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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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zum Produziren zu zwingen, so würde er doch niemals vermögen, mehr Kon¬
sumenten zu schaffen, als sich freiwillig darbieten. Ein solches Phalanstere
würde den Lohn festsetzen können, aber niemals den Preis der Güter, wenn
man nicht zu einer zweiten Gewaltmaßregel schritte, wie sie Rvdbertus vorge¬
schlagen hat. Er wollte ein besondres, nach dem Arbeitswerte berechnetes
Lohngeld einführen, mit welchem alle Arbeiter entlohnt werden sollten; die fer¬
tigen Güter sollten in Staatsmagazine abgeliefert werden, aus denen sich dann
jedweder mittelst seines Lohugeldes kaufen könnte, was ihm beliebte!

Auf solche Traumgebilde lassen wir uns nicht ein, sondern beschränken uns
auf die Behauptung, daß die soziale Frage in Nahmen der eigentlichen Güter¬
produktion liege, d. h. eine Frage der Verteilung des Produktionswertes zwischen
den bei der Produktion beteiligten Personen sei.

Kehren wir zu dem Ausgangspunkte unsrer Untersuchung zurück. Dort
haben wir gesehen, daß bei aller Gütererzeugung drei Faktoren mitwirken, der
Unternehmer und als seine Gehilfen das Kapital und die Arbeit.

Besteht nun das Problem, welches uns beschäftigt, in dem Kampfe dieser
Faktoren gegeneinander, in der Verschiedenheit und dem Widerstreite ihrer In¬
teressen, so ist es einleuchtend, daß dieses Problem alsdann und überallda nicht
besteht, wo alle drei Faktoren in demselben Individuum vereinigt sind. Dies
Verhältnis bildet die Regel in den Uranfängen der Gesellschaft; die Scheidung
der wirkenden Faktorei? in verschiednen Personen ist die Wirkung der fort¬
schreitenden Kultur. Übrigens kommt jenes einfache Verhältnis garnicht selten
auch in der modernen Gesellschaft vor. Ein Arzt, der seine Ausbildung aus
eignen Mitteln bestritten hat, der imstande ist, sich seine Instrumente, seine
Equipage mit eignem Gelde zu beschaffen und der bei der Ausübung seines
Berufes keines Gehilfen bedarf, ist Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter seines
Geschäfts in eigner Person; er genießt die Früchte desselben allein, von Ver¬
teilung des Gewinnes, von Konflikt der Interessen ist keine Rede. In gleicher
Lage ist der Handwerker, der mit eignen Werkzeugen, im eignen Hanse ohne
Gesellen arbeitet u. s. w.

Wenn in diesen Fällen das Problem nicht besteht, so ist damit der Weg,
wenigstens die Richtung gezeigt, in welcher, wenn auch nicht die Lösung des
Problems -- denn diese wird niemals vollständig zu erreichen sein -- so doch
die Milderung des Konfliktes erzielt werden kaum Auch haben wir schon oben
gesehen, daß der Kapitalist seinen Frieden mit dein Unternehmer schließen kann,
indem er sich mit demselben vereinigt, auf Gewinn und Verlust assoziirt. Kann
dies der Arbeiter nicht ebenfalls?

Wenn wir auf diese Frage eingehen, so füllt zunächst in die Augen, daß
die Lage des Arbeiters dem Unternehmer gegenüber verschieden von derjenigen
des Kapitalisten ist. Der Kapitalist vermag dem Unternehmer einen Teil seines
Risikos abzunehmen, und deshalb kann ihm der Unternehmer einen Teil seines


zum Produziren zu zwingen, so würde er doch niemals vermögen, mehr Kon¬
sumenten zu schaffen, als sich freiwillig darbieten. Ein solches Phalanstere
würde den Lohn festsetzen können, aber niemals den Preis der Güter, wenn
man nicht zu einer zweiten Gewaltmaßregel schritte, wie sie Rvdbertus vorge¬
schlagen hat. Er wollte ein besondres, nach dem Arbeitswerte berechnetes
Lohngeld einführen, mit welchem alle Arbeiter entlohnt werden sollten; die fer¬
tigen Güter sollten in Staatsmagazine abgeliefert werden, aus denen sich dann
jedweder mittelst seines Lohugeldes kaufen könnte, was ihm beliebte!

Auf solche Traumgebilde lassen wir uns nicht ein, sondern beschränken uns
auf die Behauptung, daß die soziale Frage in Nahmen der eigentlichen Güter¬
produktion liege, d. h. eine Frage der Verteilung des Produktionswertes zwischen
den bei der Produktion beteiligten Personen sei.

Kehren wir zu dem Ausgangspunkte unsrer Untersuchung zurück. Dort
haben wir gesehen, daß bei aller Gütererzeugung drei Faktoren mitwirken, der
Unternehmer und als seine Gehilfen das Kapital und die Arbeit.

