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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision manchesterlicher Lehren,

seinem Gehilfen uur etwa hundert zu drucken imstande ist; aber für die kleine
Auflage eines Landstadt-Blättchcns ist die altmodische Presse bei weitem die
wirksamste. Um hin und wieder zwei oder drei Passagiere zu fahren, ist der
Kahn ein dienlicheres Fahrzeug als das Dampfboot; einige Sack Korn können
mit weniger Aufwand von Arbeit durch ein Maultier transportirt werden als
durch einen Eiscnbcihuzug n. f. w. Und im allgemeinen wird man finden, daß
die unter den zerstreuten Bevölkerungen "euer oder wenig kultivirter Länder
üblichen rohen Vorrichtungen für Produktion und Austausch nicht so sehr von
dem Mangel an Kapital herrühren, als von der Unfähigkeit, dasselbe vorteilhaft
zu verwenden." (George ni, a. O.)

Es ist deshalb ein großer Irrtum, wenn man glaubt, durch Zuführung
nicht verlangten Kapitals zur Beschaffung von Maschinen die Produktion
steigern zu können. Es ist dies ebensowenig der Fall, als wenn man die
Zahl der Arbeiter vermehren wollte. In beiden Fällen würde der Erfolg nur
darin bestehen, die Industrie auf Abwege zu führen, d. h. zur Erzeugung vou
Gütern, zu deren Aufnahme die Konsumtion nicht fähig ist.

3. Das Kapital dient der Konsumtion, a) indem es die erzeugten unbe¬
weglichen Güter übernimmt und sie den Konsumenten zur Verfügung hält.
Diese unbeweglichen Güter sind die Wohn- und sonstigen Nutzgebäudc. Das
Kapital findet darin eine feste, dauernde Anlage, und es geschieht dieselbe ent¬
weder in der Form des Eigentums oder mittels Belehnung durch Hypotheken.
Im erstern Falle (des Eigentums) ist der Kapitalist zugleich Unternehmer, und
ist als solcher, wie wir spater sehen werden, nicht ans einen festen Zins, sondern
auf einen schwankenden Unternehmergewinn angewiesen.

In ähnlicher Weise dient das Kapital v) der Konsumtion beweglicher Güter,
indem es dieselben von der Produktion übernimmt und sie durch Ortsverände¬
rung, Aufspeicherung, Schaustellung, kurz dnrch den Handel, in die Hände der
Konsumenten bringt.

Wir haben gesehen, daß die Produktion des Kapitals an und für sich
nicht oder doch nnr in sehr geringem Maße bedarf. Der Handel, der Güter¬
umsatz dagegen ist ohne Kapital nicht denkbar, und deshalb ist neben der festen
Anlage in Gebänden Handel, Güterumsatz und Austausch recht eigentlich die
Domäne des Kapitals. Die Vermittlung des Handels aber ist an und für
sich und im Prinzip weder für die Produzenten noch für die Konsumenten
^'förderlich.

Sehr wohl konnten wir uns eine wirtschaftliche Gesellschaft ohne Handel
denken, wo das Gut direkt ans den Händen des Erzeugers in diejenigen des
Gebrauchers wanderte, ähnlich wie wir es bei der großen Brauerei in Pilsen
gesehen haben.

Die Wirkung eines solchen Zustandes würde wahrscheinlich im Anfange
günstig für die Produktion sei", denn die Konsumenten würden jeder für sich


Zur Revision manchesterlicher Lehren,

seinem Gehilfen uur etwa hundert zu drucken imstande ist; aber für die kleine
Auflage eines Landstadt-Blättchcns ist die altmodische Presse bei weitem die
wirksamste. Um hin und wieder zwei oder drei Passagiere zu fahren, ist der
Kahn ein dienlicheres Fahrzeug als das Dampfboot; einige Sack Korn können
mit weniger Aufwand von Arbeit durch ein Maultier transportirt werden als
durch einen Eiscnbcihuzug n. f. w. Und im allgemeinen wird man finden, daß
die unter den zerstreuten Bevölkerungen »euer oder wenig kultivirter Länder
üblichen rohen Vorrichtungen für Produktion und Austausch nicht so sehr von
dem Mangel an Kapital herrühren, als von der Unfähigkeit, dasselbe vorteilhaft
zu verwenden." (George ni, a. O.)

Es ist deshalb ein großer Irrtum, wenn man glaubt, durch Zuführung
nicht verlangten Kapitals zur Beschaffung von Maschinen die Produktion
steigern zu können. Es ist dies ebensowenig der Fall, als wenn man die
Zahl der Arbeiter vermehren wollte. In beiden Fällen würde der Erfolg nur
darin bestehen, die Industrie auf Abwege zu führen, d. h. zur Erzeugung vou
Gütern, zu deren Aufnahme die Konsumtion nicht fähig ist.

