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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Kommilitonen.

Der "blasse Heinrich" erwiederte: Ich habe fünfundzwanzig Pensionäre,
und diese bringen mir jeder achthundert Mark jährlich.

Das ist nicht viel, bemerkte der Pastor, das kann ich jetzt gut beurteilen,
denn die Auslagen für Wohnung, Beköstigung, Hilfslehrer --

Für mich genug! Hilfslehrer brauche ich nicht, ich erteile den Unterricht
ausschließlich selbst, und die jüngern Schüler werden von den ältern unter
meiner Aufsicht unterrichtet, nur in Musik und Religion fehlen mir die Fakul¬
täten, dafür sind Hilfslehrer da. Den Haushalt führt meine Schwester, eine
Pastorswitwe -- hier atmete der durch das "Fehlen der Fakultäten" Beun¬
ruhigte sichtlich auf -- sie ist zugleich der Hauskaplan und läßt sichs nicht
nehmen, uns siebenundzwanzig Tafelnden den Segen zu sprechen.

Gott sei Dank! rief der Theologe.

Sie führt zugleich die Wirtschaft so gut, daß mir alljährlich uoch genug
erübrigen und die Zahl unsrer fleus Freistellen nächstens ans sechs erhöhen
werden. Eine "Vergrößerung" des Pensionates ist aber ausgeschlossen, zunächst
aus räumlichen Rücksichten, sodann weil ich meinen geistigen und körperlichen
Kräften gemäß über diese Zahl nicht hinausgehen kann, denn mehr als fünf¬
undzwanzig kann ich nicht brauchen, und wenn mir auch ein zahlungsfähiger
Mann tausend oder zehntausend Mark für die Aufnahme eines Sohnes böte
oder selbst ein Freund mich darum bäte. Für diese Anzahl aber bin ich auf
Jahre hinaus vollständig versehen mit Aufträgen und Vormerkungen-

Er setzte die Tasse, in der nichts mehr zu trinken war, an den Mund und
wieder ab. Seid Ihr jetzt zufriedengestellt? und bin ich von dem aufgetauchten
Verdachte gereinigt, als sei ich hier ein Geschäftsreisender?

Vollkommen zufriedengestellt, sagte der Oberst unwillig, und ich werde dafür
sorgen, daß auch die geringste Spur des Zweifels gebührend niedergetreten wird.

Nimm's nur nicht übel! fügte der Pastor begütigend hinzu, der es heraus¬
gefühlt haben mochte, daß das Kreuzverhör jenem ans Herz griff. Du weißt
doch, alter Freund, oder vielmehr junger Freund, denn du bist uns ja von je
um einige Jahre nach gewesen, haha, dn weißt doch, daß ehrliches Aussprechen
ein Privilegium der Zusammengehörigen ist, und du bist arg mißverstanden,
durch ungenaue fremde Information übel gedeutet worden, um dieses glimpf¬
liche Wort zu brauchen.

Stoß an, blasser Heinrich! ermutigte ihn der Schauspieler.

Zwei frische Flaschen Sekt! herrschte der Parlamentarier in die Nebeu-
swbe, indem er die Thür halb anstieß, an welche eben die Superintendeutin
mit Barbara trat.

Letztere hatte durch geschickte Veranstaltung die anfangs ungeneigte Frau
zu dem Wagnis verleitet, dem Sonderzimmer der Herren noch einmal zu nahen
und auszukundschaften, ob etwa die auf die Tagesordnung gesetzte Erörterung
erledigt sei und ein die Damen nicht ausschließendes Gespräch begonnen habe.


Grenzboten I. 188S. 40
Die Kommilitonen.

Der „blasse Heinrich" erwiederte: Ich habe fünfundzwanzig Pensionäre,
und diese bringen mir jeder achthundert Mark jährlich.

Das ist nicht viel, bemerkte der Pastor, das kann ich jetzt gut beurteilen,
denn die Auslagen für Wohnung, Beköstigung, Hilfslehrer —

Für mich genug! Hilfslehrer brauche ich nicht, ich erteile den Unterricht
ausschließlich selbst, und die jüngern Schüler werden von den ältern unter
meiner Aufsicht unterrichtet, nur in Musik und Religion fehlen mir die Fakul¬
täten, dafür sind Hilfslehrer da. Den Haushalt führt meine Schwester, eine
Pastorswitwe — hier atmete der durch das „Fehlen der Fakultäten" Beun¬
ruhigte sichtlich auf — sie ist zugleich der Hauskaplan und läßt sichs nicht
nehmen, uns siebenundzwanzig Tafelnden den Segen zu sprechen.

Gott sei Dank! rief der Theologe.

Sie führt zugleich die Wirtschaft so gut, daß mir alljährlich uoch genug
erübrigen und die Zahl unsrer fleus Freistellen nächstens ans sechs erhöhen
werden. Eine „Vergrößerung" des Pensionates ist aber ausgeschlossen, zunächst
aus räumlichen Rücksichten, sodann weil ich meinen geistigen und körperlichen
Kräften gemäß über diese Zahl nicht hinausgehen kann, denn mehr als fünf¬
undzwanzig kann ich nicht brauchen, und wenn mir auch ein zahlungsfähiger
Mann tausend oder zehntausend Mark für die Aufnahme eines Sohnes böte
oder selbst ein Freund mich darum bäte. Für diese Anzahl aber bin ich auf
Jahre hinaus vollständig versehen mit Aufträgen und Vormerkungen-

Er setzte die Tasse, in der nichts mehr zu trinken war, an den Mund und
wieder ab. Seid Ihr jetzt zufriedengestellt? und bin ich von dem aufgetauchten
Verdachte gereinigt, als sei ich hier ein Geschäftsreisender?

