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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine perle.

Vermutlich aus Gutherzigkeit. Das Zoroaster- oder Zodiaco-Gäßchen, in
welchem die arme Florida ihre Tage verseufzt, soll kalt und düster sein wie ein
Grab.

Florida heißt sie? Ich hätte mir's denken können. Welch ein Liebreiz!
Verona kennt nichts ähnliches!

Sie blühe, sagte mir die Cameriera, wie eine maienblnmige Wiese.
Und der Alte sperrt sie also ein?

Nur zur Messe dürfe sie gehen, sagte die Cameriera, und dann zwei- oder
dreifach verschleiert.

Was meinst du?

Euer Gnaden wissen, daß ich nie eine eigne Meinung habe; ein Diener
fragt nur nach der Meinung seines Patrone.

Giuseppe trat ans Fenster. Die Straße war jetzt nicht mehr menschenleer.

Auch in einigen Teilen des gegenüberliegenden Gasthofes war Leben und
Bewegung. In dem gestern bis tief in den Hintergrund taghell gewesenen, jetzt
halbdunkeln Zimmer wurden von einen" alten Diener Mantelsäcke gepackt und
Reisedecken zusammengeschnürt. Von den Frauenzimmern etwas zu entdecken,
wollte dem Späherblicke Giuseppes nicht gelingen. Vielleicht war Florida schon
zu ihrem Vater hinübergegangen. Augenscheinlich hatte man drüben Eile, vor
der Hitze in den Sattel zu kommen.

Der Paduaner stand mit den Händen auf dem Rücken an der Thür und
wiederholte, ein Diener frage nur nach der Meinung seines Patrone.

Und Vrvndolv wäre dein Vetter? nahm? Giuseppe das Perlenthema
wieder auf.

Was man so Vetter nennt, Euer Gnaden.

Verwandtschaften, denen der Segen der Kirche fehlt?

Ungefähr so, Euer Gnaden.

Hin ... Ich könnte vielleicht zufällig als Käufer irgendeines Ohr- oder
Nasenringes im Laden sein, während der Alte mit seinem Töchterchen dort ein¬
spräche.

Wenn Euer Gnaden unerkannt ein Stündchen mit den Beiden Verkehren
wollen, sagte Beppo, indem er den Zeigefinger nachdenklich an die Unterlippe
legte, so möchte ich wohl einen unmaßgeblichen Vorschlag machen.

Heraus damit!

Mein Vetter hat, wie Euer Gnaden wissen, keinen eigentlichen Laden, son¬
dern einen halboffenen Stand.

Was weiter?

Der Perlenhandel wird also garnicht dort gemacht werden --

Sondern im Gasthof. Herrlich. Du bist zum Diplomaten geboren.

Beppo verneigte sich.

Aber was nun weiter? drängte Giuseppe. Natürlich habe ich mich bei


Um eine perle.

Vermutlich aus Gutherzigkeit. Das Zoroaster- oder Zodiaco-Gäßchen, in
welchem die arme Florida ihre Tage verseufzt, soll kalt und düster sein wie ein
Grab.

Florida heißt sie? Ich hätte mir's denken können. Welch ein Liebreiz!
Verona kennt nichts ähnliches!

Sie blühe, sagte mir die Cameriera, wie eine maienblnmige Wiese.
Und der Alte sperrt sie also ein?

Nur zur Messe dürfe sie gehen, sagte die Cameriera, und dann zwei- oder
dreifach verschleiert.

Was meinst du?

Euer Gnaden wissen, daß ich nie eine eigne Meinung habe; ein Diener
fragt nur nach der Meinung seines Patrone.

Giuseppe trat ans Fenster. Die Straße war jetzt nicht mehr menschenleer.

Auch in einigen Teilen des gegenüberliegenden Gasthofes war Leben und
Bewegung. In dem gestern bis tief in den Hintergrund taghell gewesenen, jetzt
halbdunkeln Zimmer wurden von einen« alten Diener Mantelsäcke gepackt und
Reisedecken zusammengeschnürt. Von den Frauenzimmern etwas zu entdecken,
wollte dem Späherblicke Giuseppes nicht gelingen. Vielleicht war Florida schon
zu ihrem Vater hinübergegangen. Augenscheinlich hatte man drüben Eile, vor
der Hitze in den Sattel zu kommen.

