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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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lands mit vielen andern preußischen Vorbildern auch in den andern deutschen
Staaten Nacheiferung. Man kann annehmen, daß sich für das ganze Gebiet
des Reiches die Summe der Spareinlagen z, Z. auf mehr als drei Milliarden
mit etwa sechs Millionen Sparkassenbüchern beläuft.

Der Zweck, den das preußische Reglement verfolgte, wurde mit Rücksicht auf
die damaligen sozialen Verhältnisse auch erreicht. Der kleine Bürger- und
Bauernstand, sowie die Dienstboten, welchen die Sorge um die unmittelbare
Notdurft des Lebens genommen ist, machten von den Sparkassen reichlichen Ge¬
brauch. Besonders in den wohlhabenderen Gegenden kamen die Kassen bald in
Aufschwung und Blüte. In Preußen waren im Jahre 1881 etwa 2050 Spar¬
stellen an nahezu 1700 Orten. Mit dem Gedeihen der Kassen entfernten sie
sich freilich auch immer mehr von ihrem ursprünglichen Zweck. Die aufgesam¬
melten Summen wurden nutzbar angelegt und konnten, da sie sich in der sehr
guten Verwaltung der angesehensten Bürger und Kreiseingesessenen befanden,
ihre Depositen aber nur gering zu verzinsen hatten, einen reichlichen Gewinn ab¬
werfen. Die Kommunalsparkasse ist heute der Stolz eines jeden Landrath im
Kreise, und wo eine solche noch nicht besteht, da verdient sich nicht selten der
junge Landrat seine Verwaltungsspvren i" der Errichtung einer derartigen Kasse.
Sieht man sich aber die Guthaben näher an, so wird man finden, daß von
Sparpfennigen des kleinen Mannes nur wenig mehr die Rede sein kann. Denn
durchschnittlich beträgt die Einlage auf ein Sparkassenbuch bei den städtischen
Kassen mehr als 400 Mark, bei den ländlichen nahebei 650 Mark. Die Zahl
der Sparkassenbücher über 600 Mark ist in fortwährendem Wachsen begriffen,
und so erscheint es denn zweifellos, daß der größere Bestandteil der Baarein-
lagen aus Depositen größerer Kapitalisten, Gesellschaften und Behörden besteht.

Daß trotz dieser Entfremdung von ihrem ursprünglichen Ziele die Kom¬
munalsparkassen ein höchst segensreiches Institut sind, das nicht bloß erhalten
und gepflegt werden soll, sondern des höchsten Wohlwollens der Gesetzgebung
würdig ist, bedarf kaum einer Erörterung. Bei dem fortdauernden Niedergange
der Landwirtschaft haben jene Kassen in Zeiten von Krisen und Not die kleinen
Gutsbesitzer über Wasser gehalten; sie haben fast überall den gesunden Kredit
gefördert und modcrirend ans den Zinsfuß gewirkt. Nicht selten hat die von
den Kommunalsparkassen geführte Verwaltung dem unsaubern und blutgierigen
Handwerk der Wucherer eine Grenze gesetzt und auch die bessern Kreditinstitute,
wie die Genossenschaftsbanken, durch ihre heilsame Konkurrenz in Schranken zu
halten verstanden. Auf der andern Seite ist der von den Kasten gezogene Ge¬
winn, der sich erheblich über die den Sparern zu gewährenden Zinsen erstreckte,
den Kommunen selbst zugute gekommen. Eine Reihe bewährter Kommunal-
einrichtungen, wie Kranken- und Schulhäuser, Chausseen, hätten ohne den durch
die Kreissparkasse gewährten Zuschuß garnicht geschaffen werden können, und
so brachte das, was den einzelnen Sparern entzogen wurde, der ganzen Be-


lands mit vielen andern preußischen Vorbildern auch in den andern deutschen
Staaten Nacheiferung. Man kann annehmen, daß sich für das ganze Gebiet
des Reiches die Summe der Spareinlagen z, Z. auf mehr als drei Milliarden
mit etwa sechs Millionen Sparkassenbüchern beläuft.

Der Zweck, den das preußische Reglement verfolgte, wurde mit Rücksicht auf
die damaligen sozialen Verhältnisse auch erreicht. Der kleine Bürger- und
Bauernstand, sowie die Dienstboten, welchen die Sorge um die unmittelbare
Notdurft des Lebens genommen ist, machten von den Sparkassen reichlichen Ge¬
brauch. Besonders in den wohlhabenderen Gegenden kamen die Kassen bald in
Aufschwung und Blüte. In Preußen waren im Jahre 1881 etwa 2050 Spar¬
stellen an nahezu 1700 Orten. Mit dem Gedeihen der Kassen entfernten sie
sich freilich auch immer mehr von ihrem ursprünglichen Zweck. Die aufgesam¬
melten Summen wurden nutzbar angelegt und konnten, da sie sich in der sehr
guten Verwaltung der angesehensten Bürger und Kreiseingesessenen befanden,
ihre Depositen aber nur gering zu verzinsen hatten, einen reichlichen Gewinn ab¬
werfen. Die Kommunalsparkasse ist heute der Stolz eines jeden Landrath im
Kreise, und wo eine solche noch nicht besteht, da verdient sich nicht selten der
junge Landrat seine Verwaltungsspvren i» der Errichtung einer derartigen Kasse.
Sieht man sich aber die Guthaben näher an, so wird man finden, daß von
Sparpfennigen des kleinen Mannes nur wenig mehr die Rede sein kann. Denn
durchschnittlich beträgt die Einlage auf ein Sparkassenbuch bei den städtischen
Kassen mehr als 400 Mark, bei den ländlichen nahebei 650 Mark. Die Zahl
der Sparkassenbücher über 600 Mark ist in fortwährendem Wachsen begriffen,
und so erscheint es denn zweifellos, daß der größere Bestandteil der Baarein-
lagen aus Depositen größerer Kapitalisten, Gesellschaften und Behörden besteht.