Vollkommen zufriedengestellt, sagte der Oberst unwillig, und ich werde dafür
sorgen, daß auch die geringste Spur des Zweifels gebührend niedergetreten wird.

Nimm's nur nicht übel! fügte der Pastor begütigend hinzu, der es heraus¬
gefühlt haben mochte, daß das Kreuzverhör jenem ans Herz griff. Du weißt
doch, alter Freund, oder vielmehr junger Freund, denn du bist uns ja von je
um einige Jahre nach gewesen, haha, dn weißt doch, daß ehrliches Aussprechen
ein Privilegium der Zusammengehörigen ist, und du bist arg mißverstanden,
durch ungenaue fremde Information übel gedeutet worden, um dieses glimpf¬
liche Wort zu brauchen.

Stoß an, blasser Heinrich! ermutigte ihn der Schauspieler.

Zwei frische Flaschen Sekt! herrschte der Parlamentarier in die Nebeu-
swbe, indem er die Thür halb anstieß, an welche eben die Superintendeutin
mit Barbara trat.

Letztere hatte durch geschickte Veranstaltung die anfangs ungeneigte Frau
zu dem Wagnis verleitet, dem Sonderzimmer der Herren noch einmal zu nahen
und auszukundschaften, ob etwa die auf die Tagesordnung gesetzte Erörterung
erledigt sei und ein die Damen nicht ausschließendes Gespräch begonnen habe.


Grenzboten I. 188S. 40
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[0325] Die Kommilitonen. Der „blasse Heinrich" erwiederte: Ich habe fünfundzwanzig Pensionäre, und diese bringen mir jeder achthundert Mark jährlich. Das ist nicht viel, bemerkte der Pastor, das kann ich jetzt gut beurteilen, denn die Auslagen für Wohnung, Beköstigung, Hilfslehrer — Für mich genug! Hilfslehrer brauche ich nicht, ich erteile den Unterricht ausschließlich selbst, und die jüngern Schüler werden von den ältern unter meiner Aufsicht unterrichtet, nur in Musik und Religion fehlen mir die Fakul¬ täten, dafür sind Hilfslehrer da. Den Haushalt führt meine Schwester, eine Pastorswitwe — hier atmete der durch das „Fehlen der Fakultäten" Beun¬ ruhigte sichtlich auf — sie ist zugleich der Hauskaplan und läßt sichs nicht nehmen, uns siebenundzwanzig Tafelnden den Segen zu sprechen. Gott sei Dank! rief der Theologe. Sie führt zugleich die Wirtschaft so gut, daß mir alljährlich uoch genug erübrigen und die Zahl unsrer fleus Freistellen nächstens ans sechs erhöhen werden. Eine „Vergrößerung" des Pensionates ist aber ausgeschlossen, zunächst aus räumlichen Rücksichten, sodann weil ich meinen geistigen und körperlichen Kräften gemäß über diese Zahl nicht hinausgehen kann, denn mehr als fünf¬ undzwanzig kann ich nicht brauchen, und wenn mir auch ein zahlungsfähiger Mann tausend oder zehntausend Mark für die Aufnahme eines Sohnes böte oder selbst ein Freund mich darum bäte. Für diese Anzahl aber bin ich auf Jahre hinaus vollständig versehen mit Aufträgen und Vormerkungen- Er setzte die Tasse, in der nichts mehr zu trinken war, an den Mund und wieder ab. Seid Ihr jetzt zufriedengestellt? und bin ich von dem aufgetauchten Verdachte gereinigt, als sei ich hier ein Geschäftsreisender? Vollkommen zufriedengestellt, sagte der Oberst unwillig, und ich werde dafür sorgen, daß auch die geringste Spur des Zweifels gebührend niedergetreten wird. Nimm's nur nicht übel! fügte der Pastor begütigend hinzu, der es heraus¬ gefühlt haben mochte, daß das Kreuzverhör jenem ans Herz griff. Du weißt doch, alter Freund, oder vielmehr junger Freund, denn du bist uns ja von je um einige Jahre nach gewesen, haha, dn weißt doch, daß ehrliches Aussprechen ein Privilegium der Zusammengehörigen ist, und du bist arg mißverstanden, durch ungenaue fremde Information übel gedeutet worden, um dieses glimpf¬ liche Wort zu brauchen. Stoß an, blasser Heinrich! ermutigte ihn der Schauspieler. Zwei frische Flaschen Sekt! herrschte der Parlamentarier in die Nebeu- swbe, indem er die Thür halb anstieß, an welche eben die Superintendeutin mit Barbara trat. Letztere hatte durch geschickte Veranstaltung die anfangs ungeneigte Frau zu dem Wagnis verleitet, dem Sonderzimmer der Herren noch einmal zu nahen und auszukundschaften, ob etwa die auf die Tagesordnung gesetzte Erörterung erledigt sei und ein die Damen nicht ausschließendes Gespräch begonnen habe. Grenzboten I. 188S. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/325>, abgerufen am 22.07.2024.