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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Lcindschaftsmalerci.

kennen gelernt haben, die er auf seinen Darstellungen des Elements des Wassers
wiedergegeben hat.

Ein andresmal schuf Vrueghel eine ähnliche Komposition wie die Münchener
Madonna in der Guirlande mit Hendrik van Balen zusammen. Da er einen
Ebcuhvlzrahmcu für S0 Gulden dazu hatte machen lassen, forderte er in einem
Briefe an Bianchi 1460 Gulden dafür. Das Gemälde war uach Mailand ab¬
geschickt, aber von dem Besteller nicht bezahlt worden. Vrueghel brauchte Geld,
und so willigte er schließlich ein, daß Bianchi das Bild für 800 Gulden los¬
schlug, immer noch eine respektable Summe, zumal wenn man in Betracht zieht,
daß van Balen nicht sehr hoch für seiue Mitarbeiterschaft bezahlt wurde. Wir
erfahren, daß ihn Vrueghel gelegentlich in sein Haus nahm und ihm einen
Tcigclohn von vier Gulden gab. Welche Summe mag er demnach gefordert
habe", wenn Rubens eine Madonna mit Engeln in und um seinen Blumenkranz
malte? Das Münchener Bild, so köstlich und farbenreich, so sorgfältig und
gewissenhaft es ist, bezeichnet dabei noch nicht einmal den Höhepunkt dessen, was
Rubens und Brueghel zusammen leisten konnten. Nach Brucghels persönlicher
Auffassung, die sich als richtig erweist, weil wir die Dinge kvntrvliren können,
ist das schönste Stück, welches er selbst jemals zustande gebracht hat, eine
Madonna in einer Vlumcnguirlande, die er am ö. September 1621 an den
Erzbischof uach Mailand sandte. "Ich hoffe, so schreibt er. daß diese Malerei
Eurer erlauchten Herrlichkeit eine außergewöhnliche Befriedigung gewähren wird,
nicht allein wegen der von mir angewendeten Schönheit und Sauberkeit an den
Blumen, Tieren und Vögeln, sondern anch, weil die Figur der Madonna von
der Hand des Herrn Rubens, des in diesem Fache ausgezeichneten und berühmten
Mannes, gemalt ist." An Bianchi schrieb Brueghel zugleich: Es ist "das schönste
und seltenste Stück, das ich jemals in meinem Leben gemacht habe. Die Vögel
und Tiere sind nach dem Leben gemalt und zwar nach einigen, welche die er¬
lauchteste Infantin besitzt."

Leider wissen wir den Preis nicht, den der Kardinal für dieses Bild gezahlt
hat. Jedenfalls muß Brueghel damit zufrieden gewesen sein, da der rege Brief¬
wechsel mit dem Kardinal ohne den geringsten Mißklang bis zum Tode des
Malers anhielt. Auch gab der Erzbischof beiden Künstlern noch einen besondern
Beweis seiner Gunst, indem er jedem eine goldene Medaille mit dem Bild¬
nisse seines Oheims, des heiligen Carlo Bvrrvmev, verehrte, wofür ihm
sowohl Brueghel als Rubens in einem sehr verbindlichen Schreiben daukten-
Jenes Bild der Madonna mit dem Blumenkranze befindet sich nicht mehr in der
ambrvsianischen Bibliothek in Mailand, sondern in Louvre zu Paris. Als
Napoleon der Erste seiue Raubzüge durch Oberitalien unternahm, wurden
auch die Kunst- und Vücherschütze der Ambrosiana uach Paris geschleppt,
und als die Zeit der Vergeltung und der Herausgabe des geraubten
Gutes kam, wurden gerade die drei besten Bilder der nmbrosianischen Bibliothek,


Die niederländische Genre- und Lcindschaftsmalerci.

kennen gelernt haben, die er auf seinen Darstellungen des Elements des Wassers
wiedergegeben hat.

Ein andresmal schuf Vrueghel eine ähnliche Komposition wie die Münchener
Madonna in der Guirlande mit Hendrik van Balen zusammen. Da er einen
Ebcuhvlzrahmcu für S0 Gulden dazu hatte machen lassen, forderte er in einem
Briefe an Bianchi 1460 Gulden dafür. Das Gemälde war uach Mailand ab¬
geschickt, aber von dem Besteller nicht bezahlt worden. Vrueghel brauchte Geld,
und so willigte er schließlich ein, daß Bianchi das Bild für 800 Gulden los¬
schlug, immer noch eine respektable Summe, zumal wenn man in Betracht zieht,
daß van Balen nicht sehr hoch für seiue Mitarbeiterschaft bezahlt wurde. Wir
erfahren, daß ihn Vrueghel gelegentlich in sein Haus nahm und ihm einen
Tcigclohn von vier Gulden gab. Welche Summe mag er demnach gefordert
habe», wenn Rubens eine Madonna mit Engeln in und um seinen Blumenkranz
malte? Das Münchener Bild, so köstlich und farbenreich, so sorgfältig und
gewissenhaft es ist, bezeichnet dabei noch nicht einmal den Höhepunkt dessen, was
Rubens und Brueghel zusammen leisten konnten. Nach Brucghels persönlicher
Auffassung, die sich als richtig erweist, weil wir die Dinge kvntrvliren können,
ist das schönste Stück, welches er selbst jemals zustande gebracht hat, eine
Madonna in einer Vlumcnguirlande, die er am ö. September 1621 an den
Erzbischof uach Mailand sandte. „Ich hoffe, so schreibt er. daß diese Malerei
Eurer erlauchten Herrlichkeit eine außergewöhnliche Befriedigung gewähren wird,
nicht allein wegen der von mir angewendeten Schönheit und Sauberkeit an den
Blumen, Tieren und Vögeln, sondern anch, weil die Figur der Madonna von
der Hand des Herrn Rubens, des in diesem Fache ausgezeichneten und berühmten
Mannes, gemalt ist." An Bianchi schrieb Brueghel zugleich: Es ist „das schönste
und seltenste Stück, das ich jemals in meinem Leben gemacht habe. Die Vögel
und Tiere sind nach dem Leben gemalt und zwar nach einigen, welche die er¬
lauchteste Infantin besitzt."

