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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die letzte Präsidentenwahl in Nordamerika.

Seine Niederlage hätte eine viel eklatantere sein müssen, wenn die großen
nicht solche Anstrengungen für ihn gemacht hätten. Man hat
erfahren, daß die Staatswahlen im Staate Ohio, die als eine Art Vorposten¬
gefecht vor der lÄeotiou stattfanden, dem republikanischen Kampagne-Seckel
1800000 Dollar gekostet haben; Ohio hätte sonst eigentlich demokratisch
wählen müssen. Für eine Blaine-Stimme wurde in den letzten Tagen vor
der Wahl in Newyork bis zu zehn Dollar geboten. Auf dem Lande und
im Innern, in Indiana z. B., sind die Stimmen allerdings billiger, und
es ist wirklich zu verwundern, daß die fehlenden 60000 votss sich nicht haben
auftreiben lassen; Geld war vorhanden, und Blaine war vollkommen im Rechte,
die Entrepreneurs seiner Wahl der Unfähigkeit und Schwerfälligkeit zu be¬
schuldigen, als sich nach dem 4. November die Sache durchaus nicht mehr
wollte nrrangiren lassen. Die Aufregung in Newyork in diesen Tagen war eine
ungeheure; man kam nachts nicht zum Einschlafen, weil fortwährend Extrablätter
nusgeschrieen wurden. Die Irilmiuz, das Blaine-Blatt, machte ein ausgezeich¬
netes Geschäft; sie behauptete fortwährend mit unerschütterlicher Frechheit,
Blaine habe gesiegt, und Hunderttausende kauften sich die Iridnns, um zu sehen,
womit sie das belegen wolle (echt amerikanisch!). Das Land blieb beinahe
vierzehn Tage im Unklaren, bis die Evidenz endlich erfolgte.

Ein würdiger Kompetitor Blciines und eine höchst anziehende Erscheinung
an und für sich war der nunmehr wieder in sein stilles Privatleben zurückge-
tauchtc Butter, der "alte Butler," wie er genannt wurde. Der Ruf dieses
Mannes, was Integrität anlangt, ist so schlecht, daß er nicht schlechter sein
kann, obwohl man hört, er sei zu schlau, um sich irgendetwas beweisen zu lassen.
Er gilt für einen der geriebensten Advokaten des Landes, ist ein vorzüglicher
Redner und hat auch einige Gedanken über die soziale Frage. Während des
Rebellivnskrieges war er General und hat als solcher große Energie bewiesen'
u. a. in Neworlecms, das sich unaufhörlich im rive befand, Ordnung geschaffen,
und selbst die südlichen Ladies, die seinen Soldaten auf der Straße ins Gesicht
spieen, durch -- allerdings sehr drastische Maßregeln -- zur Ruhe gebracht.
Auch in Newyork hat er durchgegriffen, als Anno 63 alles im Aufstande war
und seine lieben Parteigenossen die farbigen Kinder in die Flammen des Oolorsä
^one- warfen und Neger und andre mißliebige Leute an den Laternen auf¬
hingen. Er hielt bei dieser Gelegenheit einmal eine stNnp-Rede, die mit den
Worten begann: "Bummler, Tagediebe und Lumpen von Newyork!" und er
kam mit dem Leben davon! Butler ist, wie gesagt, Demokrat und hat sich
"ur dazu als Kandidaten aufstellen lassen, um seinem eignen Parteigenossen
Cleveland Stimmen zu entziehen, wofür er angeblich von den Republikanern
gut bezahlt worden ist. Es fand hierüber in den Blättern natürlich ein sehr
starker Verbrauch von Entrüstung statt, doch geht man sicherer, anzunehmen,
daß dieser Coup von viel Lutlkr als überaus haare bewundert wurde.


Die letzte Präsidentenwahl in Nordamerika.

Seine Niederlage hätte eine viel eklatantere sein müssen, wenn die großen
nicht solche Anstrengungen für ihn gemacht hätten. Man hat
erfahren, daß die Staatswahlen im Staate Ohio, die als eine Art Vorposten¬
gefecht vor der lÄeotiou stattfanden, dem republikanischen Kampagne-Seckel
1800000 Dollar gekostet haben; Ohio hätte sonst eigentlich demokratisch
wählen müssen. Für eine Blaine-Stimme wurde in den letzten Tagen vor
der Wahl in Newyork bis zu zehn Dollar geboten. Auf dem Lande und
im Innern, in Indiana z. B., sind die Stimmen allerdings billiger, und
es ist wirklich zu verwundern, daß die fehlenden 60000 votss sich nicht haben
auftreiben lassen; Geld war vorhanden, und Blaine war vollkommen im Rechte,
die Entrepreneurs seiner Wahl der Unfähigkeit und Schwerfälligkeit zu be¬
schuldigen, als sich nach dem 4. November die Sache durchaus nicht mehr
wollte nrrangiren lassen. Die Aufregung in Newyork in diesen Tagen war eine
ungeheure; man kam nachts nicht zum Einschlafen, weil fortwährend Extrablätter
nusgeschrieen wurden. Die Irilmiuz, das Blaine-Blatt, machte ein ausgezeich¬
netes Geschäft; sie behauptete fortwährend mit unerschütterlicher Frechheit,
Blaine habe gesiegt, und Hunderttausende kauften sich die Iridnns, um zu sehen,
womit sie das belegen wolle (echt amerikanisch!). Das Land blieb beinahe
vierzehn Tage im Unklaren, bis die Evidenz endlich erfolgte.

