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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Ans der französischen Revolution.

sich dieser Jakobinismus von dem Pariser Klub aus über das ganze Land,
gleich dem Netze einer Riesenspinne, ausbreitete und seine Doktrinen in der
Hauptstadt wie in den Provinzen, in den Städten wie in den Dörfern, in der
Legislative wie in der Rechtsprechung und Verwaltung, in Kirche und Schule,
im öffentlichen und privaten Leben zur Geltung brachte, mit allen Greuelthaten
der fanatischen Volksmenge, mit Tod, Plünderung und Verbannung, mit Knech¬
tung der Gewissen und Vergewaltigung des Einzelnen und des Ganzen -- das
ist der Gegenstand des unter dem Titel "Die jakobinische Eroberung" erschie¬
nenen zweiten Bandes. Der vorliegende dritte Band") umfaßt das revolutionäre
Regiment, sein jakobinisches Programm, die Zustände in der Regierung wie
in den regierten Kreisen, und er schließt mit dem Ende dieses Regiments durch
Bonaparte.

Die Bergpartei des Konvents riß die Zügel der Herrschaft mit einer
Energie an sich, welche die vorhergegangenen Regierungen mit Einschluß der
Girondisten niemals gezeigt hatten. Ohne Scheu und Scham wenden diejenigen,
die in ihren Reden von Freiheit und allen Tugenden des republikanischen Alter¬
tums überfließen, Gewalt und Trug an, um sich in ihrer Minorität der Herr¬
schaft über das ganze widerstrebende Land zu bemächtigen. Gleich die Ver¬
fassung von 1793 wird zur Lüge, indem die Wahlen teils gefälscht, teils unter
Druck und Einschüchterung sich vollziehen. Die Delegirten der UrVersammlungen,
welche in ihrer Mehrheit, um gegen diese Gewaltthätigkeiten zu protestiren, nach
Paris gekommen sind, werden teils genötigt, teils durch Schmeicheleien ver¬
lockt, sich zu dem jakobinischen Credo zu bekennen. So kann die Bergpartei,
anstatt die Konstitution in Kraft zu setzen und einen neuen gesetzgebenden Körper
wählen zu lassen, den Konvent für permanent erklären und mit dürren Worten
den Beginn der Schreckensherrschaft verkünden. Jene Delegirten werden aus-
ersehen, diese von Paris in die Departements zu trage", wohin die noch übrig¬
gebliebenen Girondisten versprengt sind. Trotzdem, daß die große Masse zu
ihnen hält, bleiben die Führer unthätig und wagen es nicht, ein Gegenregiment
gegen die Usurpation der Pariser Jakobiner aufzustellen. Allmählich gewinnt
auch in den oppositionellen Departements die jakobinische Herrschaft, welche
nach den Pariser Mustern handelt, die Oberhand, und wo dies nicht geschieht,
wird die Opposition, wie in Bordeaux, Marseille, Lyon, Toulon, mit Gewalt
vernichtet, in die Gefängnisse geworfen, ertränkt, erschossen oder guillotinirt.
Die mit dieser Aufgabe betrauten Kvnventsmäuner scheuen sich nicht, in ihren
Berichten mit ihren Heldenthaten zu prunken. In Bordeaux wird der Maire
nach Unterwerfung der Stadt ohne weitere Prozedur zum Schaffot geführt,
881 andre folgen ihm, 200 Großkauflentc werden in einer Nacht "verhaftet,



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Louw III i I.o jjMvornsmont rovolutiomuürv. (?frih, 1885, I/idrairis lliuzlwttv K L!is.)
Ans der französischen Revolution.

sich dieser Jakobinismus von dem Pariser Klub aus über das ganze Land,
gleich dem Netze einer Riesenspinne, ausbreitete und seine Doktrinen in der
Hauptstadt wie in den Provinzen, in den Städten wie in den Dörfern, in der
Legislative wie in der Rechtsprechung und Verwaltung, in Kirche und Schule,
im öffentlichen und privaten Leben zur Geltung brachte, mit allen Greuelthaten
der fanatischen Volksmenge, mit Tod, Plünderung und Verbannung, mit Knech¬
tung der Gewissen und Vergewaltigung des Einzelnen und des Ganzen — das
ist der Gegenstand des unter dem Titel „Die jakobinische Eroberung" erschie¬
nenen zweiten Bandes. Der vorliegende dritte Band") umfaßt das revolutionäre
Regiment, sein jakobinisches Programm, die Zustände in der Regierung wie
in den regierten Kreisen, und er schließt mit dem Ende dieses Regiments durch
Bonaparte.

Die Bergpartei des Konvents riß die Zügel der Herrschaft mit einer
Energie an sich, welche die vorhergegangenen Regierungen mit Einschluß der
Girondisten niemals gezeigt hatten. Ohne Scheu und Scham wenden diejenigen,
die in ihren Reden von Freiheit und allen Tugenden des republikanischen Alter¬
tums überfließen, Gewalt und Trug an, um sich in ihrer Minorität der Herr¬
schaft über das ganze widerstrebende Land zu bemächtigen. Gleich die Ver¬
fassung von 1793 wird zur Lüge, indem die Wahlen teils gefälscht, teils unter
Druck und Einschüchterung sich vollziehen. Die Delegirten der UrVersammlungen,
welche in ihrer Mehrheit, um gegen diese Gewaltthätigkeiten zu protestiren, nach
Paris gekommen sind, werden teils genötigt, teils durch Schmeicheleien ver¬
lockt, sich zu dem jakobinischen Credo zu bekennen. So kann die Bergpartei,
anstatt die Konstitution in Kraft zu setzen und einen neuen gesetzgebenden Körper
wählen zu lassen, den Konvent für permanent erklären und mit dürren Worten
den Beginn der Schreckensherrschaft verkünden. Jene Delegirten werden aus-
ersehen, diese von Paris in die Departements zu trage», wohin die noch übrig¬
gebliebenen Girondisten versprengt sind. Trotzdem, daß die große Masse zu
ihnen hält, bleiben die Führer unthätig und wagen es nicht, ein Gegenregiment
gegen die Usurpation der Pariser Jakobiner aufzustellen. Allmählich gewinnt
auch in den oppositionellen Departements die jakobinische Herrschaft, welche
nach den Pariser Mustern handelt, die Oberhand, und wo dies nicht geschieht,
wird die Opposition, wie in Bordeaux, Marseille, Lyon, Toulon, mit Gewalt
vernichtet, in die Gefängnisse geworfen, ertränkt, erschossen oder guillotinirt.
Die mit dieser Aufgabe betrauten Kvnventsmäuner scheuen sich nicht, in ihren
Berichten mit ihren Heldenthaten zu prunken. In Bordeaux wird der Maire
nach Unterwerfung der Stadt ohne weitere Prozedur zum Schaffot geführt,
881 andre folgen ihm, 200 Großkauflentc werden in einer Nacht «verhaftet,



*) II. Litlvo, Iivs orißiuos Äo 1». ?>'>>,«>;>! vontomxnrainv. I» Revolution.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/25>, abgerufen am 22.07.2024.