Der Paduaner stand mit den Händen auf dem Rücken an der Thür und
wiederholte, ein Diener frage nur nach der Meinung seines Patrone.

Und Vrvndolv wäre dein Vetter? nahm? Giuseppe das Perlenthema
wieder auf.

Was man so Vetter nennt, Euer Gnaden.

Verwandtschaften, denen der Segen der Kirche fehlt?

Ungefähr so, Euer Gnaden.

Hin ... Ich könnte vielleicht zufällig als Käufer irgendeines Ohr- oder
Nasenringes im Laden sein, während der Alte mit seinem Töchterchen dort ein¬
spräche.

Wenn Euer Gnaden unerkannt ein Stündchen mit den Beiden Verkehren
wollen, sagte Beppo, indem er den Zeigefinger nachdenklich an die Unterlippe
legte, so möchte ich wohl einen unmaßgeblichen Vorschlag machen.

Heraus damit!

Mein Vetter hat, wie Euer Gnaden wissen, keinen eigentlichen Laden, son¬
dern einen halboffenen Stand.

Was weiter?

Der Perlenhandel wird also garnicht dort gemacht werden —

Sondern im Gasthof. Herrlich. Du bist zum Diplomaten geboren.

Beppo verneigte sich.

Aber was nun weiter? drängte Giuseppe. Natürlich habe ich mich bei


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[0488] Um eine perle. Vermutlich aus Gutherzigkeit. Das Zoroaster- oder Zodiaco-Gäßchen, in welchem die arme Florida ihre Tage verseufzt, soll kalt und düster sein wie ein Grab. Florida heißt sie? Ich hätte mir's denken können. Welch ein Liebreiz! Verona kennt nichts ähnliches! Sie blühe, sagte mir die Cameriera, wie eine maienblnmige Wiese. Und der Alte sperrt sie also ein? Nur zur Messe dürfe sie gehen, sagte die Cameriera, und dann zwei- oder dreifach verschleiert. Was meinst du? Euer Gnaden wissen, daß ich nie eine eigne Meinung habe; ein Diener fragt nur nach der Meinung seines Patrone. Giuseppe trat ans Fenster. Die Straße war jetzt nicht mehr menschenleer. Auch in einigen Teilen des gegenüberliegenden Gasthofes war Leben und Bewegung. In dem gestern bis tief in den Hintergrund taghell gewesenen, jetzt halbdunkeln Zimmer wurden von einen« alten Diener Mantelsäcke gepackt und Reisedecken zusammengeschnürt. Von den Frauenzimmern etwas zu entdecken, wollte dem Späherblicke Giuseppes nicht gelingen. Vielleicht war Florida schon zu ihrem Vater hinübergegangen. Augenscheinlich hatte man drüben Eile, vor der Hitze in den Sattel zu kommen. Der Paduaner stand mit den Händen auf dem Rücken an der Thür und wiederholte, ein Diener frage nur nach der Meinung seines Patrone. Und Vrvndolv wäre dein Vetter? nahm? Giuseppe das Perlenthema wieder auf. Was man so Vetter nennt, Euer Gnaden. Verwandtschaften, denen der Segen der Kirche fehlt? Ungefähr so, Euer Gnaden. Hin ... Ich könnte vielleicht zufällig als Käufer irgendeines Ohr- oder Nasenringes im Laden sein, während der Alte mit seinem Töchterchen dort ein¬ spräche. Wenn Euer Gnaden unerkannt ein Stündchen mit den Beiden Verkehren wollen, sagte Beppo, indem er den Zeigefinger nachdenklich an die Unterlippe legte, so möchte ich wohl einen unmaßgeblichen Vorschlag machen. Heraus damit! Mein Vetter hat, wie Euer Gnaden wissen, keinen eigentlichen Laden, son¬ dern einen halboffenen Stand. Was weiter? Der Perlenhandel wird also garnicht dort gemacht werden — Sondern im Gasthof. Herrlich. Du bist zum Diplomaten geboren. Beppo verneigte sich. Aber was nun weiter? drängte Giuseppe. Natürlich habe ich mich bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/488>, abgerufen am 22.07.2024.