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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Kranken- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt.
Der Anspruch der Witwe ist ausgeschlossen, wenn die Ehe erst nach dem
Unfälle geschlossen worden ist.

Für Ascendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war
für die Zeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der Bedürftigkeit
20 Prozent des Arbeitsverdienstes.

l>)

Wenn mehrere der unter d genannten Berechtigten vorhanden sind, so
wird die Reute den Eltern vor deu Großeltern gewährt.

Wenn die unter d bezeichneten mit den unter -i, bezeichneten konkurriren,
so haben die ersteren einen Anspruch nur, soweit für die letzteren der Höchst-
betrng der Rente nicht in Anspruch genommen wird.

Die vorstehenden Bestimmungen gelten zugleich für die Mannschaft eines
nach deu Artikeln 866 und 867 des H.-G.-B. als verschollen einzusehenden
Schiffes. Die Rente an die Hinterbliebenen beginnt hier mit dem Tage zu
laufen, von welchem an, den gesetzlichen Bestimmungen zufolge, die Ver-
schollenheit eines Schiffes erklärt worden ist.

Von ganz besondrer Wichtigkeit erscheint uns angesichts der häufigen
Katastrophen auf See und des unbekannten Unterganges von Schiffen, daß man
die vorstehenden Bestimmungen auch auf die Besatzungen aller derjenigen See-
fahrzeugc auszudehnen wünscht, welche nach den Artikeln 866 und 867 des
Handelsgesetzbuches als verschollen betrachtet werden.

Bei Bemessung der Beitragsleistungcn (Prämien) will man von einer
Diskussion dieser Prämien noch so lange absehen, bis ein greifbarer Anhalt für
die Leistungen der Versicherung dnrch die erwähnte und zu schaffende Statistik
gewonnen sein wird. Von Wichtigkeit ist der Standpunkt, daß man in den nautischen
Vereinen jetzt schon dafür eingetreten ist, neben den Rhedern auch die Mann¬
schaften zur Zahlung der Beitragsleistungen (mit 1 bis 3 Pfennigen pro Mark
der Heuer) mit heranzuziehen. Es ist dies ein Standpunkt, der sich leicht er¬
klären läßt aus dem Wunsche, daß die dein Unternehmen angehörenden finanziellen
Lasten, namentlich mit Rücksicht auf den gegenwärtig nicht sehr florireuden
Schisffahrtsbetricb nicht allein von den Rhedern getragen werden sollen,
der aber unsers Erachtens nicht in dem Maße, wie die Sicherstellung des
Arbeiters gegen die aus Unfall, Krankheit und Tod entstehenden Gefahren,
als ein menschenwürdiges Bedürfnis anerkannt wird, mit den Bemühungen zur
Befriedigung dieses Bedürfnisses vereinbar ist. Ob es an und für sich auch
einerlei wäre, ob der Schiffsmann oder der Rheder, oder beide gemeinsam die
Beitragsleistungen zahlen, in allen drei Fällen entspräche es der idealen Auf¬
fassung der Versicherung, wenn die Beiträge durch den Ertrag der Arbeits¬
leistungen des versicherten Seemannes gedeckt und auf den Preis dieser Arbeits¬
leistungen zur Bezahlung durch die Konsumenten der letzteren übertragen würden,
sodaß eine Frage, ob der Seemann den Teil dieses Ertrages, welchen er zu
seiner Versicherung gegen die Folgen der Gefahren von Unfällen, Krankheit,
Tod verwenden muß, erst als Lohn in die Hände bekommt und ihn selbst ein¬
zahlt, oder ob der Rheder diesen Teil für ihn sofort abführt, hiernach also an


Grenzboten I. 1WS. 78
Kranken- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt.
Der Anspruch der Witwe ist ausgeschlossen, wenn die Ehe erst nach dem
Unfälle geschlossen worden ist.

Für Ascendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war
für die Zeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der Bedürftigkeit
20 Prozent des Arbeitsverdienstes.

l>)

Wenn mehrere der unter d genannten Berechtigten vorhanden sind, so
wird die Reute den Eltern vor deu Großeltern gewährt.

Wenn die unter d bezeichneten mit den unter -i, bezeichneten konkurriren,
so haben die ersteren einen Anspruch nur, soweit für die letzteren der Höchst-
betrng der Rente nicht in Anspruch genommen wird.

Die vorstehenden Bestimmungen gelten zugleich für die Mannschaft eines
nach deu Artikeln 866 und 867 des H.-G.-B. als verschollen einzusehenden
Schiffes. Die Rente an die Hinterbliebenen beginnt hier mit dem Tage zu
laufen, von welchem an, den gesetzlichen Bestimmungen zufolge, die Ver-
schollenheit eines Schiffes erklärt worden ist.

Von ganz besondrer Wichtigkeit erscheint uns angesichts der häufigen
Katastrophen auf See und des unbekannten Unterganges von Schiffen, daß man
die vorstehenden Bestimmungen auch auf die Besatzungen aller derjenigen See-
fahrzeugc auszudehnen wünscht, welche nach den Artikeln 866 und 867 des
Handelsgesetzbuches als verschollen betrachtet werden.