Daß trotz dieser Entfremdung von ihrem ursprünglichen Ziele die Kom¬
munalsparkassen ein höchst segensreiches Institut sind, das nicht bloß erhalten
und gepflegt werden soll, sondern des höchsten Wohlwollens der Gesetzgebung
würdig ist, bedarf kaum einer Erörterung. Bei dem fortdauernden Niedergange
der Landwirtschaft haben jene Kassen in Zeiten von Krisen und Not die kleinen
Gutsbesitzer über Wasser gehalten; sie haben fast überall den gesunden Kredit
gefördert und modcrirend ans den Zinsfuß gewirkt. Nicht selten hat die von
den Kommunalsparkassen geführte Verwaltung dem unsaubern und blutgierigen
Handwerk der Wucherer eine Grenze gesetzt und auch die bessern Kreditinstitute,
wie die Genossenschaftsbanken, durch ihre heilsame Konkurrenz in Schranken zu
halten verstanden. Auf der andern Seite ist der von den Kasten gezogene Ge¬
winn, der sich erheblich über die den Sparern zu gewährenden Zinsen erstreckte,
den Kommunen selbst zugute gekommen. Eine Reihe bewährter Kommunal-
einrichtungen, wie Kranken- und Schulhäuser, Chausseen, hätten ohne den durch
die Kreissparkasse gewährten Zuschuß garnicht geschaffen werden können, und
so brachte das, was den einzelnen Sparern entzogen wurde, der ganzen Be-


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[0503] lands mit vielen andern preußischen Vorbildern auch in den andern deutschen Staaten Nacheiferung. Man kann annehmen, daß sich für das ganze Gebiet des Reiches die Summe der Spareinlagen z, Z. auf mehr als drei Milliarden mit etwa sechs Millionen Sparkassenbüchern beläuft. Der Zweck, den das preußische Reglement verfolgte, wurde mit Rücksicht auf die damaligen sozialen Verhältnisse auch erreicht. Der kleine Bürger- und Bauernstand, sowie die Dienstboten, welchen die Sorge um die unmittelbare Notdurft des Lebens genommen ist, machten von den Sparkassen reichlichen Ge¬ brauch. Besonders in den wohlhabenderen Gegenden kamen die Kassen bald in Aufschwung und Blüte. In Preußen waren im Jahre 1881 etwa 2050 Spar¬ stellen an nahezu 1700 Orten. Mit dem Gedeihen der Kassen entfernten sie sich freilich auch immer mehr von ihrem ursprünglichen Zweck. Die aufgesam¬ melten Summen wurden nutzbar angelegt und konnten, da sie sich in der sehr guten Verwaltung der angesehensten Bürger und Kreiseingesessenen befanden, ihre Depositen aber nur gering zu verzinsen hatten, einen reichlichen Gewinn ab¬ werfen. Die Kommunalsparkasse ist heute der Stolz eines jeden Landrath im Kreise, und wo eine solche noch nicht besteht, da verdient sich nicht selten der junge Landrat seine Verwaltungsspvren i» der Errichtung einer derartigen Kasse. Sieht man sich aber die Guthaben näher an, so wird man finden, daß von Sparpfennigen des kleinen Mannes nur wenig mehr die Rede sein kann. Denn durchschnittlich beträgt die Einlage auf ein Sparkassenbuch bei den städtischen Kassen mehr als 400 Mark, bei den ländlichen nahebei 650 Mark. Die Zahl der Sparkassenbücher über 600 Mark ist in fortwährendem Wachsen begriffen, und so erscheint es denn zweifellos, daß der größere Bestandteil der Baarein- lagen aus Depositen größerer Kapitalisten, Gesellschaften und Behörden besteht. Daß trotz dieser Entfremdung von ihrem ursprünglichen Ziele die Kom¬ munalsparkassen ein höchst segensreiches Institut sind, das nicht bloß erhalten und gepflegt werden soll, sondern des höchsten Wohlwollens der Gesetzgebung würdig ist, bedarf kaum einer Erörterung. Bei dem fortdauernden Niedergange der Landwirtschaft haben jene Kassen in Zeiten von Krisen und Not die kleinen Gutsbesitzer über Wasser gehalten; sie haben fast überall den gesunden Kredit gefördert und modcrirend ans den Zinsfuß gewirkt. Nicht selten hat die von den Kommunalsparkassen geführte Verwaltung dem unsaubern und blutgierigen Handwerk der Wucherer eine Grenze gesetzt und auch die bessern Kreditinstitute, wie die Genossenschaftsbanken, durch ihre heilsame Konkurrenz in Schranken zu halten verstanden. Auf der andern Seite ist der von den Kasten gezogene Ge¬ winn, der sich erheblich über die den Sparern zu gewährenden Zinsen erstreckte, den Kommunen selbst zugute gekommen. Eine Reihe bewährter Kommunal- einrichtungen, wie Kranken- und Schulhäuser, Chausseen, hätten ohne den durch die Kreissparkasse gewährten Zuschuß garnicht geschaffen werden können, und so brachte das, was den einzelnen Sparern entzogen wurde, der ganzen Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/503>, abgerufen am 23.07.2024.