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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Allein obwohl, wie ich bemerkte, an und für sich und bei einfachen und
ganz gesunden Verhältnissen die produzirten Giiter ohne Vermittlung des Han¬
dels in die Hände der Konsumenten gelangen könnten, so ist dies doch in dein
komplizirten Organismus unsers Wirtschaftslebens nicht der Fall. Die Kon¬
sumenten müssen aufgesucht, die Güter müssen, an den richtigen Ort gebracht
und bis zur richtigen Zeit aufbewahrt, es müssen Vorräte gehalten werden -e..
kurz, der Handel ist ein notwendiges Glied unsers Wirtschaftslebens geworden,
und seine Thätigkeit wird deshalb von vielen für einen wesentlichen Bestand¬
teil der Güterproduktion erklärt, indem sie die Produktion als Gesamtheit der¬
jenigen Thätigkeiten auffassen, welche erforderlich sind bis zu dem Zeitpunkte, wo
das Gut von dem Konsumenten übernommen wird. Allein dies ist falsch, und
diese Auffassung mag wesentlich mit dazu beigetragen haben, das Kapital für
das hauptsächlichste Element der Güterprodnktion zu halten.

Es ist zwar unzweifelhaft, daß der Handel, indem er die Güter an die
richtige Stelle bringt, aufspeichert, feilhält, auch seinerseits einen wirklichen Wert
erzeugt, also produzirt; allem er produzirt nicht das Ganze, was er dem Kon¬
sumenten liefert, sondern er hat mit der Waare, die ihm vom eigentlichen Güter-
Produzenten überliefert wird, nur eine Wertcrhöhung vorgenommen. Und weil
er nicht alles produzirt hat, was er liefert, kann er anch nicht alles, was er
liefert, aus dein Ertrage seiner Arbeit bestreiten, vielmehr bedarf er des Ka¬
pitals, um das Gut von dem Fabrikanten zu übernehmen, und nur seine eigne
Arbeit nebst dem Zins des von ihm beschäftigten Kapitals wird aus dem Pro¬
dukte seiner eignen Arbeit bezahlt.

Fassen wir aber, um den bestehenden Zustünden Rechnung zu tragen, die
Güterproduktion im engern Sinne mit dem Handel als ein Ganzes auf, so
werden wir allerdings sagen müssen, daß für dieses Ganze, d. h. für die wirt¬
schaftliche Thätigkeit des Volkes, das Kapital ein wesentliches Element ist.
Allein dies ändert an unserm Satze nichts, daß die Gilterproduktion an und
für sich nur grundsätzlich von dem Kapital, soweit es sich nicht um Lieferung
des Stoffes und der Werkzeuge handelt, unabhängig sei.

Unsre Untersuchung ergiebt, daß der Ausgangspunkt aller Produktion das
Bedürfnis der Gesellschaft, die Nachfrage der Konsumenten ist, daß durch sie
der Unternehmer angeregt wird, und daß dieser zur Leistung der Kraft die
Arbeiter, zur Lieferung des Stoffes den Grundbesitzer und zur Beschaffung der
Werkzeuge das Kapital zu Hilfe ruft. Wenn dem so ist, so können die Ge¬
hilfen, abgesehen von der relativen Höhe ihres Lohnes, nnr gedeihen, wenn die
Thätigkeit der Unternehmer lebhaft ist. Alsdann werden Grundrente, die wir
bvrläufig noch erwähnen, Arbeitslohn und Kapitalzins eine steigende Tendenz
haben, bei schwacher Thätigkeit der Unternehmer aber eine fallende Tendenz.
Mit andern Worten: die Bewegung von Grund- und Kapitalzins sowie des
Arbeitslohnes folgt, wenn nicht störende Ursachen einwirken, einem und demselben
Gesetze, sie steigen und fallen miteinander.


Allein obwohl, wie ich bemerkte, an und für sich und bei einfachen und
ganz gesunden Verhältnissen die produzirten Giiter ohne Vermittlung des Han¬
dels in die Hände der Konsumenten gelangen könnten, so ist dies doch in dein
komplizirten Organismus unsers Wirtschaftslebens nicht der Fall. Die Kon¬
sumenten müssen aufgesucht, die Güter müssen, an den richtigen Ort gebracht
und bis zur richtigen Zeit aufbewahrt, es müssen Vorräte gehalten werden -e..
kurz, der Handel ist ein notwendiges Glied unsers Wirtschaftslebens geworden,
und seine Thätigkeit wird deshalb von vielen für einen wesentlichen Bestand¬
teil der Güterproduktion erklärt, indem sie die Produktion als Gesamtheit der¬
jenigen Thätigkeiten auffassen, welche erforderlich sind bis zu dem Zeitpunkte, wo
das Gut von dem Konsumenten übernommen wird. Allein dies ist falsch, und
diese Auffassung mag wesentlich mit dazu beigetragen haben, das Kapital für
das hauptsächlichste Element der Güterprodnktion zu halten.

Es ist zwar unzweifelhaft, daß der Handel, indem er die Güter an die
richtige Stelle bringt, aufspeichert, feilhält, auch seinerseits einen wirklichen Wert
erzeugt, also produzirt; allem er produzirt nicht das Ganze, was er dem Kon¬
sumenten liefert, sondern er hat mit der Waare, die ihm vom eigentlichen Güter-
Produzenten überliefert wird, nur eine Wertcrhöhung vorgenommen. Und weil
er nicht alles produzirt hat, was er liefert, kann er anch nicht alles, was er
liefert, aus dein Ertrage seiner Arbeit bestreiten, vielmehr bedarf er des Ka¬
pitals, um das Gut von dem Fabrikanten zu übernehmen, und nur seine eigne
Arbeit nebst dem Zins des von ihm beschäftigten Kapitals wird aus dem Pro¬
dukte seiner eignen Arbeit bezahlt.