Ein würdiger Kompetitor Blciines und eine höchst anziehende Erscheinung
an und für sich war der nunmehr wieder in sein stilles Privatleben zurückge-
tauchtc Butter, der „alte Butler," wie er genannt wurde. Der Ruf dieses
Mannes, was Integrität anlangt, ist so schlecht, daß er nicht schlechter sein
kann, obwohl man hört, er sei zu schlau, um sich irgendetwas beweisen zu lassen.
Er gilt für einen der geriebensten Advokaten des Landes, ist ein vorzüglicher
Redner und hat auch einige Gedanken über die soziale Frage. Während des
Rebellivnskrieges war er General und hat als solcher große Energie bewiesen'
u. a. in Neworlecms, das sich unaufhörlich im rive befand, Ordnung geschaffen,
und selbst die südlichen Ladies, die seinen Soldaten auf der Straße ins Gesicht
spieen, durch — allerdings sehr drastische Maßregeln — zur Ruhe gebracht.
Auch in Newyork hat er durchgegriffen, als Anno 63 alles im Aufstande war
und seine lieben Parteigenossen die farbigen Kinder in die Flammen des Oolorsä
^one- warfen und Neger und andre mißliebige Leute an den Laternen auf¬
hingen. Er hielt bei dieser Gelegenheit einmal eine stNnp-Rede, die mit den
Worten begann: „Bummler, Tagediebe und Lumpen von Newyork!" und er
kam mit dem Leben davon! Butler ist, wie gesagt, Demokrat und hat sich
"ur dazu als Kandidaten aufstellen lassen, um seinem eignen Parteigenossen
Cleveland Stimmen zu entziehen, wofür er angeblich von den Republikanern
gut bezahlt worden ist. Es fand hierüber in den Blättern natürlich ein sehr
starker Verbrauch von Entrüstung statt, doch geht man sicherer, anzunehmen,
daß dieser Coup von viel Lutlkr als überaus haare bewundert wurde.


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[0449] Die letzte Präsidentenwahl in Nordamerika. Seine Niederlage hätte eine viel eklatantere sein müssen, wenn die großen nicht solche Anstrengungen für ihn gemacht hätten. Man hat erfahren, daß die Staatswahlen im Staate Ohio, die als eine Art Vorposten¬ gefecht vor der lÄeotiou stattfanden, dem republikanischen Kampagne-Seckel 1800000 Dollar gekostet haben; Ohio hätte sonst eigentlich demokratisch wählen müssen. Für eine Blaine-Stimme wurde in den letzten Tagen vor der Wahl in Newyork bis zu zehn Dollar geboten. Auf dem Lande und im Innern, in Indiana z. B., sind die Stimmen allerdings billiger, und es ist wirklich zu verwundern, daß die fehlenden 60000 votss sich nicht haben auftreiben lassen; Geld war vorhanden, und Blaine war vollkommen im Rechte, die Entrepreneurs seiner Wahl der Unfähigkeit und Schwerfälligkeit zu be¬ schuldigen, als sich nach dem 4. November die Sache durchaus nicht mehr wollte nrrangiren lassen. Die Aufregung in Newyork in diesen Tagen war eine ungeheure; man kam nachts nicht zum Einschlafen, weil fortwährend Extrablätter nusgeschrieen wurden. Die Irilmiuz, das Blaine-Blatt, machte ein ausgezeich¬ netes Geschäft; sie behauptete fortwährend mit unerschütterlicher Frechheit, Blaine habe gesiegt, und Hunderttausende kauften sich die Iridnns, um zu sehen, womit sie das belegen wolle (echt amerikanisch!). Das Land blieb beinahe vierzehn Tage im Unklaren, bis die Evidenz endlich erfolgte. Ein würdiger Kompetitor Blciines und eine höchst anziehende Erscheinung an und für sich war der nunmehr wieder in sein stilles Privatleben zurückge- tauchtc Butter, der „alte Butler," wie er genannt wurde. Der Ruf dieses Mannes, was Integrität anlangt, ist so schlecht, daß er nicht schlechter sein kann, obwohl man hört, er sei zu schlau, um sich irgendetwas beweisen zu lassen. Er gilt für einen der geriebensten Advokaten des Landes, ist ein vorzüglicher Redner und hat auch einige Gedanken über die soziale Frage. Während des Rebellivnskrieges war er General und hat als solcher große Energie bewiesen' u. a. in Neworlecms, das sich unaufhörlich im rive befand, Ordnung geschaffen, und selbst die südlichen Ladies, die seinen Soldaten auf der Straße ins Gesicht spieen, durch — allerdings sehr drastische Maßregeln — zur Ruhe gebracht. Auch in Newyork hat er durchgegriffen, als Anno 63 alles im Aufstande war und seine lieben Parteigenossen die farbigen Kinder in die Flammen des Oolorsä ^one- warfen und Neger und andre mißliebige Leute an den Laternen auf¬ hingen. Er hielt bei dieser Gelegenheit einmal eine stNnp-Rede, die mit den Worten begann: „Bummler, Tagediebe und Lumpen von Newyork!" und er kam mit dem Leben davon! Butler ist, wie gesagt, Demokrat und hat sich "ur dazu als Kandidaten aufstellen lassen, um seinem eignen Parteigenossen Cleveland Stimmen zu entziehen, wofür er angeblich von den Republikanern gut bezahlt worden ist. Es fand hierüber in den Blättern natürlich ein sehr starker Verbrauch von Entrüstung statt, doch geht man sicherer, anzunehmen, daß dieser Coup von viel Lutlkr als überaus haare bewundert wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/449>, abgerufen am 23.07.2024.