3. Das Kapital dient der Konsumtion, a) indem es die erzeugten unbe¬
weglichen Güter übernimmt und sie den Konsumenten zur Verfügung hält.
Diese unbeweglichen Güter sind die Wohn- und sonstigen Nutzgebäudc. Das
Kapital findet darin eine feste, dauernde Anlage, und es geschieht dieselbe ent¬
weder in der Form des Eigentums oder mittels Belehnung durch Hypotheken.
Im erstern Falle (des Eigentums) ist der Kapitalist zugleich Unternehmer, und
ist als solcher, wie wir spater sehen werden, nicht ans einen festen Zins, sondern
auf einen schwankenden Unternehmergewinn angewiesen.

In ähnlicher Weise dient das Kapital v) der Konsumtion beweglicher Güter,
indem es dieselben von der Produktion übernimmt und sie durch Ortsverände¬
rung, Aufspeicherung, Schaustellung, kurz dnrch den Handel, in die Hände der
Konsumenten bringt.

Wir haben gesehen, daß die Produktion des Kapitals an und für sich
nicht oder doch nnr in sehr geringem Maße bedarf. Der Handel, der Güter¬
umsatz dagegen ist ohne Kapital nicht denkbar, und deshalb ist neben der festen
Anlage in Gebänden Handel, Güterumsatz und Austausch recht eigentlich die
Domäne des Kapitals. Die Vermittlung des Handels aber ist an und für
sich und im Prinzip weder für die Produzenten noch für die Konsumenten
^'förderlich.

Sehr wohl konnten wir uns eine wirtschaftliche Gesellschaft ohne Handel
denken, wo das Gut direkt ans den Händen des Erzeugers in diejenigen des
Gebrauchers wanderte, ähnlich wie wir es bei der großen Brauerei in Pilsen
gesehen haben.

Die Wirkung eines solchen Zustandes würde wahrscheinlich im Anfange
günstig für die Produktion sei», denn die Konsumenten würden jeder für sich


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[0457] Zur Revision manchesterlicher Lehren, seinem Gehilfen uur etwa hundert zu drucken imstande ist; aber für die kleine Auflage eines Landstadt-Blättchcns ist die altmodische Presse bei weitem die wirksamste. Um hin und wieder zwei oder drei Passagiere zu fahren, ist der Kahn ein dienlicheres Fahrzeug als das Dampfboot; einige Sack Korn können mit weniger Aufwand von Arbeit durch ein Maultier transportirt werden als durch einen Eiscnbcihuzug n. f. w. Und im allgemeinen wird man finden, daß die unter den zerstreuten Bevölkerungen »euer oder wenig kultivirter Länder üblichen rohen Vorrichtungen für Produktion und Austausch nicht so sehr von dem Mangel an Kapital herrühren, als von der Unfähigkeit, dasselbe vorteilhaft zu verwenden." (George ni, a. O.) Es ist deshalb ein großer Irrtum, wenn man glaubt, durch Zuführung nicht verlangten Kapitals zur Beschaffung von Maschinen die Produktion steigern zu können. Es ist dies ebensowenig der Fall, als wenn man die Zahl der Arbeiter vermehren wollte. In beiden Fällen würde der Erfolg nur darin bestehen, die Industrie auf Abwege zu führen, d. h. zur Erzeugung vou Gütern, zu deren Aufnahme die Konsumtion nicht fähig ist. 3. Das Kapital dient der Konsumtion, a) indem es die erzeugten unbe¬ weglichen Güter übernimmt und sie den Konsumenten zur Verfügung hält. Diese unbeweglichen Güter sind die Wohn- und sonstigen Nutzgebäudc. Das Kapital findet darin eine feste, dauernde Anlage, und es geschieht dieselbe ent¬ weder in der Form des Eigentums oder mittels Belehnung durch Hypotheken. Im erstern Falle (des Eigentums) ist der Kapitalist zugleich Unternehmer, und ist als solcher, wie wir spater sehen werden, nicht ans einen festen Zins, sondern auf einen schwankenden Unternehmergewinn angewiesen. In ähnlicher Weise dient das Kapital v) der Konsumtion beweglicher Güter, indem es dieselben von der Produktion übernimmt und sie durch Ortsverände¬ rung, Aufspeicherung, Schaustellung, kurz dnrch den Handel, in die Hände der Konsumenten bringt. Wir haben gesehen, daß die Produktion des Kapitals an und für sich nicht oder doch nnr in sehr geringem Maße bedarf. Der Handel, der Güter¬ umsatz dagegen ist ohne Kapital nicht denkbar, und deshalb ist neben der festen Anlage in Gebänden Handel, Güterumsatz und Austausch recht eigentlich die Domäne des Kapitals. Die Vermittlung des Handels aber ist an und für sich und im Prinzip weder für die Produzenten noch für die Konsumenten ^'förderlich. Sehr wohl konnten wir uns eine wirtschaftliche Gesellschaft ohne Handel denken, wo das Gut direkt ans den Händen des Erzeugers in diejenigen des Gebrauchers wanderte, ähnlich wie wir es bei der großen Brauerei in Pilsen gesehen haben. Die Wirkung eines solchen Zustandes würde wahrscheinlich im Anfange günstig für die Produktion sei», denn die Konsumenten würden jeder für sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/457>, abgerufen am 22.07.2024.