Bei Bemessung der Beitragsleistungcn (Prämien) will man von einer
Diskussion dieser Prämien noch so lange absehen, bis ein greifbarer Anhalt für
die Leistungen der Versicherung dnrch die erwähnte und zu schaffende Statistik
gewonnen sein wird. Von Wichtigkeit ist der Standpunkt, daß man in den nautischen
Vereinen jetzt schon dafür eingetreten ist, neben den Rhedern auch die Mann¬
schaften zur Zahlung der Beitragsleistungen (mit 1 bis 3 Pfennigen pro Mark
der Heuer) mit heranzuziehen. Es ist dies ein Standpunkt, der sich leicht er¬
klären läßt aus dem Wunsche, daß die dein Unternehmen angehörenden finanziellen
Lasten, namentlich mit Rücksicht auf den gegenwärtig nicht sehr florireuden
Schisffahrtsbetricb nicht allein von den Rhedern getragen werden sollen,
der aber unsers Erachtens nicht in dem Maße, wie die Sicherstellung des
Arbeiters gegen die aus Unfall, Krankheit und Tod entstehenden Gefahren,
als ein menschenwürdiges Bedürfnis anerkannt wird, mit den Bemühungen zur
Befriedigung dieses Bedürfnisses vereinbar ist. Ob es an und für sich auch
einerlei wäre, ob der Schiffsmann oder der Rheder, oder beide gemeinsam die
Beitragsleistungen zahlen, in allen drei Fällen entspräche es der idealen Auf¬
fassung der Versicherung, wenn die Beiträge durch den Ertrag der Arbeits¬
leistungen des versicherten Seemannes gedeckt und auf den Preis dieser Arbeits¬
leistungen zur Bezahlung durch die Konsumenten der letzteren übertragen würden,
sodaß eine Frage, ob der Seemann den Teil dieses Ertrages, welchen er zu
seiner Versicherung gegen die Folgen der Gefahren von Unfällen, Krankheit,
Tod verwenden muß, erst als Lohn in die Hände bekommt und ihn selbst ein¬
zahlt, oder ob der Rheder diesen Teil für ihn sofort abführt, hiernach also an


Grenzboten I. 1WS. 78
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[0629] Kranken- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt. Der Anspruch der Witwe ist ausgeschlossen, wenn die Ehe erst nach dem Unfälle geschlossen worden ist. Für Ascendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war für die Zeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der Bedürftigkeit 20 Prozent des Arbeitsverdienstes. l>) Wenn mehrere der unter d genannten Berechtigten vorhanden sind, so wird die Reute den Eltern vor deu Großeltern gewährt. Wenn die unter d bezeichneten mit den unter -i, bezeichneten konkurriren, so haben die ersteren einen Anspruch nur, soweit für die letzteren der Höchst- betrng der Rente nicht in Anspruch genommen wird. Die vorstehenden Bestimmungen gelten zugleich für die Mannschaft eines nach deu Artikeln 866 und 867 des H.-G.-B. als verschollen einzusehenden Schiffes. Die Rente an die Hinterbliebenen beginnt hier mit dem Tage zu laufen, von welchem an, den gesetzlichen Bestimmungen zufolge, die Ver- schollenheit eines Schiffes erklärt worden ist. Von ganz besondrer Wichtigkeit erscheint uns angesichts der häufigen Katastrophen auf See und des unbekannten Unterganges von Schiffen, daß man die vorstehenden Bestimmungen auch auf die Besatzungen aller derjenigen See- fahrzeugc auszudehnen wünscht, welche nach den Artikeln 866 und 867 des Handelsgesetzbuches als verschollen betrachtet werden. Bei Bemessung der Beitragsleistungcn (Prämien) will man von einer Diskussion dieser Prämien noch so lange absehen, bis ein greifbarer Anhalt für die Leistungen der Versicherung dnrch die erwähnte und zu schaffende Statistik gewonnen sein wird. Von Wichtigkeit ist der Standpunkt, daß man in den nautischen Vereinen jetzt schon dafür eingetreten ist, neben den Rhedern auch die Mann¬ schaften zur Zahlung der Beitragsleistungen (mit 1 bis 3 Pfennigen pro Mark der Heuer) mit heranzuziehen. Es ist dies ein Standpunkt, der sich leicht er¬ klären läßt aus dem Wunsche, daß die dein Unternehmen angehörenden finanziellen Lasten, namentlich mit Rücksicht auf den gegenwärtig nicht sehr florireuden Schisffahrtsbetricb nicht allein von den Rhedern getragen werden sollen, der aber unsers Erachtens nicht in dem Maße, wie die Sicherstellung des Arbeiters gegen die aus Unfall, Krankheit und Tod entstehenden Gefahren, als ein menschenwürdiges Bedürfnis anerkannt wird, mit den Bemühungen zur Befriedigung dieses Bedürfnisses vereinbar ist. Ob es an und für sich auch einerlei wäre, ob der Schiffsmann oder der Rheder, oder beide gemeinsam die Beitragsleistungen zahlen, in allen drei Fällen entspräche es der idealen Auf¬ fassung der Versicherung, wenn die Beiträge durch den Ertrag der Arbeits¬ leistungen des versicherten Seemannes gedeckt und auf den Preis dieser Arbeits¬ leistungen zur Bezahlung durch die Konsumenten der letzteren übertragen würden, sodaß eine Frage, ob der Seemann den Teil dieses Ertrages, welchen er zu seiner Versicherung gegen die Folgen der Gefahren von Unfällen, Krankheit, Tod verwenden muß, erst als Lohn in die Hände bekommt und ihn selbst ein¬ zahlt, oder ob der Rheder diesen Teil für ihn sofort abführt, hiernach also an Grenzboten I. 1WS. 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/629>, abgerufen am 22.07.2024.