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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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lernen aus diesen Briefen die rührende Bescheidenheit und bezaubernde Liebens¬
würdigkeit des in seinem Alter von allen Seiten gefeierten Künstlers kennen
und erfreuen uns an seiner milden Auffassung der Menschen und Dinge wie
an der lichten Klarheit seines Geistes, die selbst sein schweres Augenleiden nicht
zu trüben vermochte.

Zu diesem schönen Zuwachs authentischen Materials für eine künftige
Richter-Biographie können wir heute noch einen, wie uns scheint, nicht minder
wertvollen Beitrag liefern. Es ist bekannt, daß Richter durch die uneigennützige
Unterstützung des Dresdner Buch- und Kunsthändlers Johann Christoph Arnold
die Mittel erhielt, dem Zuge seiner Sehnsucht Folge zu leisten und in Italien
seiner künstlerischen Ausbildung nachzugehen. Leider wissen wir nur wenig aus
der Zeit, wo dieser wichtige Wendepunkt in Richters Leben eintrat, werden
Wohl auch erst dann genaueres darüber erfahren, wenn einmal seine autobio-
graphischen Aufzeichnungen an das Tageslicht treten, die sicherm Vernehmen
nach bis in die erste Zeit des römischen Aufenthalts reichen. Doch läßt sich
schon jetzt nachweisen, daß die Eindrücke, welche Richter von der ewigen Stadt
und ihrer Umgebung erhielt, zunächst nicht seinen hochgespannter Erwartungen
entsprachen. Dies geht mit Sicherheit ans einem Briefe Richters an seinen
Dresdner Gönner hervor. Der Brief wurde bald nach seiner Niederschrift in
dem von C. A. Böttiger redigirten "Artistischen Notizenblatt," dem Beiblatt
zur "Dresdner Abendzeitung," veröffentlicht, und zwar unter dem Titel: "Ge¬
ständnisse eines deutschen Landschaftsmalers in Rom in einem Briefe an seinen
väterlichen Freund,"*) und er ist dort allerdings nur mit den Buchstaben L. R.
unterzeichnet. Bedenkt man jedoch, daß die Abendzeitung im Verlage von Arnold
erschien, so kann unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Inhalts kein Zweifel
sein, daß unter dem väterlichen Freunde niemand anders als Arnold gemeint und
der Schreiber des Briefes Ludwig Richter ist. Da Richter damals nur wenigen
Männern bekannt war, so wird man sich kaum die Mühe gegeben haben, zu
erraten, wer dieser L. N. sei, und so konnte es leicht geschehen, daß die Ge¬
ständnisse in Vergessenheit gerieten und von allen Biographen Richters über¬
sehen wurden. Daß sie dieses Schicksal nicht verdienen, wird der folgende
Wiederabdruck lehren. Der Brief bedarf keiner weiteren Erläuterungen; hervorheben
wollen wir, wie zutreffend das Urteil des jungen Malers über die Gebrechen
der großen Masse italienischer Landschaften ist, und wie klar er sich der Gründe
derselben bewußt war. Wem die Darlegungen Prellers in dessen von Noquette
bearbeiteter Biographie über die gewöhnliche Vedutenmalerei nach italienischen
Motiven vor Augen stehen, dem wird in Richters Briefe die merkwürdige Über-



zu den von ihm erworbenen italienischen Landschaftszeichmmgen geschrieben. Wir empfehlen
diese Briefe der Beachtung aller Freunde des Meisters.
-) Artistisches Notizcublatl 1824, Ur. 14. S. S4 bis SS.

lernen aus diesen Briefen die rührende Bescheidenheit und bezaubernde Liebens¬
würdigkeit des in seinem Alter von allen Seiten gefeierten Künstlers kennen
und erfreuen uns an seiner milden Auffassung der Menschen und Dinge wie
an der lichten Klarheit seines Geistes, die selbst sein schweres Augenleiden nicht
zu trüben vermochte.

Zu diesem schönen Zuwachs authentischen Materials für eine künftige
Richter-Biographie können wir heute noch einen, wie uns scheint, nicht minder
wertvollen Beitrag liefern. Es ist bekannt, daß Richter durch die uneigennützige
Unterstützung des Dresdner Buch- und Kunsthändlers Johann Christoph Arnold
die Mittel erhielt, dem Zuge seiner Sehnsucht Folge zu leisten und in Italien
seiner künstlerischen Ausbildung nachzugehen. Leider wissen wir nur wenig aus
der Zeit, wo dieser wichtige Wendepunkt in Richters Leben eintrat, werden
Wohl auch erst dann genaueres darüber erfahren, wenn einmal seine autobio-
graphischen Aufzeichnungen an das Tageslicht treten, die sicherm Vernehmen
nach bis in die erste Zeit des römischen Aufenthalts reichen. Doch läßt sich
schon jetzt nachweisen, daß die Eindrücke, welche Richter von der ewigen Stadt
und ihrer Umgebung erhielt, zunächst nicht seinen hochgespannter Erwartungen
entsprachen. Dies geht mit Sicherheit ans einem Briefe Richters an seinen
Dresdner Gönner hervor. Der Brief wurde bald nach seiner Niederschrift in
dem von C. A. Böttiger redigirten „Artistischen Notizenblatt," dem Beiblatt
zur „Dresdner Abendzeitung," veröffentlicht, und zwar unter dem Titel: „Ge¬
ständnisse eines deutschen Landschaftsmalers in Rom in einem Briefe an seinen
väterlichen Freund,"*) und er ist dort allerdings nur mit den Buchstaben L. R.
unterzeichnet. Bedenkt man jedoch, daß die Abendzeitung im Verlage von Arnold
erschien, so kann unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Inhalts kein Zweifel
sein, daß unter dem väterlichen Freunde niemand anders als Arnold gemeint und
der Schreiber des Briefes Ludwig Richter ist. Da Richter damals nur wenigen
Männern bekannt war, so wird man sich kaum die Mühe gegeben haben, zu
erraten, wer dieser L. N. sei, und so konnte es leicht geschehen, daß die Ge¬
ständnisse in Vergessenheit gerieten und von allen Biographen Richters über¬
sehen wurden. Daß sie dieses Schicksal nicht verdienen, wird der folgende
Wiederabdruck lehren. Der Brief bedarf keiner weiteren Erläuterungen; hervorheben
wollen wir, wie zutreffend das Urteil des jungen Malers über die Gebrechen
der großen Masse italienischer Landschaften ist, und wie klar er sich der Gründe
derselben bewußt war. Wem die Darlegungen Prellers in dessen von Noquette
bearbeiteter Biographie über die gewöhnliche Vedutenmalerei nach italienischen
Motiven vor Augen stehen, dem wird in Richters Briefe die merkwürdige Über-



zu den von ihm erworbenen italienischen Landschaftszeichmmgen geschrieben. Wir empfehlen
diese Briefe der Beachtung aller Freunde des Meisters.
-) Artistisches Notizcublatl 1824, Ur. 14. S. S4 bis SS.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/201>, abgerufen am 22.07.2024.