Leider wissen wir den Preis nicht, den der Kardinal für dieses Bild gezahlt
hat. Jedenfalls muß Brueghel damit zufrieden gewesen sein, da der rege Brief¬
wechsel mit dem Kardinal ohne den geringsten Mißklang bis zum Tode des
Malers anhielt. Auch gab der Erzbischof beiden Künstlern noch einen besondern
Beweis seiner Gunst, indem er jedem eine goldene Medaille mit dem Bild¬
nisse seines Oheims, des heiligen Carlo Bvrrvmev, verehrte, wofür ihm
sowohl Brueghel als Rubens in einem sehr verbindlichen Schreiben daukten-
Jenes Bild der Madonna mit dem Blumenkranze befindet sich nicht mehr in der
ambrvsianischen Bibliothek in Mailand, sondern in Louvre zu Paris. Als
Napoleon der Erste seiue Raubzüge durch Oberitalien unternahm, wurden
auch die Kunst- und Vücherschütze der Ambrosiana uach Paris geschleppt,
und als die Zeit der Vergeltung und der Herausgabe des geraubten
Gutes kam, wurden gerade die drei besten Bilder der nmbrosianischen Bibliothek,


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[0314] Die niederländische Genre- und Lcindschaftsmalerci. kennen gelernt haben, die er auf seinen Darstellungen des Elements des Wassers wiedergegeben hat. Ein andresmal schuf Vrueghel eine ähnliche Komposition wie die Münchener Madonna in der Guirlande mit Hendrik van Balen zusammen. Da er einen Ebcuhvlzrahmcu für S0 Gulden dazu hatte machen lassen, forderte er in einem Briefe an Bianchi 1460 Gulden dafür. Das Gemälde war uach Mailand ab¬ geschickt, aber von dem Besteller nicht bezahlt worden. Vrueghel brauchte Geld, und so willigte er schließlich ein, daß Bianchi das Bild für 800 Gulden los¬ schlug, immer noch eine respektable Summe, zumal wenn man in Betracht zieht, daß van Balen nicht sehr hoch für seiue Mitarbeiterschaft bezahlt wurde. Wir erfahren, daß ihn Vrueghel gelegentlich in sein Haus nahm und ihm einen Tcigclohn von vier Gulden gab. Welche Summe mag er demnach gefordert habe», wenn Rubens eine Madonna mit Engeln in und um seinen Blumenkranz malte? Das Münchener Bild, so köstlich und farbenreich, so sorgfältig und gewissenhaft es ist, bezeichnet dabei noch nicht einmal den Höhepunkt dessen, was Rubens und Brueghel zusammen leisten konnten. Nach Brucghels persönlicher Auffassung, die sich als richtig erweist, weil wir die Dinge kvntrvliren können, ist das schönste Stück, welches er selbst jemals zustande gebracht hat, eine Madonna in einer Vlumcnguirlande, die er am ö. September 1621 an den Erzbischof uach Mailand sandte. „Ich hoffe, so schreibt er. daß diese Malerei Eurer erlauchten Herrlichkeit eine außergewöhnliche Befriedigung gewähren wird, nicht allein wegen der von mir angewendeten Schönheit und Sauberkeit an den Blumen, Tieren und Vögeln, sondern anch, weil die Figur der Madonna von der Hand des Herrn Rubens, des in diesem Fache ausgezeichneten und berühmten Mannes, gemalt ist." An Bianchi schrieb Brueghel zugleich: Es ist „das schönste und seltenste Stück, das ich jemals in meinem Leben gemacht habe. Die Vögel und Tiere sind nach dem Leben gemalt und zwar nach einigen, welche die er¬ lauchteste Infantin besitzt." Leider wissen wir den Preis nicht, den der Kardinal für dieses Bild gezahlt hat. Jedenfalls muß Brueghel damit zufrieden gewesen sein, da der rege Brief¬ wechsel mit dem Kardinal ohne den geringsten Mißklang bis zum Tode des Malers anhielt. Auch gab der Erzbischof beiden Künstlern noch einen besondern Beweis seiner Gunst, indem er jedem eine goldene Medaille mit dem Bild¬ nisse seines Oheims, des heiligen Carlo Bvrrvmev, verehrte, wofür ihm sowohl Brueghel als Rubens in einem sehr verbindlichen Schreiben daukten- Jenes Bild der Madonna mit dem Blumenkranze befindet sich nicht mehr in der ambrvsianischen Bibliothek in Mailand, sondern in Louvre zu Paris. Als Napoleon der Erste seiue Raubzüge durch Oberitalien unternahm, wurden auch die Kunst- und Vücherschütze der Ambrosiana uach Paris geschleppt, und als die Zeit der Vergeltung und der Herausgabe des geraubten Gutes kam, wurden gerade die drei besten Bilder der nmbrosianischen Bibliothek,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/314>, abgerufen am 22.07.2024.