Fassen wir aber, um den bestehenden Zustünden Rechnung zu tragen, die
Güterproduktion im engern Sinne mit dem Handel als ein Ganzes auf, so
werden wir allerdings sagen müssen, daß für dieses Ganze, d. h. für die wirt¬
schaftliche Thätigkeit des Volkes, das Kapital ein wesentliches Element ist.
Allein dies ändert an unserm Satze nichts, daß die Gilterproduktion an und
für sich nur grundsätzlich von dem Kapital, soweit es sich nicht um Lieferung
des Stoffes und der Werkzeuge handelt, unabhängig sei.

Unsre Untersuchung ergiebt, daß der Ausgangspunkt aller Produktion das
Bedürfnis der Gesellschaft, die Nachfrage der Konsumenten ist, daß durch sie
der Unternehmer angeregt wird, und daß dieser zur Leistung der Kraft die
Arbeiter, zur Lieferung des Stoffes den Grundbesitzer und zur Beschaffung der
Werkzeuge das Kapital zu Hilfe ruft. Wenn dem so ist, so können die Ge¬
hilfen, abgesehen von der relativen Höhe ihres Lohnes, nnr gedeihen, wenn die
Thätigkeit der Unternehmer lebhaft ist. Alsdann werden Grundrente, die wir
bvrläufig noch erwähnen, Arbeitslohn und Kapitalzins eine steigende Tendenz
haben, bei schwacher Thätigkeit der Unternehmer aber eine fallende Tendenz.
Mit andern Worten: die Bewegung von Grund- und Kapitalzins sowie des
Arbeitslohnes folgt, wenn nicht störende Ursachen einwirken, einem und demselben
Gesetze, sie steigen und fallen miteinander.


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[0399] Allein obwohl, wie ich bemerkte, an und für sich und bei einfachen und ganz gesunden Verhältnissen die produzirten Giiter ohne Vermittlung des Han¬ dels in die Hände der Konsumenten gelangen könnten, so ist dies doch in dein komplizirten Organismus unsers Wirtschaftslebens nicht der Fall. Die Kon¬ sumenten müssen aufgesucht, die Güter müssen, an den richtigen Ort gebracht und bis zur richtigen Zeit aufbewahrt, es müssen Vorräte gehalten werden -e.. kurz, der Handel ist ein notwendiges Glied unsers Wirtschaftslebens geworden, und seine Thätigkeit wird deshalb von vielen für einen wesentlichen Bestand¬ teil der Güterproduktion erklärt, indem sie die Produktion als Gesamtheit der¬ jenigen Thätigkeiten auffassen, welche erforderlich sind bis zu dem Zeitpunkte, wo das Gut von dem Konsumenten übernommen wird. Allein dies ist falsch, und diese Auffassung mag wesentlich mit dazu beigetragen haben, das Kapital für das hauptsächlichste Element der Güterprodnktion zu halten. Es ist zwar unzweifelhaft, daß der Handel, indem er die Güter an die richtige Stelle bringt, aufspeichert, feilhält, auch seinerseits einen wirklichen Wert erzeugt, also produzirt; allem er produzirt nicht das Ganze, was er dem Kon¬ sumenten liefert, sondern er hat mit der Waare, die ihm vom eigentlichen Güter- Produzenten überliefert wird, nur eine Wertcrhöhung vorgenommen. Und weil er nicht alles produzirt hat, was er liefert, kann er anch nicht alles, was er liefert, aus dein Ertrage seiner Arbeit bestreiten, vielmehr bedarf er des Ka¬ pitals, um das Gut von dem Fabrikanten zu übernehmen, und nur seine eigne Arbeit nebst dem Zins des von ihm beschäftigten Kapitals wird aus dem Pro¬ dukte seiner eignen Arbeit bezahlt. Fassen wir aber, um den bestehenden Zustünden Rechnung zu tragen, die Güterproduktion im engern Sinne mit dem Handel als ein Ganzes auf, so werden wir allerdings sagen müssen, daß für dieses Ganze, d. h. für die wirt¬ schaftliche Thätigkeit des Volkes, das Kapital ein wesentliches Element ist. Allein dies ändert an unserm Satze nichts, daß die Gilterproduktion an und für sich nur grundsätzlich von dem Kapital, soweit es sich nicht um Lieferung des Stoffes und der Werkzeuge handelt, unabhängig sei. Unsre Untersuchung ergiebt, daß der Ausgangspunkt aller Produktion das Bedürfnis der Gesellschaft, die Nachfrage der Konsumenten ist, daß durch sie der Unternehmer angeregt wird, und daß dieser zur Leistung der Kraft die Arbeiter, zur Lieferung des Stoffes den Grundbesitzer und zur Beschaffung der Werkzeuge das Kapital zu Hilfe ruft. Wenn dem so ist, so können die Ge¬ hilfen, abgesehen von der relativen Höhe ihres Lohnes, nnr gedeihen, wenn die Thätigkeit der Unternehmer lebhaft ist. Alsdann werden Grundrente, die wir bvrläufig noch erwähnen, Arbeitslohn und Kapitalzins eine steigende Tendenz haben, bei schwacher Thätigkeit der Unternehmer aber eine fallende Tendenz. Mit andern Worten: die Bewegung von Grund- und Kapitalzins sowie des Arbeitslohnes folgt, wenn nicht störende Ursachen einwirken, einem und demselben Gesetze, sie steigen und fallen miteinander.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/399>, abgerufen am 22.07.2024.