Besteht nun das Problem, welches uns beschäftigt, in dem Kampfe dieser
Faktoren gegeneinander, in der Verschiedenheit und dem Widerstreite ihrer In¬
teressen, so ist es einleuchtend, daß dieses Problem alsdann und überallda nicht
besteht, wo alle drei Faktoren in demselben Individuum vereinigt sind. Dies
Verhältnis bildet die Regel in den Uranfängen der Gesellschaft; die Scheidung
der wirkenden Faktorei? in verschiednen Personen ist die Wirkung der fort¬
schreitenden Kultur. Übrigens kommt jenes einfache Verhältnis garnicht selten
auch in der modernen Gesellschaft vor. Ein Arzt, der seine Ausbildung aus
eignen Mitteln bestritten hat, der imstande ist, sich seine Instrumente, seine
Equipage mit eignem Gelde zu beschaffen und der bei der Ausübung seines
Berufes keines Gehilfen bedarf, ist Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter seines
Geschäfts in eigner Person; er genießt die Früchte desselben allein, von Ver¬
teilung des Gewinnes, von Konflikt der Interessen ist keine Rede. In gleicher
Lage ist der Handwerker, der mit eignen Werkzeugen, im eignen Hanse ohne
Gesellen arbeitet u. s. w.

Wenn in diesen Fällen das Problem nicht besteht, so ist damit der Weg,
wenigstens die Richtung gezeigt, in welcher, wenn auch nicht die Lösung des
Problems — denn diese wird niemals vollständig zu erreichen sein — so doch
die Milderung des Konfliktes erzielt werden kaum Auch haben wir schon oben
gesehen, daß der Kapitalist seinen Frieden mit dein Unternehmer schließen kann,
indem er sich mit demselben vereinigt, auf Gewinn und Verlust assoziirt. Kann
dies der Arbeiter nicht ebenfalls?

Wenn wir auf diese Frage eingehen, so füllt zunächst in die Augen, daß
die Lage des Arbeiters dem Unternehmer gegenüber verschieden von derjenigen
des Kapitalisten ist. Der Kapitalist vermag dem Unternehmer einen Teil seines
Risikos abzunehmen, und deshalb kann ihm der Unternehmer einen Teil seines


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[0566] zum Produziren zu zwingen, so würde er doch niemals vermögen, mehr Kon¬ sumenten zu schaffen, als sich freiwillig darbieten. Ein solches Phalanstere würde den Lohn festsetzen können, aber niemals den Preis der Güter, wenn man nicht zu einer zweiten Gewaltmaßregel schritte, wie sie Rvdbertus vorge¬ schlagen hat. Er wollte ein besondres, nach dem Arbeitswerte berechnetes Lohngeld einführen, mit welchem alle Arbeiter entlohnt werden sollten; die fer¬ tigen Güter sollten in Staatsmagazine abgeliefert werden, aus denen sich dann jedweder mittelst seines Lohugeldes kaufen könnte, was ihm beliebte! Auf solche Traumgebilde lassen wir uns nicht ein, sondern beschränken uns auf die Behauptung, daß die soziale Frage in Nahmen der eigentlichen Güter¬ produktion liege, d. h. eine Frage der Verteilung des Produktionswertes zwischen den bei der Produktion beteiligten Personen sei. Kehren wir zu dem Ausgangspunkte unsrer Untersuchung zurück. Dort haben wir gesehen, daß bei aller Gütererzeugung drei Faktoren mitwirken, der Unternehmer und als seine Gehilfen das Kapital und die Arbeit. Besteht nun das Problem, welches uns beschäftigt, in dem Kampfe dieser Faktoren gegeneinander, in der Verschiedenheit und dem Widerstreite ihrer In¬ teressen, so ist es einleuchtend, daß dieses Problem alsdann und überallda nicht besteht, wo alle drei Faktoren in demselben Individuum vereinigt sind. Dies Verhältnis bildet die Regel in den Uranfängen der Gesellschaft; die Scheidung der wirkenden Faktorei? in verschiednen Personen ist die Wirkung der fort¬ schreitenden Kultur. Übrigens kommt jenes einfache Verhältnis garnicht selten auch in der modernen Gesellschaft vor. Ein Arzt, der seine Ausbildung aus eignen Mitteln bestritten hat, der imstande ist, sich seine Instrumente, seine Equipage mit eignem Gelde zu beschaffen und der bei der Ausübung seines Berufes keines Gehilfen bedarf, ist Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter seines Geschäfts in eigner Person; er genießt die Früchte desselben allein, von Ver¬ teilung des Gewinnes, von Konflikt der Interessen ist keine Rede. In gleicher Lage ist der Handwerker, der mit eignen Werkzeugen, im eignen Hanse ohne Gesellen arbeitet u. s. w. Wenn in diesen Fällen das Problem nicht besteht, so ist damit der Weg, wenigstens die Richtung gezeigt, in welcher, wenn auch nicht die Lösung des Problems — denn diese wird niemals vollständig zu erreichen sein — so doch die Milderung des Konfliktes erzielt werden kaum Auch haben wir schon oben gesehen, daß der Kapitalist seinen Frieden mit dein Unternehmer schließen kann, indem er sich mit demselben vereinigt, auf Gewinn und Verlust assoziirt. Kann dies der Arbeiter nicht ebenfalls? Wenn wir auf diese Frage eingehen, so füllt zunächst in die Augen, daß die Lage des Arbeiters dem Unternehmer gegenüber verschieden von derjenigen des Kapitalisten ist. Der Kapitalist vermag dem Unternehmer einen Teil seines Risikos abzunehmen, und deshalb kann ihm der Unternehmer einen Teil seines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/566>, abgerufen am 23.07.2024.