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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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altehrwürdigen Bauwerkes beruhenden Umfange die Veroneser sich so sehr
ärgerten, daß niemand außer den Anhängern des Cangrande, also der Scaliger,
dort einkehrte. Da ein altes Wappen über der Einfahrt des Albergo -- das an¬
geblich eine Schierlingspflanze darstellte und an den erwähnten Vergiftungsplau
Frigncmos erinnern sollte -- von Übelwollenden im Laufe der Zeit auf einen
späteren Scmmichcle bezogen wurde, welchem von dem Veroneser Senat für
zahlreiche, diesem Scmmichcle nachgewiesene Weinfälschungen das Schierlings¬
warnzeichen als Strafe auferlegt worden sei, so blieb das Albergo ti Scm-
michele verfehmt.

Die Buonacolsi-Kavalkade fand daher, als sie nach mehrfachem Rastmachen
nachmittags in Verona eingetroffen war, eine beliebige Anzahl geräumiger
Zimmer zu ihrer Verfügung.

Es ist schon gesagt worden, daß der alte Buonaeolsi seit dem Tode seiner
Gattin die rechte Lebensfreudigkeit verloren hatte und gegen alle Welt, selbst
gegen seine Tochter, mißtrauisch geworden war. Den Ritt von Mantua nach
Verona, wie er anfangs beabsichtigt hatte, allein zu machen, war ihm aus
demselben Grunde als ein zu großes Wagnis erschienen. Nur wenn er selbst
Florida überwachte, glaubte er für sie einstehen zu können.

So mußte sie ihn denn jetzt auch im Schutze ihres Doppelschleiers auf
dem Gange durch Veronas volkserfüllte Straßen zu dem "Perlenkönig"
Brondolo begleiten.

Wir werden zwar seine Schätze nicht inmitten der Gaffer besehen können,
die immer bei jedem Handel mit zuschauen, sagte der alte Buonaeolsi, als nach
einem vorsichtigen Ausblick unter dem Thore des Albergo der Gang begann,
einem Ausblick vor allen nach den wenigen elegant gekleideten jungen Herren, die
doch hie und da zwischen den übrigen Passanten umherschlenderten; er wird
uns, was wir brauchen, nach dem Schließen seiner Bilde um Ave Maria in
unser Albergo bringen müssen. Aber wenn er heute noch so vorsichtig ist wie
dazumal, als ich das letzte Geschenk für deine Mutter bei ihm kaufte, Gott
habe sie selig, so kommt er auf keine bloß durch einen Boten aufgerichtete
Bestellung zu uns in den Gasthof. Man muß ihm zuerst persönlich aufwarten.
O, diese jüdischen Juweliere sind jetzt vornehmer als wir andern. Habe ich
Recht, Lazzaro? setzte er mit einem Blick über die Schulter hinzu, denn hinter
ihm schritt der grauköpfige Kammerdiener, der auf diesen traditionellen Namen
aller ersten Kammerdiener der Buvnaeolsis hörte, mochten sie auch auf weit
fröhlicher klingende Namen getauft sein.

8i ä^vvero, Leröniw, stimmte Lazzaro bei.

Und auch Eufemia, welche hinter Florida ging, glaubte mit einem (^ohl ö,
Lörsnits.! ihres Herrn Ausspruch bestätigen zu sollen.

Das Lädchen oder der halb offene Verkaufsstand des Perlenkönigs war
gleich vielen andern Butiken in einen der äußeren Bogen des Amphitheaters


altehrwürdigen Bauwerkes beruhenden Umfange die Veroneser sich so sehr
ärgerten, daß niemand außer den Anhängern des Cangrande, also der Scaliger,
dort einkehrte. Da ein altes Wappen über der Einfahrt des Albergo — das an¬
geblich eine Schierlingspflanze darstellte und an den erwähnten Vergiftungsplau
Frigncmos erinnern sollte — von Übelwollenden im Laufe der Zeit auf einen
späteren Scmmichcle bezogen wurde, welchem von dem Veroneser Senat für
zahlreiche, diesem Scmmichcle nachgewiesene Weinfälschungen das Schierlings¬
warnzeichen als Strafe auferlegt worden sei, so blieb das Albergo ti Scm-
michele verfehmt.

Die Buonacolsi-Kavalkade fand daher, als sie nach mehrfachem Rastmachen
nachmittags in Verona eingetroffen war, eine beliebige Anzahl geräumiger
Zimmer zu ihrer Verfügung.

Es ist schon gesagt worden, daß der alte Buonaeolsi seit dem Tode seiner
Gattin die rechte Lebensfreudigkeit verloren hatte und gegen alle Welt, selbst
gegen seine Tochter, mißtrauisch geworden war. Den Ritt von Mantua nach
Verona, wie er anfangs beabsichtigt hatte, allein zu machen, war ihm aus
demselben Grunde als ein zu großes Wagnis erschienen. Nur wenn er selbst
Florida überwachte, glaubte er für sie einstehen zu können.

So mußte sie ihn denn jetzt auch im Schutze ihres Doppelschleiers auf
dem Gange durch Veronas volkserfüllte Straßen zu dem „Perlenkönig"
Brondolo begleiten.

Wir werden zwar seine Schätze nicht inmitten der Gaffer besehen können,
die immer bei jedem Handel mit zuschauen, sagte der alte Buonaeolsi, als nach
einem vorsichtigen Ausblick unter dem Thore des Albergo der Gang begann,
einem Ausblick vor allen nach den wenigen elegant gekleideten jungen Herren, die
doch hie und da zwischen den übrigen Passanten umherschlenderten; er wird
uns, was wir brauchen, nach dem Schließen seiner Bilde um Ave Maria in
unser Albergo bringen müssen. Aber wenn er heute noch so vorsichtig ist wie
dazumal, als ich das letzte Geschenk für deine Mutter bei ihm kaufte, Gott
habe sie selig, so kommt er auf keine bloß durch einen Boten aufgerichtete
Bestellung zu uns in den Gasthof. Man muß ihm zuerst persönlich aufwarten.
O, diese jüdischen Juweliere sind jetzt vornehmer als wir andern. Habe ich
Recht, Lazzaro? setzte er mit einem Blick über die Schulter hinzu, denn hinter
ihm schritt der grauköpfige Kammerdiener, der auf diesen traditionellen Namen
aller ersten Kammerdiener der Buvnaeolsis hörte, mochten sie auch auf weit
fröhlicher klingende Namen getauft sein.

8i ä^vvero, Leröniw, stimmte Lazzaro bei.

Und auch Eufemia, welche hinter Florida ging, glaubte mit einem (^ohl ö,
Lörsnits.! ihres Herrn Ausspruch bestätigen zu sollen.

Das Lädchen oder der halb offene Verkaufsstand des Perlenkönigs war
gleich vielen andern Butiken in einen der äußeren Bogen des Amphitheaters


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/490>, abgerufen am 22.07.2024.