge Mann die Universität
Frankfurt. Dort übte vor allen der Rechtslehrer Darjcs Einfluß auf ihn aus.
Wer kennt heute noch Darjes? Wir erfahren aber, daß es die Anschauungen
dieses Mannes sind, welche in den später von Svarez geschaffenen Gcsctzwerken
vielfach wiederklingen. Nach seiner Rückkehr in die schlesische Heimat lenkte Svarez
bald die Aufmerksamkeit des damaligen schlesischen Justizministers Carmer auf
sich. Dieser zog ihn, den zweiundzwanzigjührigen jungen Mann, an sich heran;
und nnn sehen wir ihn fast ein ganzes Menschenalter hindurch an der Seite
Carmcrs, gleichsam als dessen rechte Hand, in rastloser Thätigkeit fortarbeiten.
Freilich waren es anfangs keineswegs juristische Aufgaben, die ihm gestellt
wurden. Wir erblicken Svarez, den wir uns immer nur als den hervorragen¬
den Juristen denken, zunächst äußerst thätig bei Neugestaltung des Kreditwesens
in Schlesien, desgleichen des dortigen Schulwesens. Jahre hindurch waren dies
die Gegenstände, welche ihn beschäftigten. Indessen plante Carmer schon damals
eine Umgestaltung der Justiz, und zwar vor allem des bürgerlichen Verfahrens.
König Friedrichs Geist umfaßte auch diesen Gegenstand des öffentlichen Wohls
mit lebhaftem Interesse. Angeregt durch gewisse praktische Erfahrungen, war
bei Carmer der Gedanke lebendig geworden, daß die ganze Grundlage des da¬
maligen, allerdings jämmerlichen Prozesses, nämlich die Verhandlungsmaxime,
aufzugeben und die Offizialmaxime, eine freie selbstthätige Ermittlung der Wahr¬
heit durch den Richter, an die Stelle zu setzen sei. Bereits im Jahre 1774
hatte Carmer einen Entwurf in diesem Sinne angefertigt, ihn von Svarez
näher ausarbeiten lassen und denselben (1775) dem Könige vorgelegt. Der
damalige Großkanzler von Fürst vertrat aber gegenteilige Ansichten. Carmer
wurde nach Berlin berufen, wohin Svarez ihn begleitete. Eine in Gegenwart
des Königs zwischen Carmer und Fürst abgehaltene Konferenz führte vorerst
zu keinem Siege Carmers, und er kehrte nach Breslau zurück. Da trat im
Jahre 1779 der bekannte Arnoldsche Prozeß ein, dessen Entscheidung den
bittersten Zorn des großen Königs über die Handhabung der Justiz hervorrief.
Der Großkanzler Fürst ward entlassen, und Carmer trat an seine Stelle. Sehr
bald folgte ihm Svarez als erster Rat nach Berlin. Beide bezogen das näm¬
liche Haus als Dienstwohnung. Nun vollzog der König am 14. April 1780
eine auf die Justizreform bezügliche ausführliche Ordre im Sinne Carmers.


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[0676] Karl Gottlieb Svarez. Karl Göttlich Svarez — so schreibt er sich, nicht wie man jetzt gewöhn¬ lich ihn nennt, Suarez — wurde am 27. Februar 1746 zu Schweidnitz als Sohn des dort ansässigen Ratsherrn und Advokaten Gottfried Svarez geboren. Wir werden belehrt, daß der uns so spanisch klingende Name nur die ver¬ dorbene Latinisiruug des guten deutschen Namens „Schwarz" ist, und daß die Voreltern des Mannes wahrscheinlich aus Vorpommern nach Schlesien ge¬ wandert waren. Seine Jugendzeit fiel in die schlimmen Jahre der schlesischen Kriege, unter welchen auch seine Eltern schwer zu leiden hatten. Schon nach vollendetem sechzehnten Jahre bezog der frühreife junge Mann die Universität Frankfurt. Dort übte vor allen der Rechtslehrer Darjcs Einfluß auf ihn aus. Wer kennt heute noch Darjes? Wir erfahren aber, daß es die Anschauungen dieses Mannes sind, welche in den später von Svarez geschaffenen Gcsctzwerken vielfach wiederklingen. Nach seiner Rückkehr in die schlesische Heimat lenkte Svarez bald die Aufmerksamkeit des damaligen schlesischen Justizministers Carmer auf sich. Dieser zog ihn, den zweiundzwanzigjührigen jungen Mann, an sich heran; und nnn sehen wir ihn fast ein ganzes Menschenalter hindurch an der Seite Carmcrs, gleichsam als dessen rechte Hand, in rastloser Thätigkeit fortarbeiten. Freilich waren es anfangs keineswegs juristische Aufgaben, die ihm gestellt wurden. Wir erblicken Svarez, den wir uns immer nur als den hervorragen¬ den Juristen denken, zunächst äußerst thätig bei Neugestaltung des Kreditwesens in Schlesien, desgleichen des dortigen Schulwesens. Jahre hindurch waren dies die Gegenstände, welche ihn beschäftigten. Indessen plante Carmer schon damals eine Umgestaltung der Justiz, und zwar vor allem des bürgerlichen Verfahrens. König Friedrichs Geist umfaßte auch diesen Gegenstand des öffentlichen Wohls mit lebhaftem Interesse. Angeregt durch gewisse praktische Erfahrungen, war bei Carmer der Gedanke lebendig geworden, daß die ganze Grundlage des da¬ maligen, allerdings jämmerlichen Prozesses, nämlich die Verhandlungsmaxime, aufzugeben und die Offizialmaxime, eine freie selbstthätige Ermittlung der Wahr¬ heit durch den Richter, an die Stelle zu setzen sei. Bereits im Jahre 1774 hatte Carmer einen Entwurf in diesem Sinne angefertigt, ihn von Svarez näher ausarbeiten lassen und denselben (1775) dem Könige vorgelegt. Der damalige Großkanzler von Fürst vertrat aber gegenteilige Ansichten. Carmer wurde nach Berlin berufen, wohin Svarez ihn begleitete. Eine in Gegenwart des Königs zwischen Carmer und Fürst abgehaltene Konferenz führte vorerst zu keinem Siege Carmers, und er kehrte nach Breslau zurück. Da trat im Jahre 1779 der bekannte Arnoldsche Prozeß ein, dessen Entscheidung den bittersten Zorn des großen Königs über die Handhabung der Justiz hervorrief. Der Großkanzler Fürst ward entlassen, und Carmer trat an seine Stelle. Sehr bald folgte ihm Svarez als erster Rat nach Berlin. Beide bezogen das näm¬ liche Haus als Dienstwohnung. Nun vollzog der König am 14. April 1780 eine auf die Justizreform bezügliche ausführliche Ordre im Sinne Carmers.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/676>, abgerufen am 22.07.2024.