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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision manchesterlicher Lehren.

liegen bleibt zu späterer Verwendung, dürfte bei der heutigen, überaus leichten
Gelegenheit, auch die kleinsten Beträge nutzbringend anzulegen, kaum in Betracht
kommen, und man kann daher sagen, 2. daß alles, was von erzeugten Werten
nicht der Konsumtion dient, nutzbringende Verwendung sucht. Diesen letzteren
Teil der erzeugten Werte nennen wir Kapital.

Eine nutzbringende Verwendung kann das Kapital nur in folgender Weife
finden: 1. Wenn es sich in Land verwandelt, um der Güterproduktivn die
Stoffe zu liefern, oder 2. wenn es sich in Werkzeuge verwandelt, wodurch es
an der eigentlichen Gütererzeugung beteiligt wird, oder 3. wenn es der Kon¬
sumtion dienstbar wird. Dies kann geschehen a) durch Verwandlung in Wohn¬
gebäude oder b) durch Übernahme der erzeugten beweglichen Güter zur Überleitung
derselben in die Hände der Konsumenten, was wir Güterumsatz, Austausch,
Handel nennen.

Diese dreierlei Arten oder Wege der Kapitalverwendung oder Kapitalanlage
sollen nun im einzelnen erörtert werden.

1. Für das Verhalten des Grund und Bodens hat sich eine besondre
Theorie gebildet, d. h. man glaubt ein Gesetz gefunden zu haben, nach welchem
sich der Boden ganz anders zur Produktion verhalte als Kapital lind Arbeit.
Dieses in England entstandene, zuerst von Ricardo verkündete oder formulirte
"Gesetz der Bodenrenke" ist von der gesamten nationalökonomischen Wissenschaft
adoptirt worden und hat allgemeinen Einfluß gewonnen.

Die Lehre lautet so: Die Rente von Grund und Boden wird bestimmt
durch den Überschuß seines Ertrages über den -- bei gleichem Aufwand von
Mitteln -- auf dem mindest einträglichen Boden, der in Benutzung steht, zu
erzielenden Ertrage.

Die scharfe Unterscheidung zwischen Kapital und Land (Grund und Boden)
mag in England gerechtfertigt sein, wo fast das gesamte Land sich im Besitz
weniger Personen befindet, und diese ihr Eigentum nicht gegen Kapital ein¬
getauscht, sondern es als Monopol von der Staatsgewalt erhalten haben, wo
dies Eigentum geschlossen und dem Austausch und Besitzwechsel fast völlig entzogen
ist, wo sich die Eigentümer mit der Bebauung ihrer Güter nicht befassen, sondern
sie der Ausbeute einer kapitalistischen Pächterklasse überlassen, alles Verhältnisse,
durch welche allerdings ein Gegensatz zwischen Land und Kapital vor aller
Augen entsteht.

Die Ermittlung, welche 1876 für England und Wales stattgefunden hat,
scheute sich die volle Wahrheit ans Licht zu bringen und rechnete deshalb die
Pächter auf 99 Jahre zu den Eigentümern. So ergaben sich 972 836 Eigen¬
tümer; man weiß aber seitdem, daß es nur 270 000 sind, von denen 5207 Per¬
sonen 551/., Prozent der gesamten Oberfläche von England und Wales besitzen.
Von diesen 55^ Prozent fallen 12^ Prozent auf die Besitzer von mehr als
10 000 Acres.


Zur Revision manchesterlicher Lehren.

liegen bleibt zu späterer Verwendung, dürfte bei der heutigen, überaus leichten
Gelegenheit, auch die kleinsten Beträge nutzbringend anzulegen, kaum in Betracht
kommen, und man kann daher sagen, 2. daß alles, was von erzeugten Werten
nicht der Konsumtion dient, nutzbringende Verwendung sucht. Diesen letzteren
Teil der erzeugten Werte nennen wir Kapital.

Eine nutzbringende Verwendung kann das Kapital nur in folgender Weife
finden: 1. Wenn es sich in Land verwandelt, um der Güterproduktivn die
Stoffe zu liefern, oder 2. wenn es sich in Werkzeuge verwandelt, wodurch es
an der eigentlichen Gütererzeugung beteiligt wird, oder 3. wenn es der Kon¬
sumtion dienstbar wird. Dies kann geschehen a) durch Verwandlung in Wohn¬
gebäude oder b) durch Übernahme der erzeugten beweglichen Güter zur Überleitung
derselben in die Hände der Konsumenten, was wir Güterumsatz, Austausch,
Handel nennen.

Diese dreierlei Arten oder Wege der Kapitalverwendung oder Kapitalanlage
sollen nun im einzelnen erörtert werden.

1. Für das Verhalten des Grund und Bodens hat sich eine besondre
Theorie gebildet, d. h. man glaubt ein Gesetz gefunden zu haben, nach welchem
sich der Boden ganz anders zur Produktion verhalte als Kapital lind Arbeit.
Dieses in England entstandene, zuerst von Ricardo verkündete oder formulirte
„Gesetz der Bodenrenke" ist von der gesamten nationalökonomischen Wissenschaft
adoptirt worden und hat allgemeinen Einfluß gewonnen.

Die Lehre lautet so: Die Rente von Grund und Boden wird bestimmt
durch den Überschuß seines Ertrages über den — bei gleichem Aufwand von
Mitteln — auf dem mindest einträglichen Boden, der in Benutzung steht, zu
erzielenden Ertrage.

Die scharfe Unterscheidung zwischen Kapital und Land (Grund und Boden)
mag in England gerechtfertigt sein, wo fast das gesamte Land sich im Besitz
weniger Personen befindet, und diese ihr Eigentum nicht gegen Kapital ein¬
getauscht, sondern es als Monopol von der Staatsgewalt erhalten haben, wo
dies Eigentum geschlossen und dem Austausch und Besitzwechsel fast völlig entzogen
ist, wo sich die Eigentümer mit der Bebauung ihrer Güter nicht befassen, sondern
sie der Ausbeute einer kapitalistischen Pächterklasse überlassen, alles Verhältnisse,
durch welche allerdings ein Gegensatz zwischen Land und Kapital vor aller
Augen entsteht.

Die Ermittlung, welche 1876 für England und Wales stattgefunden hat,
scheute sich die volle Wahrheit ans Licht zu bringen und rechnete deshalb die
Pächter auf 99 Jahre zu den Eigentümern. So ergaben sich 972 836 Eigen¬
tümer; man weiß aber seitdem, daß es nur 270 000 sind, von denen 5207 Per¬
sonen 551/., Prozent der gesamten Oberfläche von England und Wales besitzen.
Von diesen 55^ Prozent fallen 12^ Prozent auf die Besitzer von mehr als
10 000 Acres.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/452>, abgerufen am 22